46

8.4K 456 5
                                    

Als ich am späten Abend, nach meinem Casting und dem wöchentlichen Besuch bei Josh, zu Hause ankam war ich zugegebenermaßen überrascht alle Jungs zusammen auf der Couch gammeln zu sehen. Natürlich hatten sie die Umstände und die Behinderung von Damon akzeptiert, dass es ihnen so leicht fiel hätte ich dennoch nicht gedacht, immerhin ging es Gwendolyn miserabel.

Viel hatten wir nicht mehr mit einander gesprochen, meistens Smalltalk, aber schwarze Schatten zierten ihre helle Haut und der Glanz aus ihren Augen war weitgängig verschwunden. Wieso war mir unklar, möglicherweise belastete sie die Situation, aber meinem Bruder ging es auch nicht gerader herausragend und dennoch zog er kein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter.

Josh dagegen hatte eine wundervolle Zeit. Er hatte den Krebs besiegt und musste nun nur noch einige Wochen zur Kontrolle bleiben. Logischerweise könnte er jederzeit wieder kommen, aber niemand von uns rechnete damit.

Mit einem breiten Grinsen auf den Lippen schmiss ich mich zwischen Harry und Sean, ignorierte den leichten Körperkontakt zu Kürbiskopf, und erzeugte so die Aufmerksamkeit der männlichen Besatzung welche mich aus großen Augen ansah.

„Wo warst du so lange? Es ist schon weit nach neun.", tadelnd schaute mich mein älterer Bruder an, musste aber schmunzeln. Allein die Tatsache, dass er mit seinem Handicap so gut umgehen konnte beruhigte mich.

Immer noch hervorragend gelaunt zuckte ich mir den Schulter, erhob mich wieder und marschierte leichtfüßig in die Küche. Auf den Weg dorthin beachtete ich die vier Augenpaare die mich verfolgten nicht weiter.

Obwohl ich nie die große Esserin gewesen war, hatte ich Hunger. Ich nahm mir aus dem Kühlschrank einen Jogurt, der sättigte mich zwar nicht aber etwas anderes hatten wir derzeit nicht da.

Der schwarz-silberne Rollstuhl von Damon, mit ihm als Insassen, kam in den Raum gerollt und seine grünen Augen fixierten den Becher in meiner Hand ehe er anfing zu stutzen: „Seit wann isst du so etwas freiwillig? Ist etwas passiert, dass du so gut gelaunt bist?"

„Sollte ich schlecht drauf sein?", stellte ich prompt die Gegenfrage und schwang meinen Hintern auf die Kücheninsel wo ich es mir so gemütlich wie nur möglich machte.

„Du machst mir Angst, Schwesterherz.", verkündete er grinsend und hatte wieder einmal dieses Funkeln in den Augen das zeigte, dass er stolz war. Bei dem Gedanken daran, jetzt ohne ihn hier sitzen zu müssen, wurde mir schlecht und schnell stellte ich den Jogurt Becher beiseite um auf meinen Bruder zu zustürmen und ihn in die Arme zu nehmen.

„Wenn ich dir erzähle, dass ich bei einem Casting war, wie würdest du reagieren?", fragte ich so unschuldig wie möglich und löste mich etwas von ihm um in sein Gesicht sehen zu können. Anfangs lag eine Mischung aus Unschlüssigkeit und Angst in seinem Blick, dann auf einmal so viel Liebe und Stolz wie man es eigentlich nur von Eltern kannte die gerade dabei zusahen wie ihr Kind die ersten Schritte machte.

Er räusperte sich, setzte dann ein Lächeln auf und sagte: „Das wäre toll, wirklich! Nur bist du dir damit auch sicher, weißt du überhaupt wo das nächste ist?", Unsicherheit war deutlich aus seiner Stimme hinaus zu hören, doch statt ihm eine Antwort zu geben hüpfte ich von seinem Schoss und schlenderte auf die große Treppe, durchs Wohnzimmer, zu.

„Sagen wir so, Bruderherz, ich war nicht umsonst den ganzen Tag unterwegs!", mit diesen Worten, die ihm eigentlich Aussage genug sein sollten, ging ich in mein Zimmer und schloss hinter mir die Tür. Mit einem langen Atemzug schmiss ich mich ins Bett und kuschelte mich in die Decke. Das ich noch angezogen war und vollkommen euphorisch, war mir Hose wie Jacke.

Mein Blick glitt zu meinem Handgelenk. Die zwei dünnen Goldbänder schlangen sich elegant um dieses und die Anhänger, ein glitzernder Stein und eine Art Talisman, machten es zu etwas besonderem. Ich wusste nicht woher Damon es hatte, aber es gefiel mir jeden Tag aufs Neue.

Ein Klopfen an der Tür ließ mich aus meiner kleinen Welt aufschrecken und etwas verstört zu dem Kürbis blicken, der seinen Kopf in mein Zimmer steckte. Nervosität breitete sich in mir aus und unschlüssig was ich tun sollte richtete ich mich lediglich auf um meine Hände auf meinem Schoss zu betten. Mit Adleraugen beobachtete ich jede seiner Bewegungen, bis ich schließlich bei dem Telefon in seiner Hand hängen blieb und die Stirn krauste.

„Chiara.", seine Stimme klang rau, belegt und irgendwie abwesend als er dies sagte. Trotz dessen, dass ich ihn meiden wollte, entnahm ich ihm das Telefon um es anschließend an mein Ohr zu pressen.

„Hallo? Chiara?", fragte ich zögerlich und hörte ein Rascheln auf der anderen Seite der Leitung. Da ich beim Telefonieren nicht still sitzen konnte stand ich auf und tigerte durchs Zimmer auf und ab. Währenddessen ich dies tat erläuterte mir die kleine Schwester von Kürbiskopf ihr Anliegen, welches mich etwas aus der Fassung brachte.

Als ich noch immer etwas benommen auflegte und wieder hinüber zu Sean sah, welcher sich in der Zeit auf meine Bettkante gesetzt hatte, merkte ich erst wie übel mir wurde. Mein Vorsatz mich von ihm fernzuhalten war so eben gescheitert.


Believe in yourselfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt