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Statt meinem stummen Wunsch nach zu gehen verhedderten sich unsere Augen in einander und er stellte die schlimmste Frage die man in solch einer Situation nur stellen konnte: „Wieso ist dir der Tod so gleichgültig?"

Meine Lippen pressten sich zu einer dünnen Linie zusammen während ich seinem Blick auswich und zu Boden sah. Ich zuckte mit den Schultern, hoffte es würde ihm reichen, doch da hatte ich mich getäuscht.

„Amanda?", mein Name aus seinem Mund klang so unvorstellbar gut, dass ich gar nicht realisierte wie ich ihn ansah. Wahrscheinlich glich ich in seinen Augen einem angefahrenen Reh auf der Autobahn, nur warf mich diese Frage vollkommen aus dem Konzept und mir fehlten die Antworten.

Er musste meine Befangenheit bemerkt haben, denn innerhalb von Sekunden richtete er sich auf, legte beruhigend eine Hand auf mein Knie und strich imaginäre Kreise darauf. Mit der Zunge leckte ich über meine Lippe, schützte sie vor dem trocken werden mit einer Schicht meines Speichels und begann dann zögerlich: „Manchmal fallen Wörter, die man nicht sagen wollte."

Ich hörte mein Blut durch meine Ohren rauschen während mir Bilder der vergangenen Zeit wieder hoch kamen. Der Streit mit Damon. Eine glasige Schicht bildete sich in meinen Augen.

Manchmal muss man lachen, obwohl es unangebracht ist.", meine Gedanken glitten zu Grace wie sie mir ihren letzten Atemzug geschenkt hatte und ich dennoch gelacht hatte. Ich war lachend durchs Krankenhaus gegangen wobei ich meine Freundin verloren hatte.

Manchmal entsteht ein großer Streit aus einer Kleinigkeit.", ich hielt inne, atmete tief durch und versuchte nicht an den Schlag zu denken den mit Tom damals verpasst hatte. Es war nicht seine Absicht gewesen mich zu verletzen, er war betrunken, mit den Nerven am Ende und ich hatte ihn dazu noch genervt und provoziert.

Manchmal verlassen dich Menschen die du liebst und manchmal fallen Tränen obwohl man sie keinem zweigen wollte.", meine Stimme zitterte, klang verbittert und die Erinnerungen überrollten mich qualvoll. Luca war einer meiner besten Freunde, starb bei einer seiner unzähligen Operationen, da er Choleastatom, eine chronische Erkrankung am Ohr, hatte. Er war der erste Tod den ich durchleben musste, und der schlimmste. Tränen dagegen, so wie sie mir bei dem beinah Verlust von Damon kamen, waren meinerseits selten und immer versucht zu verhindern.

Doch so ist das Leben. Hart. Verletzend. Hässlich. Skrupellos.", eine vereinzelte Träne, die den gesamten Schmerz mit sich trug den ich bis jetzt durchleben musste, rollte mir die Wange hinab.

Sean hatte mir stumm zugehört, mich ausreden lassen und mir die Zeit gegeben die Worte zu finden um mich richtig auszudrücken. Seine Haltung war angespannt, seine Augen mit einem Ausdruck ausgestattet, denn man nicht deuten konnte.

Du hast vergessen zu sagen, dass das Leben schön ist.", verbesserte er mich mit ruhiger, samtiger Tonlage wofür er von mir einen verstörten Blick erntete.

Was?", dümmlich fragte ich nach wobei ich seine Aussage klar und deutlich verstanden hatte, nur wollte ich sie nicht verstehen. Ich hatte ihm mein Herz ausgeschüttet, mich ihm anvertraut und nun sprach er gegen mich und stellte meine Ansicht in Frage?

Ein Lächeln erschien auf seinen Lippen, er beugte sich gefährlich nahe zu mir rüber und sorgte somit dafür, dass mein Herz sich verabschiedete und wo anders einen Marathon lief: „Schön ist alles, was wir mit Liebe betrachten.", erwiderte er leise und streifte dabei fast unmerklich meine Lippen.

Ein warmer Schauer jagte mir über den Rücken und neugierig wie ich nun mal war fragte ich mit belegter Stimme: „Und was betrachtest du mit Liebe?"

Mein Atem ging stoßweise, vermischte sich mit seinem und vereinte sich zu einem neuen. Kleine Stromschläge fuhren durch meine Haut als er seine Hand an meine Wange legte und ich benommen meine Augen schloss. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals und wieder wollte ich seine Lippen auf meinen spüren.

Dich.", wisperte er ins Nichts hinein und presste seine Lippen sehnsüchtig auf meine. Ein Seufzen entfuhr mir als ich endlich dieses Gefühl wieder verspürte. Wie oft hatte ich mir diese Lippen an meinen gewünscht?

Ich wusste es nicht mehr, aber nun hatte ich sie endlich wieder und dazu noch ein indirektes Liebesgeständnis von dem Mann der mein Herz gestohlen hatte ohne es zu wissen.

Believe in yourselfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt