Liam machte sich für einen weiteren seltsamen Abend mit Jenny in seiner Wohnung bereit. Tagsüber konnten sie immer ein normales Gesprächsthema finden, aber abends schien es anders zu sein. Sie wussten auf einmal nicht mehr, wie sie miteinander umgehen sollten. Sie gingen sich aus dem Weg, warfen sich verstohlene Blicke zu und gingen früh schlafen. Vielleicht weil sie beide daran dachten, dass sie sich trennen mussten. Dass sie nicht zusammen waren.
Liam folgte Jenny aus dem Flur in die Küche, wo er sie beobachtete, wie sie sich ein Glas Wasser am Wasserhahn füllte. Sie spürte seinen Blick auf sich, fühlte es ganz unten an ihrer Wirbelsäule, wo sich das Kribbeln langsam, aber sicher über ihren ganzen Körper ausbreitete. Sie wusste, sie könnte sich umdrehen und seinem Blick begegnen. Aber was dann? Würde er auf sie zukommen? Sie umarmen? Sie küssen? Natürlich nicht. Er wartete noch immer.
Jenny war noch nie mit Geduld gesegnet gewesen, aber diese Unsicherheit trieb sie in den Wahnsinn. Wie konnte sie ihm zeigen, dass sie bleiben wollte? Dass er ihr zu wichtig war, als dass sie ihn einfach so verlassen konnte? Sie hatte es einmal getan und bitterlich bereut, den Fehler würde sie kein zweites Mal machen. Sie hatte versprochen zu bleiben, bis er sich entschieden hatte. Aber würde er sie nicht wollen, dann hätte er das schon gesagt, oder nicht? Wozu sollte er sie so lange bei sich wohnen lassen, wenn er sie dann am Ende doch wegschicken würde?
Jenny spannte ihren Unterkiefer an, sie wollte nicht mehr warten. Wieso konnte er sie nicht einfach in seine Arme nehmen und küssen, bis sie vergaß, wo oben und unten war? Ohne noch einmal darüber nachzudenken, dass sie ihn eigentlich nicht unter Druck setzen wollte, drehte sie sich herum, fand sofort seine Augen. Er stand in der Tür, seine Arme verschränkt, seitlich gegen den Rahmen gelehnt.
Als sie herumwirbelte, spannte sich alles in ihm an. Ihre Haare flogen um ihren Kopf und ihr durchdringender Blick fand seinen. Sein Herz setzte einen Schlag aus, nur um dann in doppelter Geschwindigkeit weiter zu rasen. Seine Lippen öffneten sich wie von selber, Liam hatte keine Worte in seinem Kopf, die er sagen konnte.
Mit flachem Atem verfolgte er, wie Jenny ihr Glas auf den Tisch knallte, etwas Wasser schwappte über den Rand auf die Tischplatte. Sie sah zu ihrem Glas herunter, als wäre sie selber überrascht, dass es so laut gewesen war. Er sah ebenfalls zu dem Glas und dem Wasser, was ihn gerade eigentlich nicht weniger interessieren konnte.
Er wusste, sie war ungeduldig. Er wusste, was sie wollte. Er wusste, worauf sie sehnsüchtig wartete. Und es wäre so leicht. Er könnte einfach einen Schritt auf sie zu machen, er könnte seine Arme ausstrecken und sie berühren, seine Finger durch ihre Haare gleiten lassen. Er könnte ihren Körper an seinen ziehen und sie küssen, er könnte in Flammen aufgehen und sich selber in dem Sturm verlieren, den Jenny entfachte.
Aber würde sie bleiben? Wäre sie da, um in diesem Strudel seine Hand zu halten? Würde sie ihm das Fliegen beibringen? Oder ihn fallen lassen? Er hob seinen Blick wieder zu ihr und sein Atem versagte. Ja. In ihren stahlgrauen Augen sah er pure Entschlossenheit. Ihre Augen waren kalt, oder zumindest wären sie das für jeden anderen, aber Liam sah die Funken, die dahinter sprühten, den Tornado, der dahinter tobte.
In seiner Brust zerriss etwas und beinahe hätte er gekeucht, so stechend war der Schmerz, der ihn durchfuhr, wie wenn eine ausgekugelte Schulter wieder zurück in ihr Gelenk sprang. Das hier war Jenny. Wild, chaotisch, stürmisch, impulsiv. Sie war ein Abenteuer, ein Nervenkitzel. Und sie war das einzige, was in seinem Kopf Platz hatte. Jenny, nur Jenny. Jenny am Strand in Los Angeles, die in Unterwäsche in die Wellen rennt. Jenny in Licht und Schatten in ihrem Pick-up, vor seinem Haus, ein Grinsen auf ihren Lippen. Jenny in seinem Bett unter ihm. Jenny in seinen Armen auf der Rückbank ihres Autos. Jenny in New York, Schmerz in ihren Augen. Jenny in London, wie aus dem Nichts, umwerfend. Jenny in seinem Wohnzimmer, verletzlich, ihre Lippen formen Worte, die er nie vergessen könnte: „Weil ich bei dir richtig bin."
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Whirlwind [One Direction]
FanfictionIhr hellblauer Pick-up, die weiten Straßen Amerikas. Mehr braucht Jenny nicht zum Leben. Jedenfalls dachte sie das, bis sie in einer Nacht mitten im Nirgendwo zwei Sänger mit einem Motorschaden aufsammelt, um sie rechtzeitig zu ihrem Konzert zu bri...