38. "Können Sie mir helfen?"

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Zwei Tage. Zwei verdammt Tage. 

Jenny starrte auf die Mitte ihres Lenkrads, war kurz davor, durchgehend die Hupe zu drücken, vielleicht würde das ihre Gedanken zum Schweigen bringen. Nicht einmal zwei Tage hielt sie aus. Vor ihrem inneren Auge tauchte sein Grinsen auf und als sie die Augen schloss, spürte sie seinen Körper hinter sich, seine Arme um sie, sie fühlte sich sicher und zufrieden. 

Wütend holte Jenny aus und schlug auf ihr Lenkrad. Ein kleiner Junge auf einem bunten Roller sprang erschrocken von ihrem Auto weg und knallte beinahe auf das Pflaster, als die Hupe ertönte. Bescheuerte Idee, schnauzte Jenny sich selber lautlos an. 

"Sorry, bin ausgerutscht!", rief sie dem Jungen zu, der bloß grinste und dann auf dem Roller abzischte. Jenny wollte auch abzischen. Sie wollte weit weg, vielleicht nach Norden, nach Kanada, irgendwo dorthin, wo es auch im Sommer kalt war, die Arktis klang gut. Wo sie niemanden sehen müsste, wo sie vor allem Liam nicht sehen müsste. 

Jenny fluchte leise, als sie bei dem Gedanken einen Stich in der Brust fühlte. Sie hielt nicht einmal zwei Tage ohne ihn aus, wie sollte sie das in der Arktis schaffen? Zwei Tage war es her, dass Liam bei ihr auf der Rückbank geschlafen hatte. Zwei Tage, seit sie morgens gemeinsam aufgewacht waren und er wegen der Rückenschmerzen sein Gesicht verzogen hatte. Sie hatte ihm fürs nächste Mal mehr Kissen versprochen. 

Nächstes Mal. 

Es sollte kein nächstes Mal geben. Jenny sah sich um, suchte nach etwas, mit dem sie sich beschäftigen konnte. Irgendetwas musste sie doch von Liam ablenken können. Sie sah die Skyline von Dallas, die Hochhäuser, die das Bild der Stadt prägten. Jenny schnaubte verächtlich. Sie war echt in Dallas gelandet. Texas. Sie war innerhalb von zwei Tagen die weite Strecke gefahren. Und wirklich spannend war es hier auch nicht. 

Seufzend schwang Jenny sich aus dem Auto. Wenn sie hier eh nur herumhing, konnte sie sich auch für ihre weitere Reise eindecken. Ihr Plan war noch immer, an die Ostküste zu fahren, um von dort nach Europa zu kommen. Schiffsverbindungen gab es ja wohl. Von Dallas aus würde sie nach Osten und nach Norden fahren, bis sie ihn Philadelphia ankam. Sie würde nicht nach Europa gehen, ohne vorher ihre Familie besucht zu haben. 

Jenny griff nach ihrer Kette, die unter dem Stoff ihres Shirts steckte. Dann nickte sie sich selber zu, holte ihren Rucksack heraus, schulterte ihn und schloss das Auto ab. Sie brauchte vor allem Wasser, ihre Vorräte gingen zur Neige. Jenny suchte sich also den nächsten Supermarkt und erledigte ihre Einkäufe. Jetzt, wo es nicht mehr so warm war, konnte Jenny auch größere Flaschen nehmen, sie musste sie nicht mehr im Kühlschrank aufbewahren, was ungemein praktisch war. 

Der Gedanke an ihre Familie und ihr Medaillon ließ sie nicht los. Sie hatte Liam davon erzählt. Sie hatte es ihm gezeigt. Sie war angetrunken gewesen. Sie hätte den großzügigen Schluck von Liz' Höllenmischung nicht nehmen sollen. Aber dann hätte ihr Abend nicht so geendet. Nüchtern hätte Jenny Liam nicht das Medaillon gezeigt. Oder doch? 

Sie erinnerte sich an den schüchternen Sänger, in ihrem Auto. Sie war davon überzeugt, dass er die Hälfte der Zeit keine Ahnung hatte, was er tun sollte, weshalb er sie einfach immer mit großen Augen anstarrte. Sein Bonus war, dass er dabei so verdammt niedlich aussah, dass sie ihn am liebsten küssen würde, bis ihnen der Atem wegblieb. Jennys Mund verzog sich zu einem dreckigen Grinsen. Vielleicht sah er niedlich aus, aber im Bett war das eine ganz andere Nummer. 

Verdammt, schon wieder war nur er in ihrem Kopf. Jenny sah sich hektisch um, schnappte sich wahllos etwas aus dem Regal im Supermarkt, um die Zutatenliste zu lesen. Alles, nur nicht ihre Gedanken. 

"Ach, Sie haben da bestimmt Ahnung von! Meine Frau hat mich losgeschickt, aber sie kauft immer die Babynahrung ein. Eine ganz bestimmte. Können Sie mir helfen?" 

Whirlwind [One Direction]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt