53. "Eine Chance"

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Bevor Jenny am nächsten Morgen ihr Zimmer verließ, atmete sie tief durch. Was konnte schon passieren? Es war doch nur Liam dort draußen. Sie fluchte lautlos. Genau, nur Liam. Ihre Knie waren weich, weshalb sie sich kurz an der Wand abstützte. Dann riss sie sich zusammen und trat auf den Flur.

Sie hörte Liam in der Küche summen. Sie erlaubte sich kurz, das zu genießen, als wäre alles gut, als stünde nichts mehr zwischen ihnen. "Morgen", murmelte sie dann, als sie in die Küche kam.

Liam drehte sich zu ihr um und lächelte unsicher. "Morgen, Jenny."

Gestern war es einfacher gewesen. Da hatte Jenny die unangenehme Stille einfach durchbrochen, aber Liam hatte das Gefühl, dass sie das heute nicht tun würde. Sie saßen am Tisch, beide schlürften ihren Tee, während die Uhr laut vor sich hin tickte. Diesmal musste Liam sich zusammenreißen. Er hatte noch Fragen an sie, wollte Dinge wissen. Aber er musste sich erst sammeln, um Jenny sowas fragen zu können.

"Nach LA... hast du nochmal mit jemandem...", brachte Liam schließlich stockend heraus, aber Jenny verstand sofort, was er meinte. Sie senkte ihren Blick auf ihre Hände und spielte an ihrer Tasse herum. Liam spannte seinen Kiefer an und verschränkte seine Arme vor der Brust, lehnte sich zurück.

"Ich bin nach LA nach Las Vegas gefahren, das weißt du. Ich war in einem Club und wollte mit jemandem verschwinden. Ich wollte dich vergessen. Am Ende bin ich bei einem gelandet, der dir verdächtig ähnlich sah. Ich habe mir die ganze Zeit gewünscht, du wärst es. Es war schrecklich. Ich hatte nicht einmal Lust, etwas vorzutäuschen. Ich bin einfach abgehauen. Danach habe ich es noch einmal versucht, aber habe schnell gemerkt, dass ich dich nicht mehr aus meinem Kopf bekommen habe. Ich war so wütend auf mich.", erzählte Jenny.

Liam war etwas erleichtert, dass das einzige Mal wohl ziemlich schlecht gelaufen war. "Wieso wütend?", fragte Liam aber dann, ließ sich nichts anmerken.

Jenny schnaubte und schüttelte ihren Kopf. "Ich hatte mir geschworen, als ich damals von zuhause weg bin, dass ich unabhängig bleibe. Ich wollte frei sein. Und dann bist du aufgetaucht, wie aus dem Nichts, und hast eine Menge Platz in meinen Gedanken... und in meinem Herzen eingenommen. Der Gedanke an dich hat mich daran gehindert, manche Sachen zu tun. Ich habe das gehasst und gleichzeitig wollte ich, dass es nie aufhört. Ich war wütend auf mich selber, weil ich so gefühlt habe."

Liam schwieg, konnte aber nicht verstecken, dass Jennys Worte ihn berührten. "Deswegen hast du mich auch in New York stehen gelassen?", fragte er nach, seine Stimme zitterte etwas.

Jenny sah ihn schuldbewusst an, biss sich auf die Lippe und nickte. "Ich konnte das nicht akzeptieren. Das konnte ich erst, nachdem mir genug Leute gesagt haben, wie blöd ich doch bin. Will hat mich für bescheuert erklärt. Und naja... er war mein Beispiel dafür, dass eine solche Veränderung nicht schlecht sein muss. Ja, vielleicht gibt man einen Teil seiner Unabhängigkeit auf, aber man bekommt auch viel zurück, wahrscheinlich."

Jenny wandte ihren Blick ab und presste ihre Lippen zusammen. Sie wollte eigentlich nicht über eine Beziehung sprechen, ohne dass Liam sich entschieden hatte.

"Weißt du, ich bin davon ausgegangen, dass sowas mit mir nur möglich ist, wenn ich alles aufgebe, was ich bisher gemacht habe. Also habe ich natürlich geglaubt, es wäre bei dir nicht anders. Aber ich habe dir, uns, nie eine Chance gegeben. Eine Chance, zu zeigen, was vielleicht doch sein kann."

Liam verstand, was sie meinte. Ihm war klar, dass eine Beziehung mit Jenny, die gerne reiste, die in ihrem Auto lebte und nicht genug von der Welt bekommen konnte, nicht wie jede andere werden würde. Aber für eine Beziehung mit ihm galt das gleiche. Sein Job machte etwas Dauerhaftes schwierig. Aber Jenny war bereit, es zu probieren, ihnen beiden eine Chance zu geben. Und vielleicht, vielleicht würden sie ihr Glück finden.

Whirlwind [One Direction]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt