Verzeihen

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Kapitel 67:

Verzeihen


„Du willst mir…verzeihen?“, wiederholte Vegeta und blinzelte Raika überrascht und irritiert an. Das hatte er nicht erwartet. Er hatte mit einer Diskussion gerechnet. Mit Vorwürfen, Rechtfertigungen und mit einem Streit. Aber das… Das kam gänzlich unerwartet.

Die junge Frau auf seiner Bettkante nickte verlegen lächelnd. „Ich habe mittlerweile verstanden, dass du einfach nur Angst hattest, mich wieder an Kakarott zu verlieren. Und wenn ich ehrlich bin, war diese Angst ja gar nicht so unbegründet. Ich hätte dir einfach besser zuhören sollen. Ich hätte mich in deine Situation einfühlen müssen… Wir hätten im Anschluss noch einmal in Ruhe darüber sprechen sollen. Diese…Situation damals…war viel zu angespannt, als dass wir hätten vernünftig miteinander reden können“. Raika wendete ihren Blick ab und sah zum Fenster hinaus, ließ ihre Augen aufgeregt über die vielen Häuser der Hauptstadt von Vegeta-Sai springen, über die sie von hier aus einen einmaligen Ausblick hatte. „Wir waren gerade auf Namek, der Kampf gegen Freezer und Cooler stand kurz bevor… Unser beider Nerven lagen komplett blank. Als ich erfahren habe, dass du mich angelogen hast, wollte ich dich sofort zur Rede stellen, aber so angespannt hatte unser Gespräch natürlich kein schönes Ende. Und kurz darauf ist auch schon Goku aufgetaucht“.
Der stolze Prinz hörte sich ihre Ausführungen stumm an. Es war hart, die ganze Szenerie durch ihre Worte erneut zu durchleben. Es schmerzte ihn. Auch er sah von ihr weg und konzentrierte sein Augenmerk zum Fenster hinaus. Er wollte nicht, dass sie ihm ansah, wie sehr er immer noch darunter litt, dass er sie damals für immer verloren hatte.
Aber diese Ehrlichkeit und diese Selbstreflektion in ihren Worten, nötigte ihn dazu, auch etwas dazu beizutragen.

„Ich…“, begann er unbeholfen. Sein Blick sprang kurz zu ihr herüber, dann wieder zurück zum Fenster. Ein tiefes grummelndes Seufzen verließ seine Lippen. „Du glaubst nicht, wie sehr ich mich dafür hasse, was damals passiert ist…“.
Raikas Kopf schnellte zu ihm. Mitgefühl zeigte sich in ihren grünen Augen. „Vegeta… Ist schon gut“.
„Nein, ist es nicht!“ Er schüttelte abwehrend sein Haupt. „Ich habe einfach alles falsch gemacht. Heute weiß ich das… Heute weiß ich, dass ich dich nicht hätte so unter Druck setzen dürfen. Heute weiß ich, dass ich meinem Vater niemals hätte vertrauen dürfen. Ich weiß, dass ich für all dein Leid verantwortlich bin. Und ich weiß, dass ich es niemals wieder gutmachen können werde“.
Nun konnte die Langhaarige ihren Impuls nicht länger unterdrücken. Ihre Hand bewegte sich wie von selbst zu seinem Oberschenkel, legte sich sanft und weich darauf.
Wie von einem Blitz getroffen rückte Vegetas Blick direkt zu ihr und sie sahen sich tief in die Augen. Das erste Mal seit vielen, vielen Jahren spürten sie eine Art Verbundenheit. Ein tiefes Verständnis für die Emotionen und Handlungen des anderen. So, wie es früher zwischen ihnen war…
„Vegeta…“, wiederholte sie sanft. „Es ist wirklich in Ordnung. Es hat lange gedauert, aber ich habe damit abgeschlossen. Und ich gebe dir nicht mehr die Schuld dafür. Natürlich hast du damals Scheiße gebaut, aber ich möchte nicht, dass das weiterhin zwischen uns steht“. Ein aufmunterndes Lächeln umspielte ihre Lippen. „Dein Vater war derjenige, der mir all das angetan hat – nicht du!“

Vegeta schnaubte gereizt. Er konnte mit so viel Verständnis nicht umgehen. Das hatte er nicht verdient. Eigentlich hatte er es nicht einmal verdient, dass sie in seiner Nähe war. Grummelnd sah er wieder von ihr weg. „Das ändert alles nichts daran, wo wir heute stehen. Ich habe dich in die Arme meines größten Widersachers getrieben und das werde ich bin an mein Lebensende bereuen“.
Seufzend stimmte Raika ihm zu. Auch ihr fiel es nicht leicht, darüber zu sprechen. Es weckte viele alte Gefühle und Erinnerungen. Aber es war nun mal notwendig, wenn sie bald miteinander gegen die Cyborgs in die Schlacht ziehen mussten. „Vielleicht wäre alles anders gelaufen, wenn wir damals beide nicht so impulsiv reagiert hätten“.
„Kann sein“, murrte Vegeta.

Das viele Nachdenken darüber, was hätte sein können, ließ ihn beinahe wahnsinnig werden. Verdammt, er wusste doch, was er verloren hatte! Sie jetzt hier zu sehen und mit ihr darüber zu sprechen, machte es nicht leichter. Der Geruch von Kakarott, der an ihr klebte, setzte dem Ganzen die Krone auf. Ihm war klar, dass er ihr dieses Gespräch schuldig war – er würde es für immer bereuen, wenn auch dies wieder in einem Streit enden würde – aber irgendwie musste er es für sich selbst erträglicher machen.
Vegeta beugte sich eher unbewusst zur Seite, griff unter sein Bett und zog einen Aschenbecher hervor, in dem noch ein halber Joint vom Vorabend lag.
Irgendwie musste er jetzt seinen Kopf abschalten. Er wollte sie nicht wegschicken oder mal wieder vor einer Konfrontation mit ihr davonlaufen. Sie hatte Recht. Es war längst überfällig, dass sie mal darüber redeten. Wenn er ihr damit auch nur ein bisschen helfen konnte und sie ihm ein klein wenig mehr vertrauen konnte, dann war es das wert.

Vegeta zündete den Glimmstängel an und inhalierte den Rauch tief in seine Lunge. Leider hatte der Prinz in den vergangenen Jahren der Einsamkeit wieder öfter zur Flasche oder zu anderen Drogen gegriffen, die ihn von seinen wahren Gedanken und Gefühlen ablenkten. Es war nicht so, dass diese Substanzen seinen Alltag bestimmten – so, wie es damals war – aber zwischendurch brauchte er es, um runterzukommen und einen halbwegs erholsamen Schlaf zu bekommen. Einfach, um nicht dauerhaft von seinen Selbstvorwürfen und den rasenden Gedanken geplagt zu werden.
Und auch wenn es für Vegeta ein routinierter Handgriff war, etwas, was er sich angewöhnt hatte, was für ihn zur Normalität geworden war, stieß sein Verhalten bei Raika natürlich auf Widerstand.

„Was soll das?“ Die Kriegerin verengte empört ihren Blick. „Muss das wirklich sein, dass du dich jetzt zudröhnst? Ich will nicht, dass du wieder alles vergisst, was wir bereden!“
„Komm runter, Kleine!“, entgegnete er locker, als hätte er schon mit einer Reaktion dieser Art gerechnet. Er nahm einen weiteren Zug und erklärte: „Das Zeug hier ist von der Erde – nicht von Diewon. Selbst Broly hat das schon geraucht, bevor Bulma schwanger wurde. Davon bekommt man keine Gedächtnislücken. Das entspannt nur“. Ein dritter Zug folgte. Anschließend blies er den Rauch provokant quer durch den Raum. Leicht grinsend fügte er an: „Ein bisschen Entspannung könnte dir auch nicht schaden“.
Raika hielt inne und realisierte, dass sie wieder einmal überreagiert hatte. Sie hatte ihn verurteilt, ohne überhaupt mal nachzufragen. „Es… Es tut mir leid…“, hauchte sie leise und senkte schuldbewusst ihren Blick. Die Situation war ihr furchtbar unangenehm. Sie hatten gerade noch darüber gesprochen und schon fiel sie wieder in alte Muster…
Schnell erhob sie sich. „Ich sollte besser gehen“.

Unverständnis und Frust wuchs in dem Prinzen heran. Das war's schon? Sie wollte schon wieder gehen? Nein, das durfte sie nicht! Das durfte er nicht zulassen! Sie war doch gerade erst gekommen. Er wollte ihr doch noch so Vieles sagen. Ihr so Vieles erzählen. Sie so Vieles fragen. Er hatte ja nicht einmal die Möglichkeit gehabt, ihre Schönheit einzufangen, oder sich ausreichend an ihrem Antlitz zu ergötzen. Er musste sie aufhalten!

Bevor sie sich einen Schritt vom Bett entfernen konnte, ergriff Vegeta ihr Handgelenk und hielt sie zurück.
Sie sah ihn verdutzt an, woraufhin er fragte: „Bist du jetzt ernsthaft den weiten Weg hier her gekommen, nur, um mir das zu sagen?“ In seinem Blick lag etwas Flehendes. Es war kaum erkennbar, doch es war da.
„Ja…eigentlich schon“.
„Wir haben doch kaum miteinander gesprochen. Bleib noch ein bisschen… Für die zehn Minuten lohnt sich doch der ganze Aufwand nicht“. Vegeta ließ sie los, während er ihr weiterhin tief in ihre giftgrünen Augen starrte. Er musste sie davon abhalten, gleich wieder zu verschwinden. Sie hatten sich so lange nicht gesehen. Es durfte nicht gleich wieder enden. Vor allem nicht so! „Entspann dich etwas, beruhige dich und komm erst mal runter, bevor du dich gleich wieder auf den Weg machst. Ich kenne dich gut genug, um dir ansehen zu können, dass du ganz schön angespannt und erschöpft bist…“. Zumindest funktionierte sein Verstand noch und spuckte sinnvolle Sätze aus, auch, wenn er gerade selbst kaum mitbekam, was er überhaupt sagte, weil er schon dabei war, sich in dem intensiven Funkeln ihrer Augen zu verlieren, was er so sehr vermisst hatte. „Du kannst nachher in deinem alten Quartier übernachten und morgen fliegst du ausgeruht und fit wieder zurück zur Erde“.

Ungläubig fixierte Raika den Älteren blinzelnd. War das der Vegeta, den sie kannte? Er scherte sich doch sonst nicht so offenkundig um ihr seelisches Wohl. Aber so eine selbstkritische Aussage wie eben hatte sie schließlich auch nicht erwartet. Vielleicht hatte er sich ja wirklich geändert. Vielleicht war es an der Zeit, wieder zu ihrer alten Freundschaft zurückzukehren.
Ihr verständnisloser Gesichtsausdruck, wich einem freudig überraschten. Sie freute sich darüber, dass er sich ihr gegenüber so empathisch zeigte. Das war nicht gerade typisch für ihn. Doch statt darüber nachzudenken, warum er sich so zeigte, nahm sie es einfach an.

„Danke, Vegeta“. Die Langhaarige nickte lächelnd. Sie war froh über sein Angebot. Goku würde es verstehen, wenn sie bis zum nächsten Morgen hierbleiben würde. So hatte sie auch die Chance sich zu erholen und zumindest eine Nacht lang in einem richtigen Bett zu schlafen, bevor sie wieder in die winzige Kapsel zwängen musste.

Der Prinz rauchte unterdessen weiter an seinem Joint. Er war erleichtert, dass er sie überzeugen konnte, ihm noch eine Weile Gesellschaft zu leisten. So wohl, wie mit Raika fühlte er sich mit niemandem. Und dieses Gefühl wollte er nicht gleich wieder verlieren. Vegeta musterte seine große Liebe und pustete den Rauch in ihre Richtung.
„He, was soll das?“, fragte sie und wedelte mit der Hand vor ihrem Gesicht.
„So kann ich deinen Geruch wenigstens halbwegs ertragen“, provozierte er sie und grinste sie schelmisch an.
Die Stimmung damit aufzulockern, war eigentlich der Hauptzweck dessen gewesen, doch der überdeckte Geruch seines Rivalen war ein praktischer Nebeneffekt. Vegeta hatte wirklich nicht vor, den Duft von Kakarott den ganzen Abend in der Nase haben zu müssen. Früher oder später würde er noch durchdrehen vor Eifersucht.

»Dieses Grinsen…« Raika konnte ihre Gedanken nicht kontrollieren. Wie lange hatte sie dieses Grinsen nicht mehr gesehen? Es ließ sich auf der Stelle dahinschmelzen. Ihr Herz pochte mit einem Mal schneller gegen ihre Brust. Erst jetzt wurde ihr klar, wie sehr sie ihn und seine ganze Art in den letzten Jahren vermisst hatte. Das war es, was ihr immer irgendwie gefehlt hatte. Ohne ihn fühlte sie sich nicht komplett.
Die Frage war nur, ob ein freundschaftlicher Kontakt ausreichen würde, um diese Leere zu füllen, oder ob mehr von Nöten war…

Schnell schüttelte die Langhaarige diese intensiven Gedanken ab und konterte stattdessen: „Also Goku hat sich mit deinem Geruch auch abfinden können“.
„Ach ja? Wie lange hat es gedauert, bis er dich markiert hat?“, wollte der Prinz, eine Augenbraue hebend, wissen. Er konnte sich nicht vorstellen, dass es seinem Konkurrenten anders ergangen war als ihm in diesem Moment. Kakarott war mindestens genauso eifersüchtig, wie er. Das wusste er, seitdem er mit Raika von ihrem Auftrag auf Romarmi wiedergekommen war und der Jüngere ihn das erste Mal angegriffen hatte. Damals war Goku noch keine ernsthafte Bedrohung gewesen, aber das sah mittlerweile leider ganz anders aus…
„Er hat es sogar geschafft mit mir zu schlafen, bevor er mich markiert hat. So schlimm kann es also nicht sein“.
Noch in dem Moment, als sie es aussprach, bereute Raika diesen Satz. Verfluchte Scheiße! Warum hatte sie darüber nicht nachgedacht? Das würde Vegeta ihr garantiert übel nehmen! Wie konnte er auch nicht? Ihre Aussage hätte wohl jeden gekränkt. Dabei wollte sie ihn gar nicht verletzen. Es war ihr einfach so herausgerutscht. Schuldbewusst weiteten sich ihre Augen.

Dass Kakarott und Raika miteinander geschlafen hatten, hatte Vegeta sich schon denken können. Es aus ihrem Mund zu hören – diese Gewissheit zu haben – versetzte seinem Herzen dennoch einen weiteren Stich. Statt aber einen Streit zu riskieren, konzentrierte er sich auf das, was ihm an dieser Situation gefiel. Ihr herausfordernder Blick, das Feuer in ihren Augen und ihr zartes Lächeln, stachelte ihn dazu an, weiterzumachen und ihre Sticheleien zu erwidern. Er versuchte sich nichts anmerken zu lassen.

„Oh wow, die ewige Jungfrau hat es endlich geschafft einzulochen? Ich bin ja fast begeistert. Dafür hat er aber auch schon eine Ehe in den Sand gesetzt und das mit einem Erdlingsweib. Das muss man auch erst mal schaffen“. Der Blaublütige lehnte sich lässig gegen das Kopfende seines Bettes und genoss das kleine Wortgefecht in vollen Zügen, statt genauer darüber nachzudenken, worüber sie sich hier eigentlich unterhielten. Er hatte sich lange nicht mehr so wohl gefühlt und so viel Freude empfunden. Immerhin wusste er, dass sie es nicht böse meinte und wusste ebenso, dass sie ihm seine Neckereien nicht übelnehmen würde.
Aufgrund seines Konters wurde auch ihr Blick wieder selbstbewusster. Er wollte es also nicht anders. „Ich lehne mich mal ganz weit aus dem Fenster und behaupte, dass du mehr Beziehungen vergeigt hast als er“.

Beinahe hatte sie vergessen, wie gerne sie sich mit Vegeta Auseinandersetzungen dieser Art lieferte, auch, wenn es vielleicht nicht gerade angemessen war, Witze über dieses empfindliche Thema zu reißen. Offensichtlich wollte der Prinz auch wieder zurück zu dem Punkt ihrer Beziehung, in dem sie eine tiefe Freundschaft gepflegt hatten.

Vegeta starrte kurz wie hypnotisiert auf ihre Lippen, die sich bei jedem Wort bewegten und aufgeregt zuckten. Dies zu beobachten, brachte sein Herz erneut in Rage, erhöhte seinen Puls und seine Atemfrequenz. Ein warmes Gefühl breitete sich in seiner Brust aus. Er grinste sie weiterhin an und schüttelte leicht den Kopf.

»Das hat mir wirklich gefehlt…«, dachten die beiden Saiyajinkrieger simultan.

Und noch während dieser freudige Moment seine Nachwehen in den Gesichtszügen der stolzen Krieger widerspiegelte, hielt Vegeta der Jüngeren den Joint hin.
Raika zögerte einen Moment lang. Da war etwas in ihr, was schon immer mal wissen wollte, wie dieses Zeug wirkte. Wenn es keine Gedächtnislücken verursachte, konnte eigentlich nichts Schlimmes passieren, so war zumindest ihr Gedanke. Und sie wusste nicht, ob sich die Gelegenheit noch mal ergeben würde.
Von ihrer Neugier getrieben nahm sie den Glimmstängel also entgegen und zog zweimal vorsichtig daran, blies den Rauch durch das Zimmer und überreichte ihn wieder Vegeta, der ihn im Aschenbecher ablegte.

„Wie genau hast du dir das vorgestellt?“, fragte der Prinz nach ein paar Minuten, in denen sie sich friedlich angeschwiegen hatten.
„Was meinst du?“, harkte sie irritiert nach.
„Na, deine Zukunft. Du bist doppelt geprägt, oder sehe ich das falsch?“
Die Jüngere nickte verunsichert. „Nein, es stimmt… Deswegen war ziemlich viel Überzeugungsarbeit nötig, damit ich überhaupt her komme. Ich hielt das anfangs für keine gute Idee. Goku hat hingegen darauf bestanden“.
Ruckartig verengte sich Vegetas Blick. „Kakarott wollte, dass du herkommst?“ Diese Information überraschte den Thronfolger. Immerhin wusste sein Konkurrent doch, was zwischen Raika und ihm gelaufen war. Er wusste, dass sie doppelt geprägt war und auch, dass der Prinz auf Raika geprägt war. Warum schickte er sie absichtlich her? Das ergab doch gar keinen Sinn. Oder testete er ihre Treue absichtlich? »Nein, Quatsch! So weit kann dieser Clown gar nicht denken…«, dachte Vegeta und schüttelte seine Gedanken ab. Er konzentrierte sich lieber wieder auf die vor ihm sitzende Kriegerin, deren Präsenz er endlich wieder aus nächster Nähe bewundern konnte. Er durfte keinen Augenblick verpassen.
„Ja“. Raika nickte, warf ihm einen kurzen Blick zu, sah aber dann wieder durch den Raum und fuhr fort: „Goku ist der Meinung, dass ich mit dir und allem, was geschehen ist, nur richtig abschließen könne, wenn ich dir vergebe und mit dir darüber rede“.
»Na, wenn das mal kein Fehler seinerseits war«, schoss dem Prinzen durch den Kopf, während er die Kleinere erneut ausgiebig musterte.

Raika lehnte sich derweil auf seinem Bett zurück in eine liegende Position und blickte zur Zimmerdecke. Das Kraut zeigte so langsam seine Wirkung. Ihr Hirn begann leicht zu kribbeln und ihre Stirn zog sich zusammen. Eine gewisse Schwere breitete sich auf ihrer Brust aus, die sie ins Laken zu drücken schien. Es war ein angenehmes Gefühl, welches ihren Körper tatsächlich etwas entspannte.
Die Langhaarige plapperte drauf los, ohne darüber nachzudenken: „Sag das bitte niemandem, aber ich fühle mich trotz allem immer wieder hin und her gerissen. Als würde ich zwischen den Stühlen sitzen. Das kommt immer ganz darauf an, wie meine Stimmung ist… Von daher kann ich dir deine Frage gar nicht richtig beantworten“. Sie seufzte und holte tief Luft. „Ich weiß nicht, wie ich mir meine Zukunft vorstelle. Versteh‘ mich nicht falsch – ich liebe Goku. Er ist großartig… Liebevoll, einfühlsam, witzig, geduldig und sehr verständnisvoll“. Wieder folgte ein tiefes, nachdenkliches Seufzen. „Aber manchmal fühlt es sich so an, als würde trotzdem etwas fehlen. Weil du… Du bist…“.
Raika stockte und hielt ihren Atem an. Sie sollte dem Prinzen lieber keine Komplimente machen. Das würde er nur in den falschen Hals bekommen. Außerdem wollte sie gar nicht darüber nachdenken, was ihr alles an Vegeta gefiel, aus Angst, dass ihre Gefühle wieder aufflammen könnten. Allein seine Anwesenheit brachte ihr Herz zum Beben. Sie konnte ihn kaum ansehen – wie sollte sie ihm da auch noch sagen, was sie an ihm liebte?
Ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Sie wusste es schon so lange. Vegeta würde ihr immer fehlen. Aber er war nun mal nicht der Richtige für sie. Dafür war zu viel zwischen ihnen passiert. Goku war die logischere Entscheidung. Goku tat ihr gut. Er behandelte sie gut und würde sie niemals verletzen.

Aber es war nicht einfach, dem Herzen eine logische Entscheidung aufzuzwingen. Herz und Verstand würden immer wieder gegeneinander kämpfen.

Es vergingen einige Herzschläge in absoluter Stille, bis Vegeta diese neugierig durchbrach. „Und ich bin?“, fragte er nach, nachdem er den Aschenbecher auf seinen Nachtisch gestellt und sich neben sie gelegt hatte.
Sie drehte ihren Kopf zur Seite und blickte ihn an. Ihr Herz begann immer schneller zu schlagen. »Du bist klug und attraktiv. Du forderst mich immer wieder heraus und das auf jeglichen Ebenen. Du bist stolz und voller Selbstbewusstsein. Du bringst mich an meine Grenzen und weit darüber hinaus. Es war für mich immer das Größte, die angeblich uneinnehmbare Festung, die dein Herz umschließt, bröckeln zu sehen. Dein Grinsen lässt mich jedes Mal schwach werden…und diese kleinen Streitereien mit dir sind immer wieder wundervoll. Du lässt mein Herz schneller und intensiver schlagen als sonst irgendjemand…«, dachte sie sehnsüchtig und biss sich von innen auf die Unterlippe.
Sie spürte, dass ihr auf einmal ganz heiß wurde. Ihre Hände begannen zu schwitzen vor Aufregung. Verdammte Scheiße! Sie konnte ihm ja schlecht erzählen, was ihr gerade durch den Kopf gegangen war! Er würde es nicht verstehen. Er würde sie für verrückt halten. Er würde sich wieder Hoffnungen machen, die sie unweigerlich zugrunde richten müsste, weil sie nun mal mit Goku zusammen war. Und sie war doch glücklich mit ihm! Sie hatten doch sogar schon über gemeinsamen Nachwuchs gesprochen. Warum wurde der Drang, Vegeta zu küssen, gerade so übermächtig? Verflucht! Es war ein verdammter Fehler, herzukommen!

Vegeta hob seine Augenbrauen, wartete immer noch auf eine Antwort, während sie sich anstarrten. Sein Blick wirkte bei Weitem nicht so kalt, wie normalerweise. Immer, wenn sie allein waren, taute seine Fassade ein Stück weit auf. So auch in diesem Moment, wodurch ihr Herz noch lauter und schneller pochte. So sehr, dass sie Angst bekam, dass er es über ihre geringe Distanz hinweg, hören konnte. Raika wusste ganz genau, dass er seine Maske bei niemandem sonst fallen ließ. Und wieder einmal fühlte sie sich geehrt, dass er es zuließ.
Plötzlich war es so, als wären sie nie getrennt gewesen. Die Chemie zwischen ihnen bestand immer noch. Und das, obwohl sie sich so lange Zeit nicht gesehen hatten und eigentlich im Streit auseinander gegangen waren. Allein ihre Augen drückten so viele Emotionen aus, dass sie beinahe überkochten.

Raika hatte jetzt schon so lange geschwiegen. Irgendetwas musste sie sagen!

„Du… Du wirst immer einen besonderen Platz in meinem Herzen haben“, gestand Raika leise, nachdem sie einen großen Kloß in ihrem Hals heruntergeschluckt hatte. Ein rötlicher Schimmer umspielte ihre Nase. Sie konnte ihn einfach nicht anlügen. Nicht in diesem doch sehr intimen Moment, den sie miteinander teilten.

Vegetas Mundwinkel zuckten für einen kurzen Moment erfreut nach oben, als ob ihm ihre Aussage gefallen würde. Dann fing er plötzlich an, abfällig zu lachen. „Hahaha – so ein Bullshit! Du solltest dich mal hören!“
„Du bist so ein Arsch!“, rief sie gespielt wütend und schlug ihm mit geballter Faust auf die Brust.
Bevor ihr Schlag ihn erreichte, fing er ihre Hand ab und kniff ihr grinsend in den Bauch, wodurch sie zusammen zuckte und nach seinem freien Handgelenk griff. Beide hatten sich einander zugewendet und blickten auf ihre Hände, die sich gegenseitig vor- und zurückschoben, während sie versuchten, den jeweils anderen zu schlagen, zu kneifen oder anderweitig zu ärgern.
Raika konnte sich ein amüsiertes Kichern nicht verkneifen, als sie es geschafft hatte Vegeta in den Bauch zu pieken.
„Du bist echt ein Kleinkind“, bewertete der Prinz, der einen mindestens genauso erheiterten Gesichtsausdruck trug.
„Das sagt der Richtige!“, entgegnete sie und pustete sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Ihr Blick glitt von ihren Händen hinauf zu seinem Gesicht. Wieder dieses unvergleichliche Grinsen… Und wieder schoss ihr Puls durch die Decke.
Raika zwang ihre Augen, sich von seinem Gesicht zu lösen und schob ihn von sich, doch Vegeta nutzte ihre Bewegung und ihre kurze Unaufmerksamkeit, um Schwung zu holen. Im nächsten Moment lag sie schon auf dem Rücken, er beugte sich über sie, fixierte ihre Beine mit seinen Knien und ihre Händen mit den Seinen.
„Jetzt entwichst du mir nicht mehr!“, drohte er grinsend und drückte sie fest in die Matratze unter sich.

Die Jüngere gab sich nicht geschlagen und bäumte sich unter ihm auf, doch er hatte sie so festgesetzt, dass sie kaum Möglichkeit hatte, ihm etwas entgegenzusetzen, wenn sie nicht sein Bett oder den gesamten Raum zerstören wollte.
Langsam ließ Vegeta seinen Körper auf ihren nieder, um sie in ihrer Bewegung noch mehr einzuschränken. Währenddessen kam er ihrem Gesicht ganz nah und brummte mit seiner tiefen, rauen Stimme: „Hmm… Dieser Anblick kommt mir doch sehr bekannt vor…“.
Raika hielt ihren Atem an. Gezwungen von seiner Nähe und seiner einnehmenden Präsenz fiel ihr Blick unweigerlich zurück zu seinen Augen. Immer tiefer versank sie in seinen großen, schwarzen Opale, die ebenso zurückstarrten.
Nur noch wenige Millimeter trennten ihre Lippen voneinander. Ihre Nasen hatten sich bereits nebeneinander positioniert. Sie spürte seinen regelmäßigen Atem kitzelnd an ihrem Mund. Reflexartig ließ ihre Zunge flüchtig über ihre Lippen gleiten, um diese erneut zu benetzen.
Er hatte Recht. Auch ihr kam es sehr bekannt vor. Nicht nur der Anblick, sondern auch das Gefühl, was er in ihr auslöste. Es war eine alte Gewohnheit, die sie zu dem nächsten Schritt trieb.

Wie in Trance schloss Raika ihre Augen.
Vegeta bemerkte ihren zufallenden Blick sofort und spürte sein Herz immer schneller schlagen. Seine Gedanken überschlugen sich. Würde sie ihn tatsächlich küssen? Würde sie sich ihm hier und jetzt hingeben? Gab es wirklich eine zweite Chance für ihn? Konnte er sie wieder für sich gewinnen, so wie damals auf Romarmi?
Während er unwillkürlich an ihren ersten Kuss zurückdachte, spitzte sie schon ihre Lippen, sodass sie seinen leicht offen stehenden Mund mit ihrem verschloss.

Seine Gedanken brachen gewaltsam ab. Scheißegal, was es zu bedeuten hatte. Sie war hier und küsste ihn. Das war das Einzige, was für den Prinzen zählte. Erleichtert seufzte er und ließ entspannt seine Lider zufallen. Ein intensives Kribbeln breitete sich von seinem Mund über seinen gesamten Körper aus.
Er hatte nicht vorgehabt, Raika zu küssen. Immerhin wollte er sie nicht wieder bedrängen oder in ein weiteres Gefühlschaos stürzen. Aber da dieser Kuss eindeutig von ihr ausging, erwiderte er ihn, ohne zu zögern.
Vegeta lockerte seinen Griff von ihren Händen und strich mit einer Hand über ihre Wange, ließ sie in ihren Nacken gleiten und streichelte mit seinem Daumen sanft über ihre weiche Gesichtshaut.
Raika nutzte diese Chance und drehte sich mit ihm auf dem Bett herum, sodass sie nun auf seinem Schoß saß und beendete den Kuss.

Etwas verunsichert sah der Prinz sie an. Würde sie jetzt die Flucht ergreifen? Oder würde sie bei ihm bleiben? Die Jüngere bemerkte die Zweifel in seinem Blick, beugte sich gerade zu ihm herunter, um ihm seine Sorge zu nehmen, da hielt sie plötzlich inne und schüttelte in Zeitlupe ihren Kopf.
Was zur Hölle tat sie da?! Sie war mit Goku zusammen! Das… Das hatte er nicht verdient! Sie liebte ihn doch! Raika musste die Situation sofort beenden, bevor sie noch mehr Unheil anrichtete!

Noch im nächsten Moment rutschte sie von Vegetas Schoß herunter und setzte sich von ihm abgewendet auf die Bettkante. Ihre Augen waren vor Abscheu vor ihrem eigenen Verhalten stark geweitet und füllten sich mit dicken Tränen.
„Was mache ich hier nur?“, murmelte sie mehr zu sich selbst und schluchzte leise. Schuldgefühle zerfraßen ihre Seele, während sie apathisch Löcher in die Luft starrte. „Chichi hatte Recht… Ich bin so eine Schlampe!“

Vegeta hatte sich unterdessen aufgerichtet, blickte ratlos auf ihren ihm zugewandten Rücken. Scheiße verdammt! So etwas musste ja passieren! Wie sollte er nur damit umgehen? Er war wirklich kein Held in solchen Situationen… Sollte er sie in den Arm nehmen? Oder war das schon zu viel? Er wusste es nicht. Sein Hirn lieferte ihm keine passende Antwort.
Er entschied er sich für das einzig Sinnvolle. Für das, was er in seiner Beziehung mit Raika viel zu selten gemacht hatte. Er entschied sich dafür, auf sein Herz zu hören und seinen Stolz einmal komplett zur Seite zu schieben.

Der Prinz der Saiyajin hockte sich hinter sie und schlang seine Arme um ihren Oberkörper, zog sie fest an sich heran und strich über ihre Schultern, während er seinen Kopf in ihren Nacken legte.
Wie machte sie das nur? Er verstand es selbst nicht, aber diese Frau brachte ihn immer wieder dazu, seine harte Schale abzulegen und sich ganz seinen Gefühlen hinzugeben. Sie löste so viel in ihm aus, was er sich nicht erklären konnte.

„Schhht!“ Vegeta wiegte sie sanft in seinen Armen hin und her. Er versuchte sie zu beruhigen und für sie da zu sein. Als Freund. Wenn er sie schon nicht für sich beanspruchen konnte, wollte er ihr wenigstens das geben, was sie gerade brauchte. Ein offenes Ohr und eine Umarmung. „Du bist keine Schlampe, Raika. Ganz im Gegenteil. Es ist doch überhaupt nichts passiert“.
„Doch!“, widersprach die Langhaarige. Eigentlich war seine Nähe gerade das letzte, was sie spüren wollte. Trotzdem ließ sie sich weinend in seine Umarmung fallen. Es tat einfach gut, dass er für sie da sein wollte. „Ich habe dich geküsst, obwohl ich mit Goku zusammen bin. Das geht nicht! Warum tue ich so etwas? Ich erwarte von ihm schließlich auch, dass er mir treu ist…“.
„Es tut mir leid…“, hauchte der Saiyajinprinz in ihre Ohrmuschel. „Ich habe es provoziert. Ich wollte dich nicht verunsichern und dich schon gar nicht zum Weinen bringen. Ich habe mir geschworen, dich nie wieder zu verletzen, selbst…selbst, wenn ich mir persönlich etwas anderes erhoffe…“.

Raika hielt abermals ihren Atem an. Fuck! Warum war er ausgerechnet jetzt so verständnisvoll und liebevoll? Sie konnte ihre Tränen nicht länger zurück halten. Wie in einem Sturzbach rannen sie nun aus ihren Augen. Sie versuchte ihr Wimmern zu unterdrücken und presste ihr Lider zusammen. Gleichzeitig klammerte sie sich an seinen Armen fest.
Sie wusste ganz genau, dass Vegeta gerade der absolut falsche Ansprechpartner war, aber seine Worte taten so gut und seine Nähe zu spüren beruhigte sie irgendwie. Es war so falsch, aber es fühlte sich so richtig an. 

Eigentlich sollte sie sich von ihm lösen und auf dem schnellsten Wege zu Radditz gehen, aber ihr Körper war wie gelähmt. Sie konnte und wollte sich nicht von ihm wegbewegen.
Ihr schmerzendes Herz erschwerte ihr das Loskommen noch mehr. Es schrie immer lauter nach dem Prinzen. Wie gern würde sie sich einfach fallen lassen, seine Nähe genießen, ihn wieder küssen und alles um sie herum vergessen. Wenn das nur alle keine Konsequenzen nach sich ziehen würde… Dann würde sie sich ihm einfach hingeben.

Warum konnte sie zwischen den Beiden keine klare Entscheidung treffen? Warum fiel es ihr immer noch so schwer?
Eigentlich dachte sie, dass sie nun endgültig an Gokus Seite bleiben würde. Bis vor wenigen Minuten war das eine feststehende Tatsache gewesen, an der absolut nichts zu rütteln gewesen war. Aber das war wohl eine absolute Fehleinschätzung gewesen. Am liebsten hätte sie gerade wieder alles über den Haufen geworfen.
Ihr Kopf begann zu schmerzen. So viele Gedanken und Gefühle tummelten sich auf einem kleinen Fleck, der sich anfühlte, als würde jemand mit einem heißen Messer immer wieder und wieder hineinstechen.

Vegeta hielt sie einfach fest, ließ ihren Emotionen den Raum, nach dem sie gerade verlangten. Ihm blieb nichts anderes übrig. Auch, wenn es ihn schmerzte, wollte er jetzt nur für sie da sein. Seine Gefühle waren zweitrangig. Er hatte gelernt sich in gewissen Situationen hinten anzustellen.
Zumindest, wenn es um seine große Liebe ging.
Zumindest, wenn es um Raika ging.

~

Nach ein paar Minuten hatte sie sich weitestgehend beruhigt. Ihr klammernder Griff lockerte sich, woraufhin er die Umarmung auflöste. „Geht's wieder?“
Sie nickte und senkte ihren Blick. „Ich danke dir, Vegeta“. Raika hoffte, dass ihr Verhalten nicht wieder alles versaut hatte. Sie wollte sich doch auf freundschaftlicher Ebene Vegeta annähern. Nicht… Nicht so…
Gedanklich war sie schon wieder auf dem Rückweg. Alles andere war viel zu gefährlich. Sie durfte nicht länger in seiner Nähe bleiben. Am Ende würde sie nur etwas tun, was sie noch mehr bereuen würde. Sie wollte Goku und Vegeta und nicht zuletzt auch sich selbst nicht noch mehr Leid zufügen.

Der Monarch machte nur eine abwinkende Handbewegung und nickte ihr aufmunternd zu. Noch während Raika in ihren dunklen Gedanken versank und überlegte, wie sie sich möglichst galant von ihm verabschieden konnte, entschied Vegeta sich dazu, sie mit einer positiven Nachricht abzulenken.
Er ließ sich vom Bett gleiten und ging herüber an seinen Schreibtisch, öffnete an diesem eine Schublade. „Ich habe in deiner Abwesenheit eine Entdeckung gemacht“.
Raika zuckte zusammen und sah ihn überrascht an. „Was denn?“, fragte sie, erleichtert, wenn auch etwas irritiert, über diesen plötzlichen Themenwechsel. Mit dem Handballen wischte sie sich die restlichen feuchten Spuren aus ihrem Gesicht.
„Moment“, vertröstete er sie und kramte weiter in der obersten Schublade seines Schreibtisches.
Nachdem der Prinz gefunden hatte, wonach er gesucht hatte – mittlerweile hatte er den gesamten Tisch mit einem Berg aus Unterlagen und Papieren vollgeladen – kam er wieder auf die Jüngere zu und setzte sich neben sie auf die Bettkante. Stumm überreichte er ihr einen Zettel.

Raika nahm das Blatt entgegen und überflog es mit immer größer werdenden Augen. „Da-Das kann doch nicht… Ist das-?“, fragte sie, unfähig einen sinnvollen Satz zu bilden.
„Deine offizielle Geburtsurkunde“. Vegeta bestätigte ihren Verdacht. „Es war echt schwierig im Archiv etwas über dich zu finden, aber die Daten sind zum Glück nicht vollständig vernichtet worden“.
Erneut schossen ihr Tränen in die Augenwinkel, doch dieses Mal vor Freude. Damit hatte sie wirklich nicht gerechnet. Sie hatte sich eigentlich schon damit abgefunden, niemals zu erfahren, wer ihre Eltern waren. Doch hier stand es, schwarz auf weiß.
„Die Namen meiner Eltern… Tennock und Vanya… Beide waren beide Elitekrieger“, hauchte sie leise und sah Vegeta daraufhin mit geöffnetem Mund an. „Ich danke dir so sehr!“
Sie wusste gar nicht, wie sie es anders ausdrücken sollte. Das war mehr, als sie jemals erwartet hatte. Ein einfaches 'Danke' erschien ihr zu wenig, dafür, was diese Information alles in ihr auslöste. Endlich kannte sie die Namen ihrer Eltern. Es war das bislang immer fehlende Puzzleteil ihrer Identität.
Ihr Blick glitt zurück zu dem Zettel. Neben den Namen ihrer Eltern waren auch kleine Bilder. Sie waren etwas verblichen, viel konnte sie nicht erkennen, nur, dass ihre Mutter ähnliche Gesichtszüge hatte, wie sie selbst. Und Vanya hatte ebenfalls bunte Augen. Welche Farbe sie genau hatten, konnte sie nicht erkennen, jedenfalls waren sie nicht schwarz. Ihr Vater hatte kurze, struppige Haare, einen ernsten, aber keinesfalls boshaften Gesichtsausdruck und eine lange Narbe, die von seiner Stirn über sein Auge bis zu seinem Mundwinkel verlief.

Raikas Herz schlug immer schneller. Die Tränen befüllten ihre Augen, ließen ihre Sicht unscharf werden. Das erste Mal in ihrem Leben konnte sie die Gesichter ihrer Eltern sehen. Es war nicht viel zu erkennen und doch löste es eine so intensive Flut an Emotionen aus. Endlich wusste sie, wo sie herkam. Was ihre Wurzeln waren. Wer ihre Blutsfamilie war…
Vegeta hatte ihr gerade das gegeben, was ihr ihr Leben lang gefehlt hatte.
Sie hatte einen tollen Freundeskreis und hatte durch Broly einen Bruder gefunden, den sie niemals missen wollte, aber das… Ihre Eltern… Das war eine ganz andere Hausnummer.

Der Kronprinz überging ihren Dank fürs Erste. Er hatte noch mehr herausgefunden und das wollte er ihr unbedingt noch mitteilen. „Nachdem ich meinen Vater getötet hatte, habe ich mich mal ein wenig schlaugemacht und mich umgehört. Im Aktenarchiv fand ich deine Unterlagen und auch, was mit deinen Eltern passiert ist“.
Raikas Augen weiteten sich abermals. Sie konnte nicht glauben, dass er sich solche Mühe gegeben hatte. Das sah ihm eigentlich gar nicht ähnlich. Aber für sie… Ja, für sie war er schon oft über seine natürlichen Grenzen hinaus gegangen oder hatte seine Prinzipien über Bord geworfen. Das war ihr bewusst. Ihr war klar, dass er Dinge dieser Art nur für sie tun würde. Für niemanden sonst…

Der Ältere fuhr fort und erklärte: „Dein Vater Tennock ist bereits zwei Monate vor deiner Geburt bei einer Mission umgekommen. Die Hintergründe dazu sind etwas unklar. Nach dem, was wir mittlerweile wissen, passt es mit der Zeit zusammen, als Freezer schon einmal versucht hat, Vegeta-Sai zu sprengen“.
„Moment! Was?“, unterbrach die Kleinere den Prinzen irritiert.
„Ach stimmt, das weißt du ja noch gar nicht… Freezer hat mir im Kampf auf Namek einiges erzählt“. Vorsichtig sah er zu ihr herüber, hoffe, dass sie seine Worte nicht zu sehr aufwühlen würden. „Neben dem, was er mir über dich und meinen Vater erzählt hat, hat er auch berichtet, dass er uns bereits vor fast 25 Jahren, etwa zu dem Zeitpunkt, als du nach Vampa geschickt worden bist, ausrotten wollte. Bardock hatte damals also Recht gehabt. Ich gehe davon aus, dass einer von Freezers Handlangern deinen Vater und sein Team bereits im Vorfeld beseitigt hat“.
„Okay…“. Raika versuchte die vielen neuen Informationen zu verarbeiten. „Aber was hat Freezer damals aufgehalten, unseren Planeten zu sprengen?“
Vegeta hob einen Mundwinkel und grinste sie herausfordernd an. „Das wirst du mir eh nicht glauben“.
„Jetzt sag schon!“, forderte sie erwartungsvoll.
„Der Gott der Zerstörung höchstpersönlich“.
„W-was? Lord Beerus? Nein! Du verarschst mich doch!“ Der Jüngeren fielen beinahe die Augen aus dem Kopf.
Das Grinsen auf Vegetas Gesicht wurde breiter und selbstverliebter. „Ich sagte doch, dass du mir das nicht glauben wirst“.
„Aber…wieso?! Das ergibt doch gar keinen Sinn! Wieso sollte er denn…?“
„Keine Ahnung. Das ist selbst mir noch schleierhaft“. Der Prinz zuckte mit seinen Schultern und überlegte weiter: „Es wird nicht leicht sein, das herauszufinden, da Lord Beerus die meiste Zeit über schläft. Aber vielleicht wird er uns früher oder später nochmal einen Besuch abstatten“.
In diesem Moment fiel der Kriegerin ein, wovon der Gott der Zerstörung bei ihrem letzten Aufeinandertreffen gesprochen hatte. „Hat Beerus nicht damals gesagt, dass er auf eine Prophezeiung wartet? Eine Prophezeiung die irgendetwas mit uns zu tun hat…? Hat er nicht gesagt, dass einer von uns ihm eines Tages ebenbürtig sein würde?“
Vegeta weitete seine Augen. Das hatte er bereits vollkommen vergessen. „Das ist es! Deswegen hat er Freezer davon abgehalten, unseren Planeten zu zerstören“.

Grübelnd ließ der Prinz seinen Blick zu den Raum schweifen. Das ergab natürlich Sinn. Aber wer sollte dieser Krieger sein? Es kamen nicht viele dafür in Frage. Entweder war es Broly, Kakarott oder er selbst. Vegeta warf einen kurzen Blick herüber zu der jungen Frau neben sich. »Oder es ist Raika… Wenn sie eines Tages ihr Potential vollends entfalten und kontrollieren kann, wird sie wahrscheinlich jeden übertreffen…«
Vegeta hatte von Bardock erfahren, dass Raika dafür verantwortlich gewesen war, dass er aus den Fängen dieses Glibbermonsters befreit worden war. Und er wusste auch, dass jeder andere Kämpfer an dieser Aufgabe gescheitert war. Raika war leider schon abgereist, als er aus dem Meditank gekommen war. Er hatte sich noch gar nicht für seine Rettung bedanken können…
Ein abwesendes Lächeln zeichnete sein Gesicht. Dafür war sie jetzt hier bei ihm und er konnte ihre Nähe genießen, ohne, dass sie dabei gestört wurden. Etwas Schöneres konnte er sich nicht vorstellen.

„Raika, ich…“. Setzte er an, den Impuls, sich zu bedanken, nicht unterdrücken könnend. „Ich hatte noch gar nicht die Gelegenheit, mich zu bedanken, für… Du hast mir das Leben gerettet“.
Verwundert blinzelte die Langhaarige ihn an. Wie kam er denn jetzt auf einmal darauf? Ihr irritierter Gesichtsausdruck weichte langsam auf und sie schenkte ihm ein ehrliches, liebevolles Lächeln. „Keine Ursache, Vegeta. Du hättest das gleiche für mich getan“.
Und wie er das hätte. Er würde für sie durch die Hölle gehen. Er würde sein Leben für sie geben, wenn es notwendig war…

Eine Weile lang schwiegen sie sich an, bis Raika wieder das Wort ergriff, um zum ursprünglichen Thema zurückzukehren: „Und… Und was ist mit meiner Mutter passiert?“
Vegeta räusperte sich kurz, wendete sein leicht errötetes Gesicht von ihr ab, um sich zu sammeln und fuhr schließlich fort: „Zeitzeugen zufolge hat mein Vater sie umgebracht. Sie hat ihn angegriffen, nachdem sie erfahren hatte, dass du nach Vampa geschickt worden warst“.
Unwillkürlich entwich der Kriegerin ein bösartiges Knurren. „Dieses verfluchte Arschloch!“
„Er wird niemandem mehr wehtun“, versprach der Ältere und blickte Raika kurz in die Augen. Er wusste schließlich, was alles vorgefallen war. Er wusste, was sein Vater der Liebe seines Lebens angetan hatte und welche Qualen sie nur wegen ihm hatte durchleiden müssen.

In diesem Moment fragte sich Vegeta, ob sein Konkurrent es ebenfalls wusste. Ob sie ihm so sehr vertraute, dass sie ihm von all den schrecklichen Dingen erzählt hatte. Von der Zeit in der Zelle, von der Vergewaltigung und dem Kind, welches in ihr herangewachsen war… Wenn ja, hatte Kakarott mit Sicherheit viel besser damit umgehen können als er selbst damals.
Warum war der Prinz damals nicht schon so reif gewesen wie heute? Warum hatte er nicht einfach für sie da sein können? Warum hatte er sie nicht in den Arm genommen und sie getröstet? Warum hatte er sie so sehr verletzt und von sich weggestoßen, nur um dann zu erkennen, wie sehr er sie liebte?
Jahrelang hatte er sich selbst dafür bestraft, dass er so dumm gewesen war. Hatte niemanden mehr an sich herangelassen und die wenige Freizeit, die ihm geblieben war, ausschließlich mit Training verbracht. Selbst die Versuche seines besten Freundes Radditz, ihn zwischendurch mal aus dem Palast herauszulocken, hatte er entschieden abgeblockt.
Und nun? Nun war es zu spät. Er hatte seine Chance verspielt. Es gab kein Zurück.
Das Einzige, was ihm jetzt noch blieb, war eine Freundschaft zu ihr aufzubauen.
Aber würde ihm das reichen? Würde er damit klarkommen? Oder würde er sich damit selbst nur immer wieder aufs Neue quälen?
»Und wenn schon…«, dachte Vegeta, nachdem er sie erneut musterte. Jede Qual, jedes Leid war es wert, nur um in ihrer Nähe zu sein.

Raika schüttelte ihre Wut ab. Vegetas Vater war seiner gerechnet Strafe zugeführt worden. Er würde nie wieder einer Seele Schaden zufügen können. Es gab keinen Grund mehr für Groll. Es war vorbei.
Die Schwarzhaarige atmete tief durch und ließ los. Stattdessen lächelte sie ihren jahrelangen Teamkameraden und Freund an. „Ich weiß gar nicht, wie ich dir für all das danken soll, Vegeta“. Kurzentschlossen griff sie nach seiner Hand und zog ihn in eine innige Umarmung.
Unwillkürlich lächelte auch der stolze Krieger, während er seine Arme um ihren Körper legte.

Vielleicht hatte all das passieren müssen, damit er aus dieser Geschichte lernen konnte. Damit er sich wirklich ändern konnte. Und vielleicht hatte er sogar irgendwann die Chance ihr wieder näher zu kommen. Und sei es nur auf freundschaftlicher Basis. Selbst das war mehr als er verdient hatte.
Zumindest müsste er sie dann nicht komplett aus seinem Leben streichen.

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Meike: Na, wenn das mal nicht ein emotionales Kapitel war. *g*
Goku: Ein bisschen ZU emotional für meinen Geschmack...
Meike: Ob sich da wieder was anbahnt...? ^^
Goku: Warum hat Raika Vegeta geküsst?! T__T Warum tut sie sowas?
Vegeta: Weil ich schöner, klüger, stärker und reifer bin als du. Oder kurz gesagt: Weil ich viel besser bin als du. In jeglicher Hinsicht. *g*
Meike: Mach dir keine Gedanken, Goku. Sie hat ja ziemlich schnell verstanden, dass das, was sie da gerade gemacht hat, nicht richtig war.
Goku: Ja schon... Aber sie ist immer noch bei ihm...
Vegeta: Und wie sie das ist....*fg*
Goku: Siehst du dieses Grinsen?! *auf Vegeta zeig* Das kann einfach nichts Gutes bedeuten!
Meike: Mhm... Ein wenig unheilvoll sieht es tatsächlich aus... Warten wir mal ab, was im nächsten Kapitel passiert.
Goku: *seufz* Ich glaube, es war keine gute Idee Raika zu Vegeta zu schicken.
Vegeta: Blitzmerker...
Meike: Was denkt ihr, liebe Leser? Werden sich Vegeta und Raika auf freundschaftlicher Ebene annähern und wieder Vertrauen zueinander finden? Oder passiert sogar mehr?
Goku: *verkriecht sich schon mal in der Ecke*
Meike: *sieht überrascht zu Goku* Ach übrigens, Goku. Die Leser sind mehrheitlich gegen dich, nur so als Info *hust*
Goku: W-was?! Wieso?! T_T
Vegeta: *grinst siegessicher* Tja, Kakarott. Selbst die Leser sind auf meiner Seite. Du hast so gut wie verloren.
Meike: Hey - Im Endeffekt entscheide immer noch ich, ja? Also liegt es in meiner Verantwortung, was mit euch passiert... :)
Goku: *sieht Meike flehend an*
Meike: *g* Warten wir mal ab, was in den nächsten Kapiteln noch so passiert. :) Ich wünsche jedenfalls noch ein schönes Restwochenende! Ich hoffe, ihr hattet viel Spaß beim heutigen Kapitel und bis zum nächsten Mal, ihr Lieben. <3

Das Zeitalter der Saiyajin [wird überarbeitet🛠️] Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt