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"Er wurde was?", frage ich mit erstickter Stimme. "Wir konnten seine Eltern nicht erreichen daher haben wir sie anrufen. Er wird eben vom Rettungsdienst ins Krankenhaus gebracht. Wahrscheinlich wird er notoperiert werden müssen." "Und w...was hat er genau?", frage ich völlig neben mir. "Auf jeden Fall ein paar gebrochene Knochen. Vielleicht auch eine Gehirnerschütterung, es ist noch nicht geklärt. Wir bitten sie schnellstens herzukommen", damit legt er auf. Ich lasse meine Hand langsam fallen. Federico und Papa sehen mich voller Angst an. "Was ist mit Leon?",fragt Fede mit zitternder Stimme. "Er...er wurde von...von einem Auto angefahren", mehr bekomme ich nicht heraus. Ohne weiterzudenken renne ich aus dem Zimmer. Wo , wo kann er nur sein?

Ich renne zur Rezeption und frage atemlos nach ihm. Ich bekomme die Antwort dass er gerade operiert wird und ich mich gedulden müsste. Was wenn ich mich nicht gedulden will?! Schreie ich innerlich. Erst Fede jetzt der Mensch den ich am meisten Liebe auf der Welt. Was habe ich getan, dass mich das Schicksal so schrecklich verfolgt? !

Im Flur vor dem OP Saal setzte ich mich. Es ist als würde ich auf Nägeln sitzen, keine Position ist bequem. Wenn Leon etwas passiert dann will ich nicht mehr weiterleben! Wozu denn auch, ohne ihn an meiner Seite gibt es keinen Sinn zu leben. Wenn ich könnte würde ich genau jetzt von irgendeiner Brücke springen. Plötzlich kommt Ludmila angerannt. "Gibt es schon etwas neues?", fragt sie mit hoher, bedrückter Stimme. Ich schüttele meinen Kopf. "Nein", damit schluchze ich los. Ich weine und die Tränen tropfen auf mein hellblaues Kleid dass sich durch die Wassertropfen dunkel färbt. Auch Camila und Francesca kommen zu uns dazu. Alle sehr geschockt und bewegt. "Du wirst sehen, alles wird gut", sagt Camila mit tröstender Stimme. Und was wenn nicht? Ich spüre das jede von uns diese Frage im Kopf hat aber sie nicht laut sagen will.

Unsere stillen Gedanken unterbrichen Schritte. Ich sehe hinauf zu einem dunkelhäutigen und riesigen Mann. Freundlich streckt er mir seine gigantische Hand entgegen. Ich begrüße ihn ebenfalls so höflich wie es geht, in meinem jetzigen Zustand. Er sieht mich an und fragt: "Bist du Leon Vargas' Freundin?", fragt er. "Nein seine Mutter", ruft Ludmila ungebremst. So viel Stress tut uns wirklich nicht gut, habe ich das Gefühl. "Entschuldigen Sie, ja ich bin seine Freundin. Kann ich erfahren was vor sich geht?", frage ich ihn hoffnungsvoll. "Du brauchst dir keine Sorgen mehr zu machen. Er hat nur eine leichte Gehirnerschütterung und einen gebrochenen Arm. Wir haben mehr vermutet weil der Stoß wirklich stark war aber die Röntgenaufnahmen haben uns vollends überzeugt." Ich fühle wie mir ein Stein, nein wohl eher ein Felsen, von meinem Herzen fällt. "Weshalb dann die OP?", fragt Camila misstrauisch. Er lächelt: "Das ist nichts besonderes, sein Arm war an einer schwierigen Stelle angebrochen, so mussten wir ihm nachhelfen." Wir fallen uns alle vor Freude in die Arme. Ich weine aber trotzdem noch weiter. Der Arzt wartet bis wir uns alle beruhigt haben und sagt dann: "Leon ist jetzt im 'Aufwachraum' wenn er dann von der Narkose aufgewacht ist, könnt ihr ihn besuchen. Das wird sicherlich noch gute 2 Stunden dauern deshalb würde ich sagen dass ihr vielleicht mal raus geht um frische Luft zu schnappen. Hinter dem Krankenhaus ist ein wunderschöner Park. Seht euch einfach mal um." Wir finden diesen Vorschlag sehr sinnvoll und gehen zu viert in den Park. Dort spazieren wir zwischen den kahlen Bäumen die kaum mehr Blätter besitzen herum. Alles ist mit einer dünnen Schneeschicht bedeckt. Es sieht aus als hätte jemand die ganze Natur mit einer Zitronenglasur bestrichen. Das erinnert mich sehr stark an das 'Zitronenkuchen backen' mit meiner Mutter. Ich erinnere mich noch daran wie sie mich immer die Schüssel "verputzten" ließ. Eigentlich habe ich nur die süß-sauere Glasur herausgeschabt und sie anschließend gegessen.

"Der Arzt war doch wirklich mega nett. Findet ihr nicht auch?", bemerkt Francesca. Alle nicken zustimmend. "Wieso seid ihr so deprimiert?", sie wendet sich vor allem an mich und Ludmi. "Ich bin überglücklich dass es Leon gut geht aber der Stress von den letzten Tagen sitzt mir tief unter der Haut", sage ich wahrheitsgemäß. Ich würde mich nämlich jetzt am liebsten unter meiner Bettdecke verstecken und die letzten Vorkommnisse alle aus meinem Gedächtnis streichen. Ludmila nickt: "Ja das war wirklich zu viel für mich. Erst Fede dann Leon...ich weiß wirklich nicht was los ist."

Plötzlich höre ich meinen Vater: "Vilu! Vilu!" Oh nein was ist denn jetzt schon wieder passiert, ist mein allerserster Gedanken zu Papas Rufen.

Wahre Liebe ❤Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt