Kapitel 1

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Der Mitbewohner

-Liebe zu dritt-

Nora
Ich bin Nora, Mitte 20 und lebe in einer WG mit zwei eher langweiligen Nerds. Der eine Andi, ist Anfang dreißig und hängt nur am PC, als Gamer verdient er sein Lebensunterhalt. Der andere heißt Nobert und ist ewiger Student, momentan studiert er Biochemie, er hat aber schon einige Abschlüsse in anderen Bereichen. Auch er verlässt so gut wie nie sein Zimmer und wenn dann nur um im Biotop nach neuen Stoffen oder Tieren zu suchen. Ich bin glaube ich die einzig Normale hier, gehe regelmäßig in die Uni und arbeite drei Mal die Woche in einer Realschule. Zuhause bin ich nur zum Lernen und Schlafen. Die WG ist also abgesehen von einem schönen Zimmer und einem nett angelegten Garten nicht der Rede wert, aber sie passt gut in mein Budget.

Nobert hat gerade an meine Zimmertüre geklopft und mir berichtet, dass er ein Pärchen grüner Gartenschlangen (Smooth green snake) von seinem Kumpel aus Texas übernimmt. Das soll mich nicht weiter stören, solange die Dinger in seinem Zimmer bleiben. Doch das tun sie nicht, sie kriechen mehrfach aus dem Terrarium und paaren sich oft. Jedes Mal legen sie an die 10 Eier und Norbert lässt es geschehen. Es vergehen Monate, bis eines Tages das ganze Haus von den Gartenschlagen übernommen wird.

Andi ist überraschenderweise derjenige, der den Schädlingsbekämpfer Service anruft. Es ist Freitagvormittag und ich schlafe ausnahmsweise mal bis um 10 Uhr. Ich habe keine Ahnung, das mittlerweile hunderte Schlangen durch unsere Wohnung kriechen, sich in den Wänden und den Ritzen im Boden verstecken. Auch als ich die Klingel höre und die Schädlingsbekämpfer ins Haus kommen, liege ich noch im Halbschlaf im Bett. Langsam taste ich nach dem Pulli, den ich am Fußende meines Bettes abgelegt habe und ziehe ihn über, dann schlage ich die Decke zurück und schreie. Eine der grünen Nattern fliegt einschließlich meiner Decke vom Bett, eine Weitere zischt mir um die Füße und ich schreie laut um Hilfe.
Meine Tür geht auf und neben Norbert steht ein Mann in einem weißen Overall, dem einem Mundschutz um den Hals baumelt. "Hilf mir, die Viecher sind überall", kreische ich. Mit einem Harken schubst der Typ im Overall, den langen grünen Wurm von meinem Bett. Auf dem ich mittlerweile stehe.

Der Mann im Overall versucht dabei nicht zu lachen. "Norbert du solltest deiner Freundin helfen", meint er und ich sage wütend: "Nein lieber nicht! Er ist mein Mitbewohner und hat uns dieses Schlangenmassel erst eingebrockt." Jetzt grinst der Typ mich an. "Na dann trag ich dich raus." Nobert nickt zustimmend, "Gute Idee, tut mir leid Nora." Ich werde wie eine Braut aus dem Haus getragen, greife an der Garderobe noch meine Tasche, Schlüssel und Jacke und freue mich, das Nobert mir wenigstens noch meine Schuhe hinterher bringt. Mein Handy hatte ich eben noch vom Nachttisch genommen und in meinen Hoodie gesteckt. "Danke" murmele ich, als der Typ im Overall mich absetzt. "Gern geschehen, holde Maid." Den Spruch hätte er sich auch sparen können.

Drei weitere Männer in Overalls tauchen auf, mit Säcken und Schlangenharken bewaffnet gehen sie ins Haus. Andi, den man nur selten bei Tageslicht und noch seltener draußen sieht, kommt mit einer Tasse in der Hand aus dem Haus. "Hier, ich habe dir einen Tee gemacht", sagt er und ich schaue verdutzt zu ihm hoch, "Danke, wie komme ich zu der Ehre." Schulterzucken seinerseits, dann erläutert Andi: "Nach dem Schrei von dir, dachte ich du brauchst den mehr als ich." Ich lache, weil ich ihn noch nie habe Tee trinken sehen. Er trinkt eigentlich nur Energiedrinks oder Cola. "Na ja ich geh dann mal wieder rein", sagt er. "Wie du gehst wieder rein? Das Haus ist voll mit den Viechern und du gehst wieder rein?" frage ich verblüfft. Er zuckt wieder mit den Achseln und dann sagt er: "Na ja ich bin mitten in einem entscheidenden Spielzug, da kann ich keine Rücksicht auf die Schlangen nehmen." Fassungslos starre ich meinem Mitbewohner hinterher.

Einer der Schädlingsbekämpfer kommt vorbei und ich halte ihn an. "Wie lange wird das denn dauern?" frage ich und er nimmt die Maske ab, lächelt und hockt sich vor mich. Es ist der Typ von eben. "Also ich denke ein bis zwei Wochen, bis wir sicher seinen können das alle weg sind. Es sei denn sie legen neue Eier." "Ne, oder? Fuck ich brauche doch mein Zeug und muss lernen." "Du kannst dein Zeug gerne holen." Sagt der attraktive Typ vor mir und schmunzelt. "Ich gehe da bestimmt nicht wieder rein", sag ich kopfschüttelnd. "Gut dann mach mir eine Liste und ich hol dir das Zeug raus, aber nur das nötigste." Er lächelt und ich ertappe mich dabei zurück zulächeln.
Eine halbe Stunde später stehen zwei Taschen vor mir, eine mit Klamotten und eine mit Lern-Zeug und meinem Laptop. Ich telefoniere gerade mit einer Freundin, die bereit ist mich für die nächsten zwei Wochen bei sich wohnen zu lassen. Danach rufe ich meine Mutter an, um unsere Verabredung für heute abzusagen, denn auf den Stress kann ich heute verzichten. Meine Mutter und ich haben kein gutes Verhältnis und jedes Treffen mit ihr ist eine Qual.

Da ich Hunger habe und mich erkenntlich zeigen will bestelle ich 5 große Pizzen. Als die geliefert werden machen alle erst Mal Pause, selbst Andi steht im Türrahmen. Ich lasse mir versichern, dass das Bad Schlangenfrei ist und husche hinein, um mir etwas anzuziehen und meine Zähne zu putzen, dann packe ich auch hier meine Sachen ein und renne wieder nach draußen.

"Hi Nora, richtig?" Ruft mir jemand hinterher, ich war gerade dabei zu gehen und drehe mich am Gartentor stehend zu ihm um. "Ja so heiße ich, womit kann ich dienen?" Er zieht die Kapuze vom Overall ab und kommt auf mich zu, er hat tolle fast schwarze Haare, durch die ich unbedingt mit den Fingern fahren möchte, tue es aber natürlich nicht. "Also", er räuspert sich, bevor seine braunen Augen an meinen Heften bleiben. Mir fällt noch sein verwegenen drei Tagebart-Look auf, Himmel ist der Typ attraktiv.

"Was machst du denn jetzt? Das hier wird noch eine Weile dauern und wir werden das Haus auch für eine Woche räumen müssen, um es mit Chemie auszuräuchern." Er fährt sich durch die Haare und ich schlucke, bevor ich antworte: "Ich werde bei einer Freundin pennen und mir eventuell eine neue Bleibe suchen. Warum?" Er nickt und sagt: "Falls du Hilfe beim eventuellen Umzug brauchst ich arbeite auch bei einer Umzugsfirma." Ich lächle und frage mich, warum er gleich zwei so verschiedene Jobs hat? "Ich bin übrigens Chris und hier ist meine Nummer" er reicht mir einen kleinen Zettel und lächelt. Geschickt gemacht Chris, denke ich mir. "Cool, danke, Chris" zögerlich nehme ich den Zettel und beginne mich umzudrehen als er noch ein "Danke für die Pizza, und melde dich", hinzufügt. Nach einem "klar", wende ich mich mit meinen Taschen endgültig zum Gehen ab. Ich gehe grinsend und kopfschüttelnd zur nächsten Haltestelle.
Einige Straßenbahnstationen später, komme ich bei meiner Freundin an, und gehe umgehend duschen, um den Kopf freizubekommen. Den Rest des Tages verbringe ich an meinem Rechner, suche nach Wohnungen und lerne. Denn für mich steht fest, das ich nicht wieder in die WG mit Norbert und Andi zurückgehe.

Nach 10 Tagen auf der Couch meiner Freundin und dem Haus noch immer von Schlangen bewohnt, finde ich eine neue Wohnung, die Teilmöbliert ist. Und da ich niemanden kenne, der mir wirklich beim Umziehen helfen würde, rufe ich die Nummer auf dem Zettel an.
"Hi, Chris, hier ist Nora, die aus der WG mit den Schlangen, ich wollte fragen, ob dein Angebot noch steht, also mit dem Umzug helfen?" Ein Piep beendet die Nachricht auf seiner Mailbox.

Die aus der WG mit den Schlangen, noch dämlicher kann man wohl kaum klingen, denk ich mir und sehe nicht auf das Display als mein Handy klingelt. "Hi Nora, du ziehst also aus? Keinen Bock mehr auf grüne Kriechtiere und komische Mitbewohner." Er lacht oder zumindest grinst er, das kann ich deutlich hören. "Das trifft es ziemlich genau."

"Wann soll es denn losgehen und außer dem kleinen Zimmer gehören dir noch andere Sachen in der WG?" fragt Chris. "Nein, das meiste war schon drin, mir gehören nur die Sachen in meinem Zimmer, plus zwei Kisten in der Küche. Was passt dir denn besser? Unter der Woche oder am Wochenende? Die Wohnung ist ab dem ersten also Sonntag frei." "Sonntag kann ich nicht, Montag ginge." "Da habe ich keine Zeit, Dienstagnachmittag?" frage ich und seine Antwort kommt umgehend: "Das geht, wenn ich einen Termin verlege." Wir machen noch die genauen Details aus und schon freu ich mich auf Dienstag, endlich raus aus der WG und rein in mein eigenes Reich.

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