Kapitel 8

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Nora

Es sind jetzt gut zwei Wochen rum, seitdem er hier wohnt. Es wird leichter, wir sind Freunde geworden, unterhalten uns, wenn wir abends nach Hause kommen, oder gemeinsam Essen. Gucken ab und an gemeinsam fernsehen. Hin und wieder ertappe ich mich dabei, dass ich ihn mal länger anstarre oder auf die unpassenden Körperteile fokussiere. Er hat Wort gehalten und sich an seinem ersten Wochenende hier in der Wohnung sein eigenes Bett aus Europaletten gebaut, er hat es im Innenhof zusammen gesägt und lackiert und mich dazu bewegt ihm zu helfen. Sein Bett ist richtig cool geworden, viel schöner als alles was es bei IKEA gibt. Wo ich mein Bett herhabe. Na gut, mein Bett kann ich tagsüber als Couch nutzen, aber selbst gebaut ist einfach cooler.

Er zimmert gerade an kleinen alten Weinkisten herum das Chaos auf dem Küchentisch ignoriere ich so gut es geht. "Kannst du mir mal helfen?" fragt er als ich in die Küche komme, um mir einen Tee zu machen. "Klar was soll ich machen?" frage ich zurück und er grinst. Oh Gott, was hat er vor. "Ich brauche dein Fingerspitzengefühl", gut das sollte ich hinbekommen, denke ich. "Mach bitte deine Augen zu." Skeptisch schließe ich die Augen und er nimmt meine Hand. "Lass die Augen zu und sag mir was sich weicher und glatter anfühlt." "Ehrlich?" Ich hoffe das er mich nicht reinlegt und mich gleich seinen Schwanz tasten lässt. Aber es fühlt sich nach Holz an und ich atme erleichtert aus. Es sind zwei ziemlich gleich glatte Oberflächen. "Die hier ist gröber" sage ich und zeige blind darauf. "Danke" singt er fast schon. "Du hast mir sehr geholfen und kannst jetzt wieder gehen." Ich mache also die Augen auf, nehme mir meinen Tee und gehe zurück an meinen Schreibtisch.

Wenig später höre ich fluchen und Krach aus seinem Zimmer, die Türe steht halb auf und da er mein Klopfen nicht hört, verweile ich einfach am Türrahmen. Er hat aus den Weinkisten Schubkästen gebaut und diese lässt er gerade im Bett ein, aber da klemmt etwas. Von meinem Blickwinkel sehe ich was schief läuft und helfe ihm netterweise aus. "Die Rolle da steht falsch und schlägt hier an." Er mustert mich skeptisch: "Das kann gar nicht sein ich habe doch alles ausgemessen", murmelt er und erst als ich es ihm zeige, glaubt er mir schließlich doch.

Beiläufig erwähnt er, dass er heute Abend noch ein Date hat. Soll mich das stören? Fragt er um Erlaubnis? Macht er deswegen sein Bett fertig, damit er es einweihen kann? Wie sie wohl aussieht? Bleibt sie zum Frühstück? So viele Fragen, die mir weder bei Norbert, noch bei Andi, je in den Sinn gekommen wären. "Viel Spaß, ich werde wohl weiter an meiner Hausarbeit schreiben, yeah", sage ich nüchtern.

Es ist halb eins, als ich Stimmen in der Wohnung höre. Chris ist zurück und er ist nicht allein. Für die nächste Stunde höre ich vom Bett nichts, dafür aber von der Frau umso mehr. Gegen drei Uhr in der Früh, höre ich wie nach einer Dusche die Haustür ins schloss fällt und nur noch eine Person leise summend zurück ins Zimmer schleicht. Genervt schlafe ich ein, nur um kurz darauf, davon zu träumen, dass ich es bin, die in Chris Bett liegt und er mir das Hirn herausvögelt. Frustriert wache ich auf, trinke einen Schluck Wasser, um den Traum runterzuspülen und lege mich erneut schlafen.

Mein Wecker klingelt viel zu früh und ich schlurfe ins Bad. Gerädert und noch nicht angezogen stehe ich in der Küche, als ein gerade vom Joggen zurückkommender, verschwitzter Chris mir einen großen Becher Chai in die Hand drückt. "Guten Morgen, dachte du brauchst den vielleicht. Die Kleine gestern war selbst mir zu laut, tut mir leid."
Der Groll, den ich noch vor einigen Minuten ihm gegenüber hatte, verfliegt, dank des köstlichen Chai in meiner Hand. "Musst du los, oder kann ich schnell duschen?" fragt er, als ich mich an den Küchentisch setzte. Ich mach eine geh ruhig Handbewegung und er verschwindet im Bad.

Ich habe mich gerade angezogen, als er mit nassen verwuschelten Haaren und nur mit einem Handtuch um die Hüften an meine nur angelehnte Tür klopft. "Alles okay zwischen uns?" fragt er und sein Anblick nimmt mir leider die Sprache und vor allem die Luft zum Atmen, also nicke ich nur. "Sicher?" fragt er und kommt einen Schritt in mein Zimmer. "Vielleicht solltest du dir etwas anziehen", stoße ich aus und er lehnt sich mit verschränkten Armen vor der Brust erneut an meinen Türrahmen. Ich starre auf seinen Bizeps, die Brustmuskeln und seinen hammerharten Waschbrettbauch. Sabbern wäre angemessen. "Und was ist, wenn ich mich nicht anziehe?" triezt er mich. "Dann sollte ich wohl lernen blind von A nach B zu kommen." "Du wirst ja wohl nicht schwach, bei dem bisschen Haut? Nora ein wenig mehr Beherrschung habe ich dir schon zugetraut."

Gut, das Spiel kann ich auch spielen und habe eine Idee, die auch umgehend aus meinem Mund sprudelt: "Wollen wir wetten? Morgen den ganzen Tag nur in Unterwäsche in der Wohnung, wer sich zuerst zurückzieht oder offensichtlich erregt ist hat verloren und muss eine Woche lang kochen." Chris ist plötzlich leise und auch sein Grinsen vergeht ihm, er überlegt. "Gut, aber was passiert, wenn wir uns beide nicht zurückhalten können?" Ich ziehe die Schultern hoch, sollte das passieren, könnte es unsere Freundschaft ruinieren.

Der nächste Tag. Es kommt nicht zu unserer Wette, nach der Arbeit geht Chris noch ein Bier trinken und ich räume die Küche auf. Um halb elf klingelt es an der Tür und ein weinendes Mädchen steht davor. Ich nehme den Hörer ab: "Hallo, kann ich dir helfen?" "Ist Chris da?" "Nein, der ist was trinken, kann ich dir weiterhelfen?" Sie schnieft und schiebt ihren Pony beiseite, sie hat ein blaues Auge und ohne zu zögern drücke ich den Buzzer und lasse sie rein. "Dritter Stock komm hoch." Ich tapse aufgeregt hin und her bis ich das Mädchen endlich auf der letzten Stufe sehe. Ich schiebe sie sacht in die Wohnung, wo sie sich umgehend auf einem Stuhl niederlässt und weiter laut weint.

"Was ist passiert? Warte ich hole dir Eis für dein Auge?" Sie schnieft weiter und neben einer Tüte TK Erbsen reiche ich ihr Taschentücher und stelle den Wasserkocher an, um einen Tee zu machen. Das Mädchen hat dunkle lange Haare und sagt nichts. "Bist du sonst noch irgendwo verletzt?" frage ich und sie schüttelt den Kopf. "Wie heißt du?" Sie antwortet nicht auf meine Frage, sondern fragt, wann Chris kommt. Ich lasse sie kurz alleine und rufe Chris von meinem Zimmer aus an. "Vermisst du mich schon?" fragt er mit guter Laune. "Nein, so ein Blödsinn. Du solltest trotzdem umgehend nach Hause kommen, hier sitzt ein weinendes Mädchen mit einem blauen Auge." "Was, dieser Drecksack! Ich bin gleich da." Knurrt er ins Handy und legt auf. Ich gehe zurück zum Mädchen und sage ihr das Chris auf dem Weg ist.

Der Mitbewohner Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt