Kapitel 6

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Nora

Ich mache mein Bett, richte mein Badezimmer ein und nach einer Schüssel Müsli lege ich mich in mein Bett und mache die Augen zu. Meine eigene Wohnung zu haben ohne Mitbewohner ist ein tolles Gefühl. Am nächsten Morgen mache ich ein wenig Yoga in meinem Wohnzimmer, laufe wenig bekleidet durch die Wohnung und gehe dann zur Uni und im Anschluss arbeiten. Immer wieder ertappe ich mich dabei, dass meine Gedanken zu Chris driften. Wie es wohl wäre, ihn bei mir wohnen zu lassen? Nach zwei Tagen schreibe ich ihm einfach um zu sehen, ob er Lust auf einen Kaffee mit mir hat. Leider sagt er ab.

Am Samstagabend gehe ich mit einigen Kommilitoninnen etwas trinken. Nach zwei Cocktails habe ich gute Laune und als wir in die nächste Bar mit Tanzfläche weiterziehen, stürme ich mit den 5 Mädels die Tanzfläche. Wir lassen uns von der Musik treiben, der Beat bestimmt unsere Bewegungen und ich habe so viel Spaß wie schon lange nicht mehr. Nach einem weiteren Lied gehen wir zur Bar, bestellen eine Runde Shots und kippen sie weg. Plötzlich tippt mir jemand auf die Schulter und als ich mich umdrehe steht da Chris. Ich drücke ihn überschwänglich, denn so langsam wirkt der Alkohol. "Wo kommst du denn her?" frage ich und er antwortet "von draußen." Ich lache, auch wenn es nicht so wahnsinnig witzig ist.

Meine Freundinnen ziehen an meinem Arm, vor mir steht ein neuer Shot und ich winke dem Barkeeper zu noch einen für Chris zu machen. Und während wir warten, stelle ich Chris die Mädels um mich herum vor. Zwei von ihnen lächeln ihn an und ziehen ihn beinahe mit den Augen aus. "Mit wem bist du hier?" frage ich und er zeigt in eine Ecke in der zwei Typen stehen. Wir kippen den Shot und da ich an der Reihe bin bestelle ich 10 Gin Tonics. Dann tragen wir alles rüber zu einer der Sitzecken und auch die Kumpels von Chris kommen dazu. Zwei der Gin Tonics bleiben übrig, denn sein Kumpel, trinkt nicht und ich habe mich verzählt, also trinke ich einen zweiten und merke das ich mein Limit gerade überschritten habe. Chris nimmt sich den anderen. Es ist ein feucht fröhlicher Abend, der gegen halb vier ein Ende findet, ich fahre mit einem Taxi nach Hause und falle ins Bett.

Als am nächsten Morgen, gut es war nach 12 Uhr als mein Handy klingelt, gehe ich verschlafen heran, ohne vorher aufs Display zu schauen. "Morgen Nora, Katerfrühstück gefällig?" fragt mich ein munter klingender Chris. "Uhh, ich will nicht aufstehen." Meine Stimme ist so kratzig, dass ich mich selbst nicht erkenne. Chris lacht, "Gut dann kommt das Frühstück zu dir, schaffst du es mir in ca. 45 Minuten die Tür aufzumachen?" "Warum bist du so scheiße nett?" stöhne ich und er lacht noch lauter. "Na ja du hast gestern Abend alle Getränke bezahlt" fängt er an und wird von meinem Ächzen unterbrochen, ich versuche aufzustehen und scheitere am Sitzen. "Du hast 45 Minuten, um deinen Arsch aus dem Bett zu kriegen, sonst ist der Kaffee kalt."  "Ich mag gar keinen Kaffee" werfe ich ein. "Gut, welches ist das Heißgetränk deiner Wahl?" "Chai", hauche ich verrucht ins Handy und versuche zu verstehen, wie ich die Kontrolle über mein Sprachzentrum zurückbekomme. "Gut dann ein Chai, bis gleich."

Ich falle zurück aufs Bett, strecke mich und beschließe erstmal nach der passenden Musik zu suchen, als diese gefunden ist, raffe ich mich auf und schlurfe ins Bad. Ich sehe aus als wäre ich überfahren worden, also klettere ich in die Dusche. Danach sortiere ich meine Haare, putze meine Zähne zweimal nur um sicher zu sein. Schminke schenk ich mir und schlurfe zurück in mein Zimmer, ziehe mir einen übergroßen Pulli und eine Leggins an, dazu noch ein paar dicke Socken. Ich mache mein Bett, öffne die Balkontür und gehe in die Küche, um dort den Speaker anzumachen, dann Decke ich den Tisch und schneide etwas Obst in eine Schüssel. Im Wohnzimmer habe ich einige Duftkerzen stehen, die ich gerade entzünde als es klingelt. Ich sehe Chris vor der Tür und lasse ihn ins Haus, trage noch den Labello auf den ich zufällig an meiner Garderobe finde und mache die Wohnungstür auf.

Seine Haare sehen verwuschelt aus, aber sein Lächeln ist unschlagbar als er die letzten Stufen hochkommt. "Ich hoffe du hast Hunger" fragt er und für einen Moment habe ich keinen Hunger auf Essen, sondern auf ihn. Wir gehen in die Wohnung und ich folge ihm in die Küche. Leider fällt mein Blick auf seinen Hintern und mein Kopf driftet ab. Er stellt eine Tüte auf den Tisch und beginnt sie auszupacken, zuerst die Heißgetränke. Ich strecke beide Hände dem heißen Becher entgegen und inhaliere. Er schmunzelt und sagt leise: "Das war einfach." "Was war einfach?" frage ich nach. "Na dich glücklich zu machen" schmunzelt er noch breiter und ich lächele ihn an.

"Was hast du noch dabei?" frage ich und versuche einen Blick in die Tüte zu erhaschen. Er hält die Tüte zu und nimmt dann verschiedene Tüten und Dosen heraus. Es duftet nach Eiern und Speck, nach etwas Süßem, das sich als Crêpe herausstellt und dann sind da noch ein Paar Brötchen und etwas Aufschnitt. "Uhhh, sieht das lecker aus" sage ich und fahre mir mit der Zunge über die Lippen. "Es schmeckt auch so." antwortet er und starrt mir auf den Mund. Hat er gerade mit mir geflirtet? "Mist", flucht er plötzlich, "ich habe den Sekt vergessen". Ich wäge kurz ab, ob mein Körper schon wieder Alkohol verträgt und beschließe die Flasche aus dem Kühlschrank zu nehmen. "Den habe ich da" sage ich und hole zwei Gläser, und danach noch Sirup, Marmelade und was ich sonst noch im Kühlschrank habe heraus.

Wir essen und unterhalten uns über dies und das und die Freunde, mit denen wir gestern Abend zusammen waren. Eine meiner Freundinnen ist 100%ig mit einem seiner Kumpels nach Hause. Nach dem Essen räumen wir gemeinsam auf und lassen uns mit einem weiteren Glas Sekt auf die Couch fallen. Es fühlt sich an, als wären wir schon lange befreundet, so einfach ist es sich mit ihm zu unterhalten. Ich mag seine Geschichten aus der Vergangenheit und seine Weltansichten, es ist schön nicht allein hier in meiner Wohnung zu sein.

"Willst du das Zimmer noch?" frage ich aus dem nichts heraus und er mustert mein Gesicht, als würde er nach einer Antwort suchen. Ich weiß nicht was er darin liest, aber er kommt urplötzlich näher. Vom anderen Ende der Couch bis kurz vor mein Gesicht näher. Er ist so nah, dass ich seinem Blick ausweiche und den Kopf zum Karmin abwende.

Ich höre seine Atemzüge dann nimmt er wieder Abstand. "Hast du keine Angst, dass ich dir zu nahekomme? Also wenn ich hier wohne?" fragt er, um die Stille zu unterbrechen. War es das, was er gerade getestet hat. Ob ich ihm widerstehen kann. Ich kann ihm widerstehen, glaub ich. "Nein habe ich nicht, du hättest ja nichts davon. Immerhin würdest du dann, ja wieder ohne Bleibe dasitzen." Intelligent gekontert, denke ich mir. Er überlegt kurz, dann fragt er: "Und es würde dich nicht stören, wenn ich andere Frauen mitbringe." "Solange du sie fair behandelst, also nicht mehrere heimlich gleichzeitig triffst, oder ähnliches. Und sie nicht gerade auf dem Esstisch oder der Couch vernaschst."

Seine braunen Augen fliegen zum Tisch und sie werden dunkler, ich nehme an, dass er an den Kuss denkt, den er mir dort entlockt hat. Verdammt jetzt denke ich auch an den Kuss, er war heiß und impulsive und so verdammt gut. Ich habe danach gebrannt, und hätte Tom nicht vor der Tür gestanden, wäre es nicht nur beim Küssen geblieben. Ich stehe auf und gehe ins Bad. Ich brauche kaltes Wasser in meinem Gesicht, denn ich habe mir gerade vorgestellt mich auf seinen Schoß zu schwingen, um ihm durch die Haare zu fahren, ihn zu küssen und mich dann von ihm auf der Couch nehmen zu lassen. Mehr kaltes Wasser, viel mehr davon.

Als ich aus dem Bad komme, steht er an die Küche angelehnt, er guckt zu mir auf und fragt, ob alles okay ist. Er weiß was ich gedacht habe, denn er hat sich dasselbe gedacht. "Ich kann dir widerstehen", flüstere ich und er schnappt mich, in dem er um meine Taille greift und mich gegen seinen Körper prallen lässt. "Sicher kannst du, nur musst du es nicht, denn es gibt keinen Grund sich zurückzuhalten." Sein Gesicht ist so nah, dass ich seinen Atem spüre, den Kaffee rieche und sehe wie seine Augen meinen Mund fokussieren. Er leckt sich über die Lippen und ich will ihn küssen. Ich will ihm durch die Haare fahren, seine nackte Haut unter meinen Fingern spüren, aber nichts dergleichen passiert, denn mein Smartphone klingelt. Verdammtes Ding, fluche ich in Gedanken und dann denke ich Gott sei Dank. Denn ich kann nicht mit Chris schlafen, wenn er doch mein neuer Mitbewohner werden soll. Meine Mutter ist am Telefon.

"Hallo Schatz, wie gehts dir? Du hast dich lange nicht gemeldet." Bla Blah bla. Ich lasse mich auf einen Stuhl sinken und höre ihr Halbherzig zu. Chris beginnt seine Sachen zusammen zu suchen und will glaub ich gehen, ich halte sein Handgelenk fest und schüttele den Kopf. Mache mein Handy kurz auf lautlos und sage:
"Bleib, es dauert nicht lange." Er nickt stumm, lässt sich auf die Couch fallen und beobachtet mich.

Der Mitbewohner Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt