Kapitel 63

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Nora

Schön das Richard noch hier ist, dann hat sie also doch noch ein Herz, denke ich mir als wir durchs Haus in Richtung Garten gehen. Ich verschränke meine Finger mit beiden, denn ich bin wahnsinnig nervös. Aurelie flüstert mir auf Französisch zu, das alles gut wird, ich hole also noch einmal Luft und schon treten wir in den Garten. Neben ca. 50 Gästen, die sich überall verteilen, und weiteren 10 die aufgereiht in einer Schlange vor meiner Mutter stehen um sie wie eine Königin zu begrüßen, sind noch mindestens genauso viele Kellner mit Tabletts unterwegs. Chris entweicht ein leiser Pfiff und ich rolle mit den Augen. "Das ist alles so unecht", murmle ich und während beide meine Hände fester drücken, gehen wir und stellen uns in der Reihe an.

Es sind noch zwei Leute vor uns als meine Mutter plötzlich laut aufschreit. "Nora, wie kommst du dazu dich in die Reihe zustellen, dein Platz ist zu meiner Rechten."

"Ist er nicht Mutter! Ich werde meine zwei Gäste garantiert nicht allein lassen, und da du mich ja jetzt gesehen hast werden wir uns unseren Tisch suchen." Die Aussage lässt sie kurz bleich werden, aber sie wäre nicht meine Mutter, wenn sie sich nicht umgehend fangen würde. Mit einem aufgesetzten Lächeln, dass sie beherrscht, wie niemand sonst und einem leichten Kopf nicken, willig sie ein und ich und meine Begleitungen gehen einfach weiter.

"Sie wollte nicht mal unsere Namen wissen?" fragt Aurelie entsetzt und ich kämpfe einen Moment lang mit den Tränen, denn es macht mich unglaublich traurig, dass diese Tatsache der Realität entspricht. "Tut mir leid" murmle ich, und schon legen beide einen Arm um meine Taille. "Das muss es nicht, denn es nicht deine Schuld" flüstert Chris und die Nähe der Beiden tut mir gut, und mit ein paar Atemzügen geht es mir besser.

Als ich hoch schaue entdecke ich ein weiteres vertrautes Gesicht, und schon kommt ein junger Mann kaum älter als ich auf uns zu. "Nico, schön dich zu sehen, ich wusste nicht, dass du immer noch für sie arbeitest." Begrüße ich ihn und er grinst verlegen. "Lange her Nora, und ja sie ist nun mal die Beste in ihrem Job." Er haucht einen Kuss auf meine Wange und es ist mir schrecklich unangenehm.

"Nico, darf ich dir meinen Freund Chris und meine Freundin Aurelie vorstellen?" sage ich stolz und er schüttelt erst Chris die Hand mit einem festen Druck und dann küsst er Aurelies Handrücken und begrüßt sie auf Französisch. Aurelie ist ganz angetan in ihrer Muttersprache zu sprechen und die beiden unterhalten sich ein paar Sätze lang.

Chris lehnt sich derweil zu mir herunter und fragt: "Ein Ex von dir?" Erwischt, denk ich mir und ziehe ihn einen Moment zur Seite, um zu antworten. "Na ja zwei gescheiterte Dates machen ihn nicht zu meinem Ex. Meiner Mutter gegenüber war es aber eine Beziehung für ein halbes Jahr." Chris schaut mich gespielt schockiert an. Gerade möchte ich antworten da stoßen die anderen Beiden wieder zu uns. Aurelie informiert mich auf Französisch, das sie bereits alles weiß und dass Nico mittlerweile nur noch Jungs datet, das weiß meine Mutter aber nicht. Ich lache mich fast kaputt. Aus verarsche und der alten Zeiten willen sage ich: "Hasi weißt du, wo wir sitzen? Ich würde meinen Füssen gerne eine Pause gönnen." Nico nickt und lächelt sein 1000 $ Lächeln: "Das weiß ich Mausi, aber es wird dir nicht gefallen, getrennt von deinen Gästen zu ihrer Rechten." Chris scheint wenig amüsiert als er sagt: "Dann sollten wir das Ändern immerhin ist sie das Geburtstagskind." Begeistert leuchten Nicos Augen auf, Intrigen gegen meine Mutter sind seine heimliche Leidenschaft. "Okay, gebt mir 10 Minuten, ihr könnt euch an der Bar bedienen, und Chris, ich steh auf Jungs, die wissen, wie wichtig es ist seine Freundin glücklich zu machen." Mit einem Fistbump ist der Deal besiegelt.

Wir trinken gerade unseren zweiten Champagner, den ersten haben wir praktisch auf ex getrunken als Nico wieder auftaucht. "So neue Sitzordnung erledigt. Nora Mausi lass dich mal drücken" sagt er und schlingt seine Arme um mich, leise spricht er in mein Ohr: "Alles Gute Liebes und check deine Emails, wird dir gefallen." Danach stellt sich Nico neben Chris und streicht ihm behutsam am Arm. Aurelie schnappt sich umgehend mein Handy und öffnet mein Postfach, dann unterdrückt sie ein Lachen und als ich über ihre Schulter gucke geht es mir ebenso. Chris kann von seiner Position aus nichts sehen und deswegen flüstert ihm Nico folgendes zu: "Sind Gutscheine, für ein sinnliches Wochenende in einem Wellnesshotel, wird euch dreien gefallen." Chris schüttelt leicht den Kopf und Nico fragt verwundert: "Wäre dir ein Partytrip nach Spanien lieber gewesen?" "Oh Gott nein, Menschen Massen, die sich an den beiden ergötzen, pöbeln und sinnlose Streitereien mit betrunkenen, nein." Antwortet Chris umgehend und schon wirken die beiden wie Freunde. Nach ein paar weiteren Minuten an der Bar drehen Nico und ich eine Runde, um den wichtigsten Menschen "Hallo" zu sagen und stocksteif zu sein. Mittlerweile sind über hundert Gäste da. Zum Dinner sitze ich wieder neben meinen beiden und verfolge gespannt wie meine Mutter reagieren wird, als wir nicht an dem Platz sitzen, den sie uns zugeteilt hat.

Der Mitbewohner Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt