Kapitel 94

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einige Monate später

Chris

Kurz nachdem Anouk eins wird, beginnen wir uns Gedanken über die Zukunft zu machen, Fragen darüber wie wir rechtlich verbunden sind, ob und wann wir mehr Kinder wollen und so weiter. Besonders mit Aurelie spreche ich viel darüber. Sie meint: "Wenn du Nora heiraten willst, ist das okay, wir sind ja immerhin durch Anouk für immer verbunden, und rechtlich ist eine Ehe zwischen mehr als zwei Personen eh nicht erlaubt."

Ihre Worte hallen noch Wochen später in mir nach, denn auch wenn sie sagt, dass sie einverstanden damit ist, bin ich es nicht. Ich möchte beide Frauen für immer an meiner Seite wissen, egal ob es hundertprozentig legal ist oder nicht. In mir wächst das Bedürfnis das Thema mit meinen Eltern zu besprechen, die haben bestimmt eine Lösung für mich.

Schneller als geplant bietet sich mir eine Gelegenheit, allein mit Anouk zu meinen Eltern zu fahren. Aurelie und Nora machen sich derweil ein schönes Wochenende mit all ihren Freundinnen.

Kaum treffe ich vor meinem Elternhaus ein, fühle ich mich schon um einiges besser. Anouk stürmt auf meine Eltern zu, als hätte sie die beiden ewig nicht gesehen, dabei waren es nur zwei Wochen. Lina stürmt dafür auf mich zu. "Du sahst auch schon mal besser aus, großer Bruder!" sagt sie besorgt und ich gebe ihr ein halbherziges Grinsen. "Und du warst auch schon mal netter!" stichle ich zurück und verwuschle ihre Haare, etwas das sie total hasst. "Wusste gleich das du was auf dem Herzen hast", fügt sie hinzu, harkt sich bei mir ein und gemeinsam gehen wir ins Haus. Kurz darauf schnappt sich Lina Anouk und geht mit ihr zum Spielplatz und ich setze mich mit meinen Eltern zusammen.

Meine Mutter ist ganz aus dem Häuschen als sie hört was in meinem Kopf vorgeht. "Du willst heiraten? Toll! Toll! Toll!" ruft sie begeistert und mein Vater holt erst mal den Schnaps aus seinem Geheimversteck, das in dieser Familie jeder kennt. "Darauf trinken wir, unser Sohnemann ist erwachsen, hat zwei Freundinnen, eine Tochter und Pläne für die Zukunft. Schön, oder? Rena, hättest du das gedacht, nachdem er so viele Weibe hatte?" Meine Mimik geht von Freude über die positive Reaktion meiner Eltern, bis hin zu in eine Zitrone gebissen, als sie mir klar machen, dass sie von meinen Frauengeschichten vor Nora wussten. "Siehst du sein Gesicht, er dachte wir wissen nicht was er so treibt." Antwortet meine Mutter und beide fallen fast vom Stuhl vor Lachen. Wir trinken zwei, drei Schnäpse bevor sich alle wieder einkriegen.

"Also zurück zum Thema, legal darf ich nur eine heiraten, was soll ich also tun." Mit dem Satz werden die beiden schlagartig ernst und beginnen zu grübeln. Dann holt meine Mutter ihr Tablet raus und ich bin überrascht, wie gut sie damit umgehen kann, sie ist wohl doch nicht so unbeholfen mit Technik wie ich immer dachte. "Chrissi", so darf auf der ganzen Welt nur sie mich nennen, auch wenn ich es nicht mag, "Ich Google jetzt mal, wie es in anderen Ländern mit der Heirat zwischen mehreren Personen aussieht." Flötet sie und ich bin schockiert, dass ich da nicht selbst draufgekommen bin.

"Also Hase Europa sieht schlecht aus", beginnt sie 5 Minuten später, "die asiatischen Länder sind da offener: Bali, Thailand und weitere sowie einige afrikanische Länder bieten deinem Problem eine Lösung. Schweden hat nichts gegen polygame Ehen, solange sie nicht im eigenen Land abgeschlossen werden. Also vielleicht machen wir einfach eine kleine inoffizielle Zeremonie für euch drei, und warten, das sich etwas in der Politik ändert?" Es ist nicht die Lösung, auf die ich gehofft habe, aber es ist eine mit der ich arbeiten kann. Wir schmieden also weitere Pläne, überlegen wer alles eingeladen wird und so weiter.

Nach einem Jahr Planung, stehe ich nun aufgeregt in meinem Anzug vor dem Spiegel und spreche mir Mut zu. Komisch irgendwie, immerhin liebe ich beide und bin mir meiner Sache todsicher. Carlo, Ben und Nino sind auch da, trinken sich noch einen und machen sich über mich lustig. Wie es wohl den Mädels geht? Frage ich mich, ohne eine Antwort zu erwarten.

"Denen geht es gut", antwortet mein Vater, der gerade zur Tür reinkommt, "und die beiden sehen fantastisch aus, wenn ich nur 20 Jahre jünger wäre", sagt er und ich bete, dass er den Satz nicht beendet. "Schon gut, schon gut, seid ihr bereit?" fragt er stattdessen. "Ja" rufen Carlo und Nino, Ben hingegen kommt auf mich zu, legt mir einen Arm um die Schultern und sagt: "Hi kleiner Bruder, du hast es dir in den Kopf gesetzt beide für immer an dich zu binden und ich habe keinen Zweifel an deiner Entscheidung, im Gegenteil, wenn es jemand meistert, dann ihr drei. Also komm, denn jünger werden wir nicht mehr."

Und so gehe ich in den Garten meiner Eltern, der festlich geschmückt ist, begrüße Aurelies Mutter und Cliff, Richard und eine Reihe unserer Freunde. Als ich Linas Stimme höre die "happy day" singt werde ich noch aufgeregter. Dann sehe ich meine kleine Anouk, die wie eine Zuckerpuppe aussieht in ihrem rosafarbenem Tüllkleid. Ihre großen blauen Augen gucken angestrengt auf den Weg vor sich und ihre langen fast schwarzen Locken wippen bei jedem Schritt mit. Als sie mich sieht winkt und grinst sie so breit, dass mein Herz einen Moment stehen bleibt, dann konzentriert sie sich wieder auf die Blumen, die sie hier und da fallen lässt.

Hinter ihr kommt meine Mutter, die sich Online zum Zeremonienmeister hat ausbilden lassen, und neben ihr, ich glaube es kaum, läuft Noras Mutter her, ganz die Anwältin in einem schicken Kostüm. Meine Schwester reicht das Mikro an meine Mutter weiter, nach einem Räuspern begrüßt sie alle Anwesenden und reicht das Mikro erneut weiter, an Noras Mutter. "Hallo", sagt sie etwas zu laut, fährt aber dann vorsichtiger fort: "Ich bin hier als Notarin, ich habe mir die Freiheit genommen, ein Dokument zu verfassen, das diesen Tag offiziell würdigt. Aber nun bitte ich meine Tochter und Aurelie zu uns zu kommen."

Ich bin sprachlos, und starre die mir höchst unsympathische Frau einen Moment lang an. Wieso ist sie hier? Wer hat sie eingeladen? Woher weiß sie? Meine Mutter zwinkert mir zu und mir geht ein Licht auf. Wenn es jemanden auf der Welt gibt, der diese Frau ins Boot holen kann, dann meine Mutter.

Einige Sekunden vergehen, bis erneut Musik ertönt und dann kommen meine zwei wunderschönen Bräute, die kleine Passage zwischen den Stühlen entlang. Zu meiner Überraschung tragen sie ein fast identisches Kleid, das in creme Farben gehalten ist, einziger Unterschied sind die Träger Aurelies ist ein Neckholder mit Herzausschnitt und Noras hat dünne Träger und einen Wasserfallausschnitt. Beide Kleider schmeicheln ihren Figuren und enden im Meerjungfrauenstiel. Mein Vater weint bereits in der ersten Reihe und ich, naja ich halte noch durch, bis wir uns einander versprechen, dann überkommen mich die Freudentränen.

Mein Neffe Linus steht plötzlich neben mir, reicht mir ein Taschentuch und sagt: "Du schaffst das schon!" das bringt alle zum Lachen. Es ist ein gelungener Tag, die eigentliche Zeremonie ist nach 15 Minuten vorbei, aber die Feier danach geht bis spät in die Nacht.
Noras Mutter verschwindet allerdings sehr schnell, schade, ich hatte nicht einmal die Chance ihr zu Danken.

Der Mitbewohner Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt