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Lachend werfe ich den Kopf nach hinten und sprinte den Rest der Strecke zum Stamm der alten Eiche.
Jace versucht einen kläglichen Laufschritt und schlurft mehr über die Wiese. Sein Atem geht schwer, aber dennoch strahlt er mich an, sein Grübchen neben seinen weichen Lippen und das Funkeln in seinen Augen sind die einzigen Gründe dafür, dass mein Lachen nicht erstirbt.

Ich verfolge jede seiner Bewegungen mit wachsamen Augen und kann mich nicht von Jace abwenden. Auch nicht, als ein kleiner Hund an mir in der Geschwindigkeit eines abgeschossenen Pfeils vorbeiflitzt.
Die grünen Augen meines Begleiters folgen dem Tier und ein rasselndes Lachen entweicht ihm.

"Irgendwie habe ich das Gefühl, dass mir heute alle beweisen wollen, schneller als ich zu sein."
Ich sollte nicht lachen, aber ich tue es trotzdem.
Mein Herz ist so voll. Ich kann es nicht anders beschreiben.
Für den Moment habe ich wieder alles vergessen und ich versuche wirklich nur Jace zu sehen. Nur Jace.

"Es ist schön, dass du jetzt richtig lachen kannst", sagt er, als er sich neben mich stellt und gegen das warme Holz lehnt.
Er hat mir bereits heute Morgen gesagt, dass wir uns nicht lange im Park aufhalten können. Seine Knochen schmerzen.

Ich war dagegen überhaupt loszugehen, aber er hat darauf bestanden. Und bis jetzt hatten wir einfach nur Spaß.
Wir haben Donuts gekauft und Jace verteilte das pinke Topping von seinem Gebäck in meinem Gesicht.
Wir sind durch die Straßen geschlendert und ich habe ihm eine Vinyl von Blink-182 gekauft, die er in einem Schaufenster erspäht hatte.
Wir sind durch den Park spaziert und haben beide entschieden, noch einen Abstecher zu unserem Lieblingsort zu machen.

"Wie meinst du das?", frage ich, etwas irritiert über seine Worte.
Er legt den Kopf zur Seite und seine Augen huschen über meine Augenpartie.
"Damals am Bahnhof ... Dein Lächeln hat nur selten deine Augen erreicht."
Seine Finger streichen eine blonde Strähne hinter mein Ohr. Danach verweilen sie noch eine Weile an meinem Hals.
"Aber jetzt ist das nicht mehr so", lächelt er.

"Ist das so?"
Wir teilen einen Blick, in dem so viele Emotionen liegen, dass es mir beinahe Tränen in die Augen treibt.
Ich weiß wirklich nicht, was dieser Mann mit mir anstellt.

Sobald ich seine Berührung vermisse, strecke ich meine Hände nach ihm aus, finde den weichen Stoff seines T-Shirts. Ich weiß, dass es nach ihm riecht.
"Erzähl mir was. Irgendwas", sage ich dann, verschränke unsere Finger miteinander.
"Was denn?", lacht er.

"Ich weiß nicht. Irgendwas."
Jace schaut nach oben, hoch zu den weit ausladenden Ästen.
Die Sonne zaubert Mosaike aus Schatten und Licht auf seine Haut. Er schließt die Augen, ein Fächer aus Wimpern legt sich über seine Wangen.

"Als ich klein war, wollte ich Bergsteiger werden."
"Was?"
"Ja."
Er öffnet die Augen.
"Ziemlich ironisch, jetzt, wo ich kaum noch die Treppen zur Wohnung hochsteigen kann, ohne außer Atem zu kommen."

Es trifft mich, dass er das sagt.
"Hast du schon mal über einen Termin bei einem Spezialisten nachgedacht? Ich habe da einen Arzt in Madison gefunden. Er soll wirklich gut sein und wir könnten bestimmt noch diesen Monat einen Termin bekommen."

"Du wolltest über irgendwas reden. Das ist nicht irgendwas, O. Das ist das, worüber du reden willst, weil du denkst, dadurch würde sich etwas ändern."
Ich schlucke.
"Ich will dir doch nur helfen", sage ich leise.
"Bergsteiger", ist alles, was über seine Lippen kommt. "Was wolltest du werden, als du klein warst?"

Ich fahre die ausgeprägten Rillen in der Rinde nach. Ein unendliches Labyrinth, das höchstwahrscheinlich kein Ausgang, kein Ziel hat.
Vielleicht so wie Jace und ich. Wir haben kein deutbares Ziel und auch keinen Ausgang, der uns aus dieser Situation bringen kann.

Ich lasse meinen Blick schweifen, bevor ich in seine Tiefsee eintauche.
"Du wirst jetzt bestimmt lachen, aber ... ich wollte Autos verkaufen."
Ich bringe den Satz kaum fertig, so muss ich über die Naivität meiner selbst lachen.
"Ich möchte dich nicht kränken, aber wie kommt man als Kind auf so eine Idee?"

Ich schüttle den Kopf und wische eine Träne aus meinem Augenwinkel.
"Frag mich nicht. Ich wollte wie mein Dad etwas verkaufen und ihn stolz machen. Und ich habe den Geruch von Gummi und Benzin schon immer geliebt."
Ungläubig sieht Jace mich an und grinst.

"Das ist schön", sage ich, nachdem wir uns einfach nur angesehen haben.
"Was genau?"
"Über belanglose Dinge zu reden, als wären wir normal."
Er stupst meine Nase an.
"Irgendwas. Das ist immer das beste Gesprächsthema, merk dir das", neckt er mich.

"Werde ich", kichere ich und stoße mich von der Eiche ab. "Wollen wir zurückgehen?"
Jace nickt und sein Haar fällt vor seine Augen.
Ich kann ihn gar nicht lange genug ansehen.
"Ich habe sogar imaginäre Formulare für Kunden ausgefüllt, weißt du", erzähle ich weiter, als wir über das grüne Gras schlendern. Es ist höher, als beim letzten Mal.

Wäre in der Nacht Regen gefallen, würden die Grashalme dünne Striche in unseren Hosenbeinen hinterlassen.
"Und ich habe so getan, als ob der Erdwall in unserem Garten ein hoher Fels ist, von dem aus ich in ein Tal blicken konnte", lacht Jace und lässt meine Hand los, als ich beginne, den kleinen Hügel, der vor uns erscheint, hinaufzurennen.

Ich drehe mich zu ihm um und beobachte ihn dabei, wie er langsam auf mich zu kommt, mit diesem Lächeln im Gesicht.
Ich laufe nicht vor, um schneller als er zu sein. Ich tue es, damit ich ihm dabei zu sehen kann, wie er auf mich zu kommt. Wenn wir nebeneinander laufen, kann ich nie sein ganzes Gesicht einsehen.

Meine Mundwinkel senken sich an diesem Nachmittag nicht ein einziges Mal ab.
Es ist, als hätte Jace mich betäubt, meine Sinne neu eingestellt.
Wir reden über unsere Kindheit und unsere erste große Liebe.
Für Jace war es Natalie. Ein Mädchen mit blonden Haaren und einer Zahnspange, die den ganzen Tag ihre Nase in einem Buch hatte.

"So unähnlich seid ihr euch gar nicht", meint er nachdenklich und sieht mich von der Seite an. "Du hast deine Nase immer hinter einer Kamera und wenn es die deines Handys ist."
Ich schubse ihn leicht gegen die Schulter und senke verlegen den Kopf.
"Ich fange eben gerne den Moment ein", sage ich.
"Und sie wollte ihm entkommen."

Ich suche seinen Blick.
"Vielleicht will ich das ja auch. Oder viel mehr ... ich versuche den Moment aus einem anderen, einem schöneren Blickwinkel zu sehen."
Ich bleibe stehen. Es ist nicht mehr weit bis zur Wohnung von Tante Jennifer und durch das kleine Fenster in der Hauswand neben uns kann man in das Innere eines Gastraumes sehen.

"Weil dir nicht gefällt, was du siehst?", fragt Jace und kommt zu mir zurück, die Hände in den Hosentaschen. Ich betrachte seine Locken und lächle traurig.
"Oder vielleicht weil ich es nicht verstehe."

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Song: Ivy - Taylor Swift (just imagine me SCREAMING this song! It's my favourite to sing at the moment, especially the bridge! Tay is just the queen of bridges, goddamn)

AND YEAH IT'S A FIRE ....
seufz. so good.

okay, hi :3
how r u?

Ein bisschen cute Jacelia moments müssen auch sein :) I'm sorry but I'm in love with the last few sentences ... Das ist wieder so schön rund hihi

Das war jetzt erstmal das letzte Kapi vor meinem Urlaub, wupp. Ich hoffe so sehr, dass das Wetter besser wird als angesagt, meh. Well, I see u on the other side.

Lisa ist raus & winkt euch zu, von jetzt an werden die A/N erst mal von past-Lisa geschrieben sein ;P

Bis Dienstag höhöö :)

All my Love,
Lisa xoxo

almost Hate [ᴬ ᴸᵒᵛᵉˢᵗᵒʳʸ]✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt