143.

493 43 58
                                    

"Ich hoffe, Sie denken nicht, dass ich Ihre Tochter ausnutze", sagt Jace, wobei mich sein Ton mehr an ein Knurren erinnert.
"Was ich denke, tut gerade nichts zur Sache", kontert mein Vater und dreht energisch an seinem Ehering.

Mein Hals ist wie zugeschnürt. Es fühlt sich komisch an, als würde ich gleich los weinen müssen.
Die glänzende Weste über seinem steif gebügelten Hemd hält das Licht der Kerzen gefangen, die zwischen uns brennen.
In diesem Moment würde ich gar nicht schlimm finden, wenn sie wirklich in Flammen aufgehen würde.

Jace schweigt und so tun es auch meine Mutter und ich.
Gerade will ich vorschlagen, zu gehen, da drapiert Mirella die ersten dampfenden Teller, gefüllt mit Reis und Hähnchen.
Der starke Curry Geruch geht von der Soße aus, die goldgelb über den Reis und das Fleisch verteilt ist.

Auch wenn mir übel ist, läuft mir das Wasser im Mund zusammen.
Ich habe nicht nur Mirella, sondern auch ihre Kochkünste vermisst. In der kleinen Küche von Tante Jennifer ist noch nie ein solches Essen gezaubert worden.
"Guten Appetit", wünscht sie uns und zieht sich leise zurück.
Wir wünschen uns gegenseitig keinen 'Guten Appetit'. Es beunruhig mich, dass Jace nicht reagiert, als ich seinen Blick suche.

"Schmeckt wirklich gut", sage ich nach einer Weile, einfach um irgendetwas zu sagen.
Meine Mutter verzieht ihren Mund zu einem Lächeln und nickt.
Ich registriere eine Bewegung neben mir. Jace hebt seine Serviette zum Mund. Sofort liegen die kritischen Blicke der Gastgeber auf ihm, sie warten wie die Aasgeier darauf, dass er einen Fehler macht.

Ich greife nach dem weißen Stoff auf meinem Schoß, stoße dabei möglichst unauffällig gegen seinen Arm, um seine Aufmerksamkeit zu gewinnen.
Ich mache es ihm vor, hebe die Stoffserviette an meine Lippen und tupfe mir lediglich die Mundwinkel.

Der fruchtige Geschmack von Ananas fügt sich harmonisch mit den Curry-Noten auf meiner Zunge zusammen. Aber ich warte, bis Jace die Serviette sinken lässt, bevor ich die nächste Gabel zu meinem Mund führe.
Ich esse den gesamten Teller leer. Wahrscheinlich, weil ich eine Art Frust- und Stressessen betreibe.
Meine Mutter hat Jace in ein Gespräch verwickelt, dem Dad ab und an spitze, abwertende Kommentar beisteuert.

Wenn er gegen etwas redet, erhebe ich meine Stimme und stimme Jace oder meiner Mutter zu, egal, was sie gesagt haben.
Jace scheint sich immer wohler zu fühlen, jedenfalls wird er lockerer und sitzt nicht mehr so kerzengerade auf dem Stuhl wie zu Beginn.

"Ich glaube, den Nachtisch können wir beide servieren, oder?", fragt Mom in einem stillen Moment.
Ihre hellbraunen Augen wandern dabei einmal über mein Gesicht.
"Ja, warum nicht", sage ich, auch wenn mir wirklich nicht danach ist, mit ihr allein zu sein.
Wir erheben uns gleichzeitig.

Grüne Augen blinzeln mir zu, bevor ich nach meiner Mutter aus dem Raum verschwinde.
Ich kann kaum mit ihren langen Schritten mithalten, die unerträglich laut von den hohen Wänden widerhallen. Bens Musik ist schon vor geraumer Zeit verstummt.
Sie biegt in die Küche, die unsere Haushälterin daraufhin eilig verlässt, als sie bemerkt, dass hier ein Gespräch unter vier Augen stattfinden soll.

Meine Mutter stützt sich gegen die Arbeitsfläche, lässt das Kinn auf die Brust fallen. So steht sie für einige Sekunden dar und umklammert die Steinplatte mit ihren Fingern, dann dreht sie sich zu mir.
In ihren Augen ein verzweifelter Ausdruck.
Ich nähre mich langsam und wappne mich gegen den großen unbekannten Angriff.

"Ich freue mich wirklich, dass du gekommen bist."
Das Aber, das diesem Satz angehaftet ist, ist so laut, dass es nicht ausgesprochen werden muss.
Ich verschränke die Arme und sehe sie unbeeindruckt an.
Sie seufzt und wischt unsichtbare Krümel ins Waschbecken.

"Du solltest dich mit jemand anderem abgeben. Das rate ich dir als Mutter, die nur dein Bestes will. Ich weiß, mein Wort zählt schon lange nichts mehr für dich, aber er ist einfach kein Umgang für dich", sagt sie atemlos.
Ihre kurzen Haare wippen auf und ab.

"Dein Wort zählt für mich wirklich nicht mehr", antworte ich knapp.
Eigentlich will ich viel mehr hinzufügen.
Er ist der beste Umgang für mich, den ich je in meinem Leben hatte.
Er tut mir gut. Er liebt mich und ich liebe ihn.
Du kennst ihn und sein großes Herz nicht.

Aber all das wären zu viele Informationen gewesen, die sie nicht verdient hat.
"Wo ist der Nachtisch?", frage ich und starre ihr ausdruckslos entgegen.
Ihr gepudertes Gesicht wird bleich.
"Im Kühlschrank", ringt sie hervor.

Ich schiebe mich an ihr vorbei und ziehe eine hausgemachte Tiramisu aus dem oberen Fach. Das Klicken der zufallenden Kühlschranktür ist alles, was die Totenstille kurzzeitig unterbricht.
Eine kalte Hand schlingt sich um meinen Oberarm. Sie hat keinen Vergleich mehr mit der Hand, die ich früher kannte.
"Du verschwendest deine Zeit mit ihm. Er mag nett sein, du willst rebellieren, das verstehe ich."

"Gar nichts verstehst du", zische ich und schüttele sie ab.
"Bitte, tob dich aus", fährt sie unbeirrt fort, "aber verbaue dir seinetwegen nicht deine ganze Zukunft. Und vor allen Dingen lass dich nicht so blind und naiv von ihm ausnutzen. Kannst du nicht sehen, dass er in dir ein Portemonnaie auf zwei Beinen sieht?!"

Da ist das pure Verzweifeln in ihrem Gesicht und es schlägt eine Schlacht mit ihrem Gewissen.
Ich könnte versuchen ihr zu erklären, was mit Jace los ist, warum ich tue, was ich tue. Ich könnte versuchen, sie einzuweihen.
Aber ich weiß, dass sie es nie verstehen, mir nicht glauben würde.

Wir schauen uns tief in die Augen, bleiben dabei ganz ruhig. Etwas, das wir schon lange nicht mehr getan haben. Die surrende Stille des Hauses drückt auf meine Schultern herab. Das kalte Glas vereist meine Handflächen und lässt eine angenehme Taubheit meine Unterarme hochwandern, dieselbe Taubheit, die meine Mutter in sich fühlen muss und die der Alkohol nicht auftauen konnte.

"Nimmst du die Teller?", unterbreche ich die Verbindung zwischen uns und nicke zu den kleinen Tellern, die Mirella bereits vorbereitet hat.
Wie ferngesteuert gereift meine Mutter nach dem Porzellan und folgt mir nach draußen in die Eingangshalle.
Ihre Schritte dieses Mal nur halb so laut und energisch.

__________________________________
Song: Scarlett - Holly Humberstone

Hello beautiful people <3

Ich habe mich extra beeilt, um euch den Teil 2 so früh wie möglich präsentieren zu können hehe ;)

Die Sonne scheint und es sind gerade mal 6° :/
Heute Nachmittag steht noch ein wenig Gartenarbeit an & school stuff... Vielleicht kriege ich es ja hin ein bisschen zu lesen, drückt mir die Daumen xD

Dekoriert ihr eure Wohnung/euer Haus herbstlich?
Wir machen das immer, nur dieses Jahr ist alles später als sonst xD Ich brauche 30 Stunden Tage! xD

All my Love,
Lisa xoxo

almost Hate [ᴬ ᴸᵒᵛᵉˢᵗᵒʳʸ]✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt