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Ich wünschte, ich könnte die Stille in meinem Auto mit einem motivierenden Selbstgespräch füllen, aber mir fehlen die Worte.
Anscheinend habe ich in den letzten zehn Minuten die Fähigkeit des Sprechens verloren. Meine Kehle ist staubtrocken und zugeschnürt.

Ich umfasse meinen Hals mit eiskalten Finger und hebe den Blick Richtung nachmittäglichem Himmel.
Bin ich mir wirklich sicher, dass ich da jetzt reingehen will?
Von meinem Parkplatz aus kann ich das Gebäude, in dem sich Tante Jennifers Wohnung befindet, sehen. Und in dieser Wohnung befindet sich hoffentlich noch der Junge mit den tiefgrünen Augen und den braunen Haaren, die im Sonnenlicht die Farbe von Mahagoni annehmen.

"Okay."
Ich bin selbst überrascht, als meine Stimme nach einem zitternden Ausatmen erklingt.
"Okay", wiederhole ich, um zu testen, dass ich mich wieder auf sie verlassen kann. Es wäre unglaublich peinlich, gleich vor der Wohnungstür zustehen und kein Wort herauszubringen.

Ich öffne meine Wagentür und stehe plötzlich schon vor meinem Kofferraum, ohne bewusst bemerkt zu haben, dass ich auch nur einen Schritt gemacht habe.
Ben hat mir geholfen, meine Taschen einzuladen.
Natürlich hat er Dads aufgebrachte Stimme gehört und ist aus purer Schadenfreude lauschen gekommen.

Allerdings nur um festzustellen, dass seine kleine Schwester sich rar gemacht hat.
Ich glaube, seinen Blick werde ich meinen Lebtag nicht vergessen. Da war ein Ausdruck von Stolz in seinen Augen, den ich noch nie zuvor gesehen habe.
"Dass ich das noch erleben darf", hat er gemurmelt, als er mir die letzte Tasche anreichte. "Du haust wirklich ab ... Ich bin stolz auf dich."

Die Umarmung, die wir danach miteinander geteilt haben, war warm, vertraut und herzlich.
Das haben wir schon seit Jahren nicht mehr gemacht. Nicht so, nicht mit so viel ... Bedeutung dahinter.
Zum ersten Mal seit Ewigkeiten sind keine Ironie und kein Sarkasmus in seiner mürrischen Stimme mitgeschwungen.

Mit dieser Erinnerung kommt sogleich das schlechte Gewissen, Ben zurückgelassen zu haben. Diese kleine Geste der Freundschaft lässt mich bereits wieder alles hinterfragen und überanalysieren.
War dieser "Bruch" wirklich eine gute Idee?
Wird Ben ohne mich auskommen? Wird wieder etwas passieren?
Hätte ich Mom und Dad lieber erzählen sollen, dass ich ihn im Club gesehen habe, bevor ich gegangen bin?

Ich kann sie immer noch anrufen. Aber wie würde das aussehen?
Die kleine Ophelia kann nicht mal zwanzig Minuten von Zuhause weg sein, ohne einen Kontrollanruf zu tätigen. Nein danke.
Ich hieve meinen Rollkoffer auf die Straße und ziehe die Reisetaschen hinterher.

In blinder Wut habe ich nach allem gegriffen, was mir in meinem Zimmer in die Finger gekommen ist. Mir ist klar, dass ich früher oder später ins Haus zurückkehren muss, aber das werde ich ganz bestimmt dann machen, wenn Dad auf der Arbeit ist.
"Okay", teste ich meine Stimme und werde nicht enttäuscht.

Sie klingt zwar nicht gerade überzeugt und alles andere als selbstsicher, aber für die nötige Kommunikation sollte es reichen.
Ich atme noch einmal tief durch und arrangiere dann mein Hab und Gut auf meinen Schultern und in meinen Händen.

Jeder Schritt Richtung kleinem Wohnhaus wirkt schwerer.
Ich ziehe Blick von Passanten auf mich, welche ich nicht dem Koffer und den Taschen zuschreibe, sondern meinem gequälten Blick.
Ich mache wahrscheinlich gerade den Eindruck, als würde ich zu meiner eigenen Hinrichtung schreiten.

Ich mag es einfach nicht, mich emotional bloßzustellen. Und genau das bin ich im Begriff zu tun.
Wenn ich Jace und sein Vertrauen in irgendeiner Weise zurückgewinnen will - falls er überhaupt noch da ist -, muss ich mich erklären. Und wirklich erklären, kann man sein Handeln meist nur, wenn man sich emotional angreifbar macht.

"Du kannst das, Ophelia."
Am liebsten würde ich antworten: Nein. Nein ich kann das hier überhaupt nicht!
Aber ich will nicht wie eine Irre vor dem Haus stehen und Selbstgespräche führen, also trage ich meinen Koffer die drei Treppenstufen hoch und schließe die Tür auf.

Hätte mir jemand eine ähnliche Situation geschildert, als ich auf dem zugigen Bahnhof gestand und mir fast die Zehen abgefroren habe, hätte ich lauthals gelacht und geleugnet, dass mir ein solches Szenario je widerfahren wird.
Aber hier bin ich und der Bahnhof mit seinem schneidenden Frühlingswind scheint Lichtjahre entfernt.
Beinahe so, als wäre ich Jace nie begegnet, als würden wir uns einfach schon immer kennen.

Ich schleiche die wunderschöne Treppe im Inneren des Gebäudes ganze zweimal hoch und runter, um meine Sachen vor Jaces Tür zu deponieren.
Bei jedem lauteren Geräusch, das ich verursache, befürchte ich ungewollte Aufmerksamkeit.
Nachdem alles im schmalen Gang steht, überlege ich, es wieder wegzuschaffen. Auf mich macht es den Eindruck, als würde ich ihn vor vollendete Tatsachen stellen wollen.
Wobei ... ich habe nicht gerade viele Ausweichmöglichkeiten, wenn er mich abweist.

Ich weiß, dass er mich nicht abweisen wird. Aber die Möglichkeit besteht, dass er geht.
Und ich ihn dann vielleicht nie wiedersehen werde.
Ich positioniere mich vor der Holztür und hebe die rechte Hand. Doch sie berührt nie das warme Braun. Sie schwebt nutzlos wenige Zentimeter davor in der Luft.

Wer hätte gedacht, dass es so schwer sein kann, an eine Tür zu klopfen.
Ich halte die Luft an, versuche es erneut, einmal, zweimal, fünfmal. Jedes Mal bremst eine unsichtbare Kraft meine Hand aus und lässt sie in der Luft erstarren.
Ich schüttele meine Finger aus und atme ein letztes Mal durch, klopfe an.

Die verstreichenden Sekunden dehnen sich zu Stunden aus und ich bin mir nicht sicher, ob man mein Anklopfen drinnen überhaupt gehört hat.
Bilder von einem am Boden liegenden Jace verdränge ich entschlossen. Mein rasendes Herz ist mir dabei dieses Mal sogar behilflich.

Ein Klappern und Kratzen erklingt hinter der Tür. Kurz darauf öffnet mir ein ziemlich verschlafener Jace in weiten Hosen und T-Shirt die Tür.
Sein Blick fällt erst auf mich, dann auf mein Gepäck.
"Ich habe gehört, verschiedene Welten harmonieren nicht miteinander. Da habe ich mir gedacht, ich werde ein Teil deiner", sage ich lächelnd und zucke verlegen mit den Schultern.

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Song: Trees - Twenty One Pilots (ich weiß. perfekt. ich dachte mir so, welchen song nehmen wir heute? hmmm, i'm feeling trees ... and what can i say, ich hätte nicht gedacht, dass es so perfekt passt. it was meant to be.)

Well HELLOOO

Hab ihr meinen Kreis bemerkt? Ophelia hat gerade Jaces Worte zitiert, als er vor Sams Auto gelaufen ist - aka sein Argument, warum die beiden nicht zusammen funktionieren. :)

Wie sieht euer Koffer / eure Reisetasche aus?
Ich habe einen langweiligen blauen Rollkoffer, aber er hat bis jetzt immer gut auf meine Sachen aufgepasst :)

Habt noch einen wunderbaren Samstag, ich knuddel euch! <3

All my Love,
Lisa xoxo

almost Hate [ᴬ ᴸᵒᵛᵉˢᵗᵒʳʸ]✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt