Regen. Schon wieder.
Ich schlage den Kragen meines Mantels hoch und trete aus der Haustür in die gepflasterte Einfahrt hinaus.
Die Wärme unserer Eingangshalle weicht der nasskalten Luft. Ich schaudere.
Ein Blick in den Himmel verrät mir, dass keine Besserung des Wetters in Sicht ist. Der Frühling lässt mal wieder auf sich warten.Das Dunkelblau meines Mantels zeichnet sich kaum von der tristen Umgebung ab, als ich eilig zu meinem Mini laufe, der weiter vorne in der Einfahrt parkt.
Dieses Auto ist mein ganzer Stolz und das Erste, was ich mir von meinem eigenen Geld gekauft habe. Zugegeben; das Geld stammte von einem Sparbuch, dass mir mein Vater zum achtzehnten Geburtstag überreicht hat, aber es war meine erste große Anschaffung und gewissermaßen auch eine Investition.Ich blicke auf und mache meinen weißen Wagen aus. Als mir eine Windböe ins Gesicht peitscht, senke ich meinen Kopf schnell wieder und sehe, wie der Regen an meinen schwarzen Lederstiefeln abperlt, so wie es nur der Frühlingsregen tun kann.
Am liebsten würde ich jetzt mein Handy zücken und ein Foto davon machen, aber ich habe keine Zeit.
Ich eile die Auffahrt hinab. Normaler bin ich immer pünktlich - außer heute. Und ausgerechnet heute steht eine wichtige Klausur an.Im letzten Moment kann ich vor meinem Auto einen Satz zur Seite machen und somit der riesigen Pfütze ausweichen, die sich neben einem der Reifen gebildet hat.
Natürlich touchiere ich dabei den Wagen mit meinem neuen Mantel und erblicke mit Ekel die hellbraune Spur, die sich auf dem glatten Stoff abzeichnet."So ein Mist!"
Fluchend stehe ich vor meinem Auto und krame nach den Schlüsseln, während der Regen auf mich niederprasselt.
Hecktisch schmeiße ich meine Tasche auf den Beifahrersitz und mich gleich hinterher.
Ich rümpfe die Nase.Das Innere meines Wagens riecht leicht nach Zigarettenrauch, der sich zu dem sonst üblichen, angenehmen Duft von Veilchen mischt.
Den Rauchgeruch verbuche ich ganz auf das Konto meines Bruders, der sich mal wieder meinen Wagen "geliehen" hat.
Prüfend blicke ich auf die Rückbank, auf der Suche nach leeren Flaschen, Müll oder sonstigen Hinterlassenschaften meines Bruders.Der Wagen ist sauber. Ich muss lediglich einmal durchlüften.
Der Motor unter mir heult kurz auf, als ich den Zündschlüssel mit dem schwarzen Puschel herumdrehe. Gleich darauf verstummt er wieder.
"Bitte nicht", bringe ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.Das darf nicht wahr sein. Ausgerechnet heute am Tag der Englischklausur! Verzweifelt starte ich einen erneuten Versuch, dann noch einen - vergeblich.
Mit unschönen Worten auf den Lippen, für die ich von meinem Vater sicherlich eine Rüge kassieren würde, steige ich aus und laufe zurück zum Haus.
Zu diesem Zeitpunkt hat der Regen meine Jeans fast vollständig durchnässt.
"Dad! Du musst mich zum Bahnhof fahren! Dringend!", brülle ich sogleich in die Eingangshalle.
Meine Stimme hallt schrill und aufgeregt von den weißen Wänden wieder.
Ich spähe an der Garderobe vorbei und seufze erleichtert auf, als mein Vater endlich auf der obersten Treppenstufe mit Kaffeetasse und Zeitung unter dem Arm erscheint."Dir auch einen guten Morgen, Spätzchen. Hat sich dein Auto etwa in Luft aufgelöst? Oder deine Fahrkünste?"
Er bricht in schallendes Gelächter aus.
Ich verdrehe die Augen und schlucke meine spitze Bemerkung herunter."Dad kannst du mich bitte schnell zum Bahnhof bringen? Mein Auto hat den Geist aufgegeben und ich muss den Zug erwischen - der übrigens in fünfzehn Minuten abfährt - sonst komme ich zu spät!"
Mein Vater will zu einer Frage ansetzen, ein Warum verlässt beinahe seine Lippen, aber mein flehender Blick hindert ihn daran.Als ich sehe, dass er die Marmortreppe herunterkommt, gehe ich in Richtung Garage vor.
Dad lässt sich meiner Meinung nach, viel zu viel Zeit beim Einlegen des Rückwärtsgangs. Nervös presse ich mich gegen den Ledersitz, wippe ich mit dem Bein und tippe ununterbrochen mit dem Daumen gegen meine Lippe.
"Ist die Eile wegen deiner Englischklausur?"
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almost Hate [ᴬ ᴸᵒᵛᵉˢᵗᵒʳʸ]✔
RomanceIch war immer die brave Vorzeigetochter, die verzweifelt versuchte, ihre zerrissene Familie wieder zusammenzubringen. Ich bin meinem vorgezeichneten Weg gefolgt, ohne nach links und rechts zuschauen. Bis mir meine Handtasche entrissen wurde und dies...