15.

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Ein Klopfen reißt mich aus meinem Traum.
Die graue Umgebung verblasst, raue Hände verschwinden von meinem Unterarm und das einzige Grün, was sich jetzt noch in meinem Sichtfeld befindet, ist die Plastikpflanze auf meinem Regal.
Ich reibe meinen Kopf und stöhne.

Wie spät ist es?
Es muss erst kurz vor zwölf sein, denn sie Sonne scheint immer noch auf das Fußende von meinem Bett.
Erneut ertönt das Klopfen.
"Ja", nörgele ich und setze mich auf.

Ben betritt das Zimmer und schließt leise die Tür hinter sich. Das bedeutet, dass er länger bleiben will.
Ächzend lasse ich mich zurück in die Kissen fallen.
"Was willst du?", nuschele ich.

"Guten Morgen, Schwesterherz."
Mit zusammengekniffenen Augen linse ich unter der Decke hervor.
"Womit habe ich den netten Tonfall verdient? Wenn du mein Auto haben willst - vergiss es!"
Ben lacht verhalten und lässt sich auf meiner Matratze nieder.

Durch sein aufkommendes Gewicht werde ich in die Höhe gefedert.
"Bennoooo, lass mich noch schlafen, bitteeee."
Ich presse die Augen zusammen und versuche den Traum von eben wieder aufzurufen.
"Wann bist du ins Bett gegangen?", fragt mein Bruderherz unbeirrt.

"Keine Ahnung. Drei?", grummele ich.
Stille.
Ich schlage die Decke von meinem Gesicht und blinzele ins Licht.
Ben trägt immer noch seinen Schlafanzug, aber das ist keine Seltenheit.

Seine schwarzen Haare fallen ihm in die Augen und obwohl ich genau sehen kann, dass er sie heute noch nicht gekämmt hat, liegen sie ordentlicher an seinem Kopf als meine.
Nach all dem Haarspray und Styling von gestern Abend fühle ich das Vogelnest, das über meinen Augen anfängt. Ich sehe bestimmt aus wie eine Furie. Zum Glück hängt über meinem Schminkspiegel das Kleid von gestern.
Ich rutsche ans Ende meines Bettes und lehne mich an.

"Was willst du, spucks aus, damit ich wieder schlafen kann."
Bens Augen huschen zu meiner Wand, genauer gesagt, inspiziert er meine Fotos vom Campus, von AJ und Jessica, dem Meer und Wolken.
Erst nach einer Weile kann er sich dazu durchringen, wieder zu mir zu schauen.

"Ich ... wollte nur mal fragen, wie es gestern so war."
"Schön."
Er legt den Kopf schief.
Unter seinen Augen haben sich dunkle Farben angesammelt. Ein braun, blauer See ist unter seinen Augen entstanden. Es sieht nicht gesund aus.

Ich seufze.
"Natürlich war es wie immer: Schrecklich. Ich kann dir gar nicht sagen, wie viel alte Männer in meinen Ausschnitt geguckt und wie viele mich nach meinen Zukunftsplänen gefragt haben."
"Ich habe gehört, AJ war da."

Ich nicke. Immer noch dankbar, dass AJ mich mehr als nur einmal vor peinlichen Gesprächen gerettet hat.
"Und Eric."
Bei dem Namen aus Bens Mund zucke ich zusammen.

"Ja. Der war da", sage ich zögerlich. "Ich wusste gar nicht, dass ihr befreundet seid."
"Hat er dich etwas über mich gefragt?"
Ich ziehe die Stirn in Falten.
Bens Hände ziehen meine Bettdecke glatt, während er die Lehrbücher auf meinem Nachttisch inspiziert.

"Er wollte wissen, ob du wirklich krank bist ... Oder ob das nur die Version von Mom und Dad war."
Braune Augen huschen über mein Gesicht und Ben zieht seine lange Nase kraus.
"Ich habe ihm gesagt, dass du keine Grippe hast, aber ... er wollte nicht zu dir hochkommen."
Das Gesicht von meinem älteren Bruder bleibt ausdruckslos.

Ich hätte mir gewünscht, dass ich durch meine Worte irgendeine Emotion aus ihm herauskitzeln kann. Vergeblich.
Ben hat immer noch alle Brücken hochgezogen und seine Mauern sind nach wie vor hoch um ihn errichtet.

"Warum hast du mir nie gesagt, dass ihr Kontakt gehalten habt?", will ich wissen.
Ich bekomme ein Achselzucken als Antwort.
"Warum sollte ich? Ich muss jetzt ja wohl nicht auch noch meinen Freundeskreis offenlegen. Zumal dieser nicht besonders groß ist."

"Benno."
Ich versuche nach seiner nervösen Hand zu greifen.
"Nenn mich nicht so!"
Ich lasse meinen Arm sinken.
"Ich will dir doch nicht in dein Privatleben pfuschen. Es interessiert mich nur, dass du und Eric befreundet seid."

"Jetzt weißt du es ja."
Ben streckt seinen gekrümmten Hals und steht auf.
"Ich wollte nur wissen, ob er irgendetwas über mich gesagt hat. Das ist alles."
Ich überlege.

Mein Blick gleitet über die Wand neben meinem Bett, an die Benno eben noch gestarrt hat.
Ich betrachte die rosa Wolken, die von einem Sonnenuntergang über dem Meer gezaubert wurden und die kahlen Baumkronen, die ich im letzten Winter fotografiert habe.

"Wir waren im Garten und ich glaube, dass er zu dir hochkommen wollte, aber er schien irgendwie das Gefühl gehabt zu haben, dass du ihn nicht sehen wolltest. Vielleicht rufst du ihn einfach mal an. Es hört sich so an, als hättet ihr schon lange nicht mehr persönlich miteinander geredet", schlage ich dann diplomatisch vor.
Ben gibt ein "Hm" von sich und steuert auf die Tür zu.

Er macht mir Sorgen. Irgendetwas stimmt nicht. Da ist diese Traurigkeit in seinem Blick. Seine Schultern hängen schwer herunter und er schafft es kaum mich anzulächeln. Ich sehe ihm an, dass etwas nicht stimmt. Aber ich kann seine Barrikaden nicht überwinden, dazu bin ich leider noch nie in der Lage gewesen, auch wenn ich mir das eine Zeit lang eingebildet habe.

"Ben."
Er hält inne.
"Was ist da zwischen euch vorgefallen? Hat es etwas mit -"
"Nein! Damit hat er absolut nichts zu tun. Vergiss es, Ophelia und mach mal das Fenster auf - hier drin stinkt es nach Veilchen!"

Mit offenem Mund schaue ich ihm hinterher.
Er ist doch hier reingekommen und wollte etwas von mir! Warum meckert er mich jetzt an?
Dieses beklemmende Gefühl breitet sich wieder in meiner Brust aus.

Ich will keinen Streit, ich will einfach einen ruhigen Sonntag, an dem ich die Gala vergessen kann.
Mein Schädel beginnt zu pochen und ich wende mich vom hellen Fenster ab. Ich habe gestern zu viel Alkohol getrunken, während mein toller Bruder gemütlich in seinem Zimmer sitzen konnte und keine Ahnung davon hatte, was ich unten im Wohnzimmer für Erniedrigungen ertragen musste.

Mit einem Brennen in den Augen beobachte ich Ben dabei, wie er nach einem verächtlichen Lachen über ein Familienfoto in meinem Regal die Tür öffnet.
Doch bevor er sie endgültig schließt, steckt er noch einmal seinen Kopf zu mir rein.
"Du hast übrigens im Schlaf geredet. War ganz amüsant. Jace, oh, lass das, Jace!"

Seine quietschende Stimme pocht hinter meinen Augenhöhlen und ich schleudere ein Kissen in seine Richtung.
"Halt die Klappe und verschwinde!"
Dieser verdammte, miese -

Ich ziehe die Decke über meinen Kopf - nur für den Fall, dass ich wieder im Schlaf reden würde.
Mit zusammengepressten Augen liege ich in der Stille und versuche einfach nur ruhig ein und auszuatmen.

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Song: Look Out - James Vincent McMorrow

Moin :)

Ich will euch nicht vor Morgen vorwarnen, aber vielleicht doch ein bisschen ... hrhr....

Morgen kommt übrigens jemand bei mir vorbei und stimmt mein Klavier, mal schauen wie das wird...

Ich habe mir vor ein paar Tagen wieder Bilder bestellt, ich habe nämlich ein "Foto-Tagebuch".
Da klebe ich meine Bilder ein und dekoriere sie mit Washi-Tape, Stickern und Lyrics :)

Und da ich immer so viele Fotos mache, bin ich gerade im April 2019 (ja, richtig gelesen) angekommen.
Danke Corona (HAHAHAA) komme ich etwas besser hinterher, weil ... ich hab nicht wirklich viel mit der Kamera festzuhalten.

Und Ophelia macht ja auch leidenschaftlich gerne Fotos :)
Spot the difference game is getting hard!

Macht ihr auch gerne Fotos?
Mit dem Handy oder habt ihr eine Kamera?

Sending u all my Love,
Lisa xoxo

almost Hate [ᴬ ᴸᵒᵛᵉˢᵗᵒʳʸ]✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt