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Eine Woche später bin ich gezwungen am Vormittag mein Elternhaus aufzusuchen.
Meine Kleidung reicht hinten und vorne nicht aus und außerdem habe ich nur ein Paar Schuhe bei Jace in der Wohnung stehen.
Ich drehe den Zündschlüssel um und die dumpfe Stille überrollt das Wageninnere.

Ich schlucke, doch mein Mund und Hals bleiben weiterhin staubtrocken. Ich will da nicht reingehen.
Es kostet mich schon einiges an Überwindung, die Augen Richtung Hauseingang zu heben.
Mein Vater ist auf der Arbeit. Ob sich meine Mutter und Tante Jennifer hinter diesen Mauern befinden, sei da hingestellt. Da ich seit mehr als zehn Tagen keinen Kontakt mehr zu meinen Eltern hatte, weiß ich nicht, ob Jennifer noch hier oder bereits wieder abgereist ist.

Es waren die besten zehn Tage seit langem.
Ich senke meine Stirn auf das Lenkrad ab und kneife die Augen zusammen, umklammere das weiche Leder links und rechts von meinen Schläfen.
Mit einem Ruck richte ich mich wieder auf und öffne die Fahrertür.
Jetzt oder nie.

Ich kenne mich gut genug, um zu wissen, dass wenn ich auch nur ein paar Sekunden länger in meinem Mini verbringen würde, den Rückwärtsgang einlegen und davon fahren werde.
Es fühlt sich seltsam an, wieder die kleine Stufe vor dem Eingang zu erklimmen. Ich habe das mein Leben lang jeden Tag getan, es sei denn wir waren als Familie im Urlaub.

Sie waren bis jetzt immer bei mir, meine sogenannte Familie, immer irgendwie um mich herum, auch wenn Mom durch Abwesenheit glänzte und Ben mir vor der Nase die Tür zuknallte und Dad ... nie eine Tochter in mir sehen konnte. Sie waren immer da und seit vorletztem Sonntag war ich nicht mehr da.
Und es fühlt sich gut an.

In der zwischen Zeit ist nicht viel passiert.
Ich habe mit Jace geredet, wir haben zusammen gelacht, Zeit verbracht, die mit keinem Geld der Welt zu ersetzen wäre.
Ich sauge jede Sekunde mit ihm auf und konzentriere mich dabei darauf, nicht zu denken, dass es die letzte sein könnte.

Ich hebe meinen Schlüssel, doch halte vor dem Schlüsselloch inne.
Das letzte Mal, als ich diese Tür aufgeschlossen habe, hatte ich noch keine Ahnung von Dads Betrug.
Und als ich sie das letzte Mal zugezogen habe, habe ich mit allem gebrochen, was anderen Menschen heilig ist; der Familie.

Und jetzt stehe ich hier mit dem Wissen, dass Jaces Körper sich nach und nach selbst zerstört, immer und immer schneller.
Irgendwann wird ihm das Atmen noch schwerer fallen und die kürzesten Strecken werden zur Qual.
Ich weiß, dass er immer farbloser und schwächer werden wird. Aber nicht von innen.
Mein Jace hat so viele Farben in sich, die der Krebs nicht auslöschen kann.

Doch trotz dieser unausweichlichen Aussichten will er immer noch nicht zum Arzt gehen.
Egal, was ich versuche. Aber ich will ihn nicht zwingen. Zusätzlich weiß ich, dass man Jace Brighton zu nichts zwingen kann. Man kann ihn höchstens überzeugen.
Aber es ist sein Leben und ich will mich nicht in dem Grad einmischen und ihn bedrängen, wie es meine Eltern bei mir taten.

Er will keine Deadline gesetzt bekommen, möchte lieber in den Tag hineinleben, ohne zu wissen, wann diese Lebensweise nicht mehr möglich ist. Und manchmal kann ich das hundertprozentig nachvollziehen.
Er will normal sein, auch wenn die Einschränkungen allgegenwärtig sind.
Unwissenheit ist manchmal ein Geschenk des Himmels, sagt er immer.

Mit all diesen Gedanken im Kopf öffne ich die schwere weiße Tür, stoße sie aber nicht gänzlich auf.
Etwas hält mich zurück. Hier wieder einzufallen, fühlt sich wie ein Verstoß gegen meine eigenen Prinzipien an. Ich wollte für wesentlich längere Zeit nicht mehr hierher zurückkommen und jetzt habe ich es nicht mal zwei Wochen durchgehalten.

Der Wind treibt eine Wolke vor die Sonne und sogleich kann ich meine Augen etwas entspannter auf die grelle Fassade vor mir richten.
Ich bin Jace so dankbar, dass er mir gezeigt hat, wer ich wirklich bin und dass es okay ist, dazu zu stehen.

Ich trete als anderer Mensch über die Schwelle und all die Erinnerungen, die dahinter auf mich einprasseln, können nichts daran ändern, dass ich mit erhobenem Haupt in mein Zimmer laufe und keinen Gedanken daran verschwende, einzuknicken.
Ich bin mein eigener Mensch.

Oben in meinem Zimmer wirkt alles unverändert. Ich kann nicht erkennen, dass irgendjemand hier herumgeschnüffelt hätte.
Dieses Mal öffne ich meine Kleiderschranktüren und betrachte in Ruhe und mit klarem Blick seinen Inhalt.

Einige Blusen hängen nur halb auf den Bügeln und weisen zusammen mit den schiefen T-Shit- und Hosen-Stapeln auf meine eilige Abreise hin.
Neben weiteren Kleidern und den fehlenden Socken wandern auch Sweatshirts und Pullover für die bevorstehende kühlere Jahreszeit in meine mitgebrachten Reisetaschen.

Ich laufe dreimal zu meinem Auto und fülle Kofferraum und Rückbank.
Als ich die Marmortreppe zum vierten Mal emporsteige, höre ich wie mein Namen verzerrt, beinahe außerirdisch klingend gerufen wird.
Ich halte inne und wünschte mir im nächsten Moment keine Regung gezeigt zu haben. Doch da habe ich den Kopf schon in die Richtung gedreht, aus der die Stimme erklungen ist.

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Song: State Lines - Novo Amor

Hi my loves!

Vorgestern kein Update, weil ich war am See (von dem ich nicht wusste, das er existiert) mit meiner bestie. Gestern kein Update, weil ich war auf einer Abschiedsfeier. Seufz.

Für mich sind einfach schon in knapp 3 Wochen (glaube ich.... oder 4?!) Herbstferien! Herbstferien! Wie kann das sein?!
Bis dahin habe ich auf jeden Fall noch eine Meeennggeee zutun...

Well, gestern Abend war aber echt schön. Es ist krass Mensch nach Jahren wiederzusehen & genau da weiter zu machen, wo man in der 10. Klasse aufgehört hat.
Oder Menschen kennenzulernen & es fühlt sich so an, als würde man sie seit der 5. Klasse kennen.
Kennt ihr das?

Okay genug philosophiert.
Ich wünsche euch noch einen schönen Samstag & bis morgen :)

All my Love,
Lisa xoxo

almost Hate [ᴬ ᴸᵒᵛᵉˢᵗᵒʳʸ]✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt