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Als uns eine Entenschar entdeckt hat, ist es vorbei mit der idyllische Ruhe.
Sams Lachen schallt über den Mendota See, als ich von meinem Sonnenplatz flüchten muss, um mich vor einem Erpel in Sicherheit bringe, der meine Wassermelone lautstark für sich beanspruchten will.
Ich finde das ganze überhaupt nicht witzig, aber als Sam sich zur Seite rollt und beinahe ins Wasser fällt, muss auch ich grinsen.

Mittlerweile hat der Wind etwas aufgefrischt und wird gleiten mit schnellerer Geschwindigkeit über die Wasseroberfläche. Nur noch vereinzelte Enten verfolgen unser Boot. Das aufopferungsvolle Überbordwerfen meiner Melone hat Wirkung gezeigt.
Die Sonne brennt auf uns herunter, lullt uns in eine träge Stimmung ein. Mein mitgebrachtes Buch nutze ich mehr als Sonnenschutz und Vorwand, nicht permanent mit Sam reden zu müssen, anstatt darin zu lesen.

Für ein paar Augenblicke ist es so, als wären wir in der Zeit gereist. Wir sind wieder Kinder, die fast jedes Sommerwochenende auf diesem See verbringen, faul in der Sonne herumliegen oder so tun, als würden sie ihren Vätern zuhören, wenn diese etwas über das Segeln, Seile und den Sextanten erklärten.

Ich schließe die Augen und versuche mich in diese Zeit zurückzuversetzen.
Sam und ich. Einfach nur Freunde.
Mein Dad. Einfach nur mein Vater, der mich an guten Tagen auf den Schultern trug, sodass ich ihm auf den Kopf trommeln konnte.

Meine Mom. Sie war da. Sie lag mit uns in der Sonne, erzählte Geschichten und schwamm mit meinem Dad um das Boot.
Benno. Er war die liebenswürdigste Nervensäge auf Erden und zog mich ständig damit auf, dass ich nicht so gut tauchen konnte wie er.

Die Rosethorns. Eine glückliche Vorzeigefamilie aus dem Bilderbuch. Gutaussehend, gebildet, wohlhabend.
Wir hatten ein Segelschiff, wir hatten einflussreiche Freunde, aber wir machten den Eindruck, als ob all das nur ein zusätzlicher Bonus für uns war. Denn wir hatten uns. Und war genug, denn wir waren perfekt. Im Einklang.

"Ophelia?", reißt mich Sam aus meinen Gedanken. "Da du seit über zehn Minuten auf ein und dieselbe Seite starrst, dachte ich mir, ich kann dich ruhig stören."
Seufzend lege ich mein Buch auf meiner Brust ab und verdrehe die Augen. Dank meiner Sonnenbrille dürfte Sam das allerdings nicht gesehen haben.

"Ich traue mich eigentlich fast nicht, dich darauf anzusprechen, aber ... wie geht es deiner Mom? Ich meine, sie scheint ja jetzt wieder zurück zu sein und ..."
Wieder ein Satz, der sich im Sande verläuft.
Ich zucke mit den Schultern und starre in den blauen Himmel. Er sieht viel schöner aus, als die Seiten mit den kleinen, schwarzen Buchstaben.

"Es geht ihr gut", sage ich zum Himmel, lüge ich zu Sam. "Sie kommt langsam wieder auf den richtigen Weg."
Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie er sich aufsetzt.
"Wenn du reden willst - wann immer, egal worüber - ich bin immer da, okay? Deine Mutter ist eine unglaublich starke, beeindruckende Frau. Sie wird es schaffen, dem Alkohol zu widerstehen."

"Können wir über etwas anderes reden?", frage ich schnell.
Deswegen wissen meine Freunde wenig über mich und meine Probleme. Jess könnte nie aus dem Blauen heraus fragen, wie es meiner Mutter nach der Entzugsklinik geht.
Und AJ - wenn er denn mit mir reden würde - könnte nie den Versuch unternehmen, mir Mut zuzusprechen, weil mein Bruder versucht hat, sich das Leben zu nehmen.

"Klar, entschuldige. Möchtest du noch eine Cola?"
Ich nicke und klappe mein Buch zu.
Meine Hände kleben immer noch von der Sonnencreme und ich hätte Lust ins Wasser einzutauchen, alles abzuwaschen, aber ich will nicht alleine gehen.

Sam rennt über die warmen Planken und fischt mir eine Cola Flasche aus der Kühlbox, die wir unter die in die Schiffswand integrierte Bank in den Schatten geschoben haben.
Jace könnte nie so flink von A nach B rennen. Selbst bei dieser kurzen Strecke wäre er mit Sams Geschwindigkeit außer Atem zusammengesackt und hätte sich die Lungen aus dem Leib gehustet.

Schuldig wende ich den Blick von Sams drahtigem Rücken ab.
Jaces Kreuz ist schmaler, hat deutlich weniger Muskeln. Selbst von hinten hat er in den letzten Wochen manchmal schon einen kranken Eindruck gemacht.
Am Schlimmsten war es in den Morgenstunden, wenn er sich vor mir aus dem Bett gerollt hat und glaubte, ich sei noch nicht wach. Dabei habe ich ihn immer mit halb geschlossenen Augen beobachtet, wie er zur Tür taumelte und sich dabei die Rippen hielt.

Damals im Frühjahr am Bahnhof sah er noch kräftiger aus.
Und auch im Mai, als ich meine Finger über seinen Rücken fahren ließ, wirkte er noch nicht so gebrechlich auf mich.
Wahrscheinlich straft mich mein Gehirn aus schlechtem Gewissen mit diesen Horrorbildern.

Ich blinzle in die Sonne und nehme die kalte Glasflasche entgegen.
"Wir sollten das hier wieder öfter machen", sagt Sam und streicht sich über die Haare.
"So wie früher?", frage ich und runzle die Stirn.
Die Flasche öffnet sich mit einem lauten Zischen und ich zucke zusammen.

"Ja. Nur mit dem Unterschied, dass unsere Eltern nicht mehr dabei sind."
Nach einer kurzen Pause, in der er über den See blickt, fügt er hinzu: "Ich meine, so gutes Wetter muss man doch auskosten."
Ich möchte ihm zustimmen, weil ich weiß, es ist das Richtige und damit hätte sich dieser Gesprächspunkt erledigt.

Aber etwas, nein alles, in mir sträubt sich, diese Aussage einfach so abzunicken und hinzunehmen.
"Wir sind aber keine Kinder mehr, Sam. Ich werde nach diesem Sommer mein letztes Jahr an der Edgewood absolvieren. Ich habe leider nicht mehr den Zeitplan eines Kindes."
Ich richte mich auf, bedecke mich mit meinem Strandtuch.

"Genau deswegen sollten wir doch jede letzte freie Minute nutzen und auskosten", argumentiert mein Gegenüber leidenschaftlich.
Ein trauriges, beinahe bemitleidendes Lächeln hebt meine Mundwinkel.
"Machst du denn wirklich noch genau dieselben Dinge gerne wie früher?"

Sam legt den Kopf zur Seite und lässt sich wieder auf sein Handtuch fallen.
"Ja. Eigentlich schon."
Ich gebe ein Brummen von mir.
Drei der frechen Enten fliegen über uns. Ihre Schatten ziehen über das Deck, meine Beine und verschwinden dann im Wasser.

"Du machst und magst dieselben Dinge wie früher nicht mehr, oder?"
Sams Stimme ist leise, als er mich das fragt.
Ich kann ihn nicht ansehen. Ich binde meinen Dutt erneut und trinke einen großen Schluck viel zu kalter Cola.

"Du bist wirklich nur hier, weil dein Dad dich gezwungen hat."
"Nein! Nein, das stimmt so nicht, Sam, wirklich."
Doch Sam schüttelt den Kopf und legt sich hin.
"Ich glaube, ein kleiner Teil in mir hat noch gehofft, dass du dich wirklich für mich interessierst, wenigstens ein bisschen."

Ich kann von der Seite aus sehen, wie er die Augen schließt.
Sein Brustkorb hebt sich einmal schwerfällig und er atmet leise aus, für eine gefühlte Ewigkeit.
"Es tut mir leid", wispere ich.
Eine schmale Hand fährt durch die Luft, winkt ab. Dann kehrt Ruhe ein.

Es ist keine Stille. Es ist Ruhe.
Es ist alles gesagt, was es zu sagen gibt.
Das Boot unter uns schaukelt sachte. Sam steht zwischendurch auf, um die Segel zu überprüfen.
Er fragt nicht nach meiner Hilfe, auch wenn er mehr als einmal kaum mit den Tauen zurechtkommt.

Ich tue so, als würde ich es nicht bemerken, weil ich weiß, wie peinlich ihm das ist.
Sein Vater hat ihn auf dem Wasser immer zur Schnecke gemacht. Er sei zu schwach, er sei zu vorsichtig, denke nicht weit genug voraus.
Heute denkt Samuel Kites weit genug voraus. Er bringt uns nicht zum Kentern und wir fahren auch nicht in das Schilf bewachsene Ufer.

Doch er hat wieder nicht weit genug voraus gedacht. Er hat nicht damit gerechnet, dass ich 'Nein' zu ihm sagen könnte.

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Song: Remember (Cover) - Omar Rudberg ♡♡♡♡♡

Heyyyy *awkward silence* I'm baaackk :)

I promise, I'll try my best to bring back the daily updates!
Ich bin total aus meinem Rhythmus raus & wie ihr seht, hat das dann immer zur Folge, dass ich einfach nicht mehr schreibe xD
Aber jetzt werde ich mich wieder mit Disziplin und Ehrgeiz ransetzten (das sagst ich jetzt mit ironischem Ton!)

okay, Spaß bei Seite. War einfach viel los.
Heute schien ja mal wieder die Sonne, haben meine Mum & ich gleich zum Grillen genutzt :)
Was ist bei euch gerade so los?
Grillt ihr gerne oder könnt ihr dem nichts abgewinnen?

Also wir grillen vielleicht so zwei, dreimal im Jahr xD

Von jetzt an werden wieder tägliche Updates kommen :)
Also bis mooorgeeennn :)

All my Love,
Lisa xoxo

almost Hate [ᴬ ᴸᵒᵛᵉˢᵗᵒʳʸ]✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt