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Der Abend zieht sich wie das Kaugummi in Jessicas Mund, das ich alle paar Minuten zu Gesicht bekomme, wenn sie es mit Luft füllt.
AJ sitzt vor uns auf dem Boden und versucht mit Kommentaren über vorbeilaufende Gäste die Stimmung zu heben.

Ich weiß nicht, ob er und Jess sich abgesprochen haben, aber sein rubinrotes Hemd passt perfekt zu dem roten Tüll von Jess' Kleid.
"Und eine weitere Anwärterin auf den Titel 'Ich zeige Bein, obwohl ich keins habe!'"
"AJ!"
Ich trete ihm gegen den Oberarm. Nicht sonderlich stark, aber er rollt sich im Gras und stöhnt.

Was mich zum Lachen bringt, dass muss ich ihm lassen. Aber er zieht auch die Aufmerksamkeit meiner Mutter auf uns.
Kaum zu glauben, aber lautes Lachen fällt auf meiner Geburtstagsfeier wirklich auf.
Mit kleinen eleganten Schritten kommt sie auf uns zu.
Sofort setze ich mich aufrechter hin, mein Lächeln verrutscht.

"Na, ihr drei. Amüsiert ihr euch?", fragt ihr Stimme, die das aufgesetzte Lächeln vertont.
"Ja, Mrs. Rosethorn, eine ganz wunderbare Feier. Ich persönlich bin ja ein Fan von den Lichterketten", antwortet Jessica für uns alle.
Meine Mutter verzieht den Mund.
"Meinst du?", fragt sie skeptisch und dreht sich um. "Mirella hat sie aufgehängt. Ich finde sie etwas zu ... kindlich."

Ich mag die Lichterketten auch. Und ich weiß, dass Mirella sich die Mühe mit den kleinen goldenen Lichtbällen gemacht hat, damit wenigstens im Garten ein bisschen gemütliche Stimmung herrscht.
"Das sehen Sie völlig falsch, Mrs. Rosethorn", schaltet sich jetzt auch der Junge am Boden ein.
"Wenn du das sagst, AJ", schmunzelt meine Mutter.

Ich verfolge ihr oberflächliches Gespräch und hoffe, dass sich ihre Aufmerksamkeit nicht auf mich richten wird, doch sie dreht sich mir zu und lächelt.
"Packst du heute noch deine Geschenke aus? Wenigstens die von Dad und mir?"
Sie sieht mich hoffnungsvoll an.
Ich ziehe die Schultern hoch.

"Ich weiß noch nicht."
Ihre hellbraunen Augen trüben sich und plötzlich tut es mir unglaublich leid, sie enttäuscht zu haben.
Das beinahe ehrliche Lächeln, das eben noch ihr stark geschminktes Gesicht geziert hat, verblasst.
"Verstehe. Gut ich ... Ich werde dann mal lieber wieder zu deinem Vater gehen."
Sie nickt in die Runde.
"Damit ihr wieder eure Ruhe vor mir habt."

Noch ein kleines, schmales Lächeln, dann wendet sie sich ab und verschwindet.
Jess atmet laut aus.
"Was war das denn?"
Ich habe keine Zeit eine Antwort darauf zu finden, denn AJ knurrt im selben Moment: "Ophelia Rosethorn, dein anderer Freund kommt, auf drei Uhr."

Mit diesen Worten erhebt er sich und sammelt seine Bierflaschen ein.
Aus irgendeinem Grund kann er Sam nicht leiden. Dabei kennen sich die beiden gar nicht wirklich. Ich habe Sam meine Freunde aus der Uni noch nie vorgestellt.
Aber laut AJ ist Samuel ihm zu brav.
Meine Augen fallen auf den blonden Jungen, der von seiner Mutter aufgehalten wird und entnervt den Kopf schüttelt.
Er repräsentiert schon ziemlich das Gegenteil von AJ.

Ich winke Sam zu, als er zu mir herüberschaut und entschuldigend die Schultern hebt.
Doch Jess dirigiert mein Augenmerk in ihre Richtung, in dem sie mich zu sich zieht.
"Ist das nicht deine Tante dahinten?", flüstert sie in mein Ohr.
Ich folge ihrem unauffällig ausgestreckten Zeigefinger.
"Sieht mir nach ein bisschen zu viel Alkohol aus."

Tante Jennifer ist dabei einem Mann mit silbernem Haar zuzuprosten und legt den Kopf lachend in den Nacken.
Selbst aus der Entfernung kann ich sehen, wie sie den Inhalt ihres Glases verschüttet. Sie ist mehr als nur angetrunken.

"Ich meine ja nur", fährt Jessicas raunende Stimme fort, "nicht das ihre Zunge etwas zu locker wird."
Sie zieht die Augenbrauen hoch und sieht mich vielsagend an.
Jace. Unser kleines Geheimnis.
Mir wird schlecht und gleichzeitig merke ich, wie das Blut mein Gesicht verlässt.
"Ich muss zu ihr", ringe ich hervor und durchquere den Garten mit bestimmten Schritten.

almost Hate [ᴬ ᴸᵒᵛᵉˢᵗᵒʳʸ]✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt