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Sie hat nicht ein einziges Mal nachgefragt.
In den ganzen zwei Stunden, die wir schon hier sind, hat Margret nicht einmal nach dem Warum gefragt.
Warum bist du abgehauen?
Warum hast du uns verlassen?
Warum hast du dich nie gemeldet?

Mittlerweile haben wir alle zwei Tassen von ihrem köstlichen Kaffee getrunken und ich versinke mehr und mehr in das gelbe Sitzkissen, das sich mit dem Gelb meines Kleides beißt.
Jace und Margret reden. Ab und an schalte ich mich ebenfalls ein, aber ich halte mich bewusst im Hintergrund.

Ich habe keine Ahnung, ob ich Jace dazu kriegen werde ein zweites, drittes, zehntes Mal hier aufzukreuzen, also sollen die beiden so viel Zeit miteinander haben, wie nur möglich.
"Das da hinten ist also der berühmte Hügel", sage ich und betrachte den kleinen Wall am Ende des Grundstücks.

"Ja", lacht Maggy. "Die Vorbesitzer wollten hier eine Terrasse aufschütten, sind aber nie fertig geworden und haben uns einen Haufen Geröll hinterlassen, der mit den Jahren zu einem grünen Hügel wurde."
Ich lege die Stirn in Falten. Jaces Kletterberg macht wirklich nicht den Anschein, als würde er aus Schotter bestehen.

"Ich hatte ihn größer in Erinnerung", meint Jace und fährt sich über das Kinn.
Es ist komisch hier mit ihm zu sitzen, in seinem Poloshirt und den Shorts dazu. Er passt irgendwie so gar nicht in diese gepflasterte Sitzecke mit dem Sonnenschirm und den Topfplanzen.
Mit einem Mal und völlig ungewollt kommen mir Sams Worte aus der Mall in den Sinn.
Er wirkte so deplatziert.

War es das, was er meinte?
Wirkte Jace immer so? So ... anders.
Er sieht aus, als hätte er nach dem Weg fragen wollen und die netten Hausbesitzer, bei denen er geklingelt hat, haben ihn gezwungen, auf eine Tasse Kaffee hereinzukommen und sich auszuruhen.

Was auf keinen Fall heißen soll, dass Jace so aussieht, als würde er sich nicht wohlfühlen.
Ganz im Gegenteil, ich habe ihn noch nie so entspannt gesehen.
Das hier ist sein Zuhause und die Person, die er am besten kennt, sitzt neben ihm.
Die Art wie er mit ihr redet. Ich könnte den beiden Stunden lang einfach nur zusehen und zuhören.

Jaces raue Stimme wirkt weicher, wenn er sich mit seiner Mutter unterhält.
Sein Lächeln wirkt anders. Nach einer Weile wird mir klar, dass es mir so fremd ist, weil plötzlich Melancholie und Traue darin liegen.
Ich bewundere Margret. Sie klammert sich an ihren Kaffeebecher und schafft es so zu tun, als ob das hier normal wäre, also ob sie Jace nicht gerade zum ersten Mal nach fünf Jahren sieht.

"Soll ich dir meinen Lieblingsplatz zeigen?", fragt Jace, als er meinem Blick begegnet.
"Das ist eine gute Idee. Und ich räume hier in der Zwischenzeit den Tisch ab", bekräftigt Margret.
"Wir können aber gerne erst helfen", biete ich schnell an und strecke schon die Hände zu der Keksdose.

"Nein, nein, lass nur. Ich mache das."
Die feinen Lachfalten breiten sich um ihre herzlichen Augen aus und sie nickt Richtung Jace, der schon auf den Rasen getreten ist.
Ich kann nicht gleich aufstehen, ich muss ihn erst ansehen, wie er da steht und mich abwartend anblickt. Wenn ich mein Handy jetzt griffbereit hätte, würde ich ein Foto machen.

Margret beginnt unsere Tassen ineinander zu stapeln und läuft mit der bunten Dose unter dem Arm zurück ins Bungalow.
Ich erhasche einen Blick auf Jasper, der sich gegen ihre Beine wirft, als sie an der Wohnzimmertür stehen bleibt, um ihn zu begrüßen.

Jaces Augen liegen immer noch auf mir, als ich zu ihm aufschließe. Unsere Arme berühren sich beim Laufen.
"Und ... Wie findest du sie?", fragt er, als wir außer Hörweite sind.
"Toll! Sie ist so ... herzlich und voller Lebensenergie."
Ich weiß nicht, wie ich es besser in Worte fassen soll, also hoffe ich einfach, dass das Strahlen auf meinem Gesicht genauso begeistert aussieht, wie es sich für mich anfühlt.

Jace seufzt und wirft einen schnellen Blick über die Schulter zum Haus.
"So war sie schon immer. Na ja, nicht immer. Nicht nachdem mein Dad gegangen ist. Ich erinnere mich daran, als ich eingeschult worden bin und gesehen habe, wie die anderen Mommys lachten und strahlten, einfach fröhlich waren ... An diesem Tag wollte ich meine Mom gegen sie eintauschen."

Wir erklimmen den kleinen Wall am Grundstücksende, wobei ich Jace die Hand reichen muss.
Die kleine Steigung lässt ihn schon nach Atem ringen.
Mit einem Ächzen lässt er sich neben mir ins Gras fallen.
"Aber ich dachte, dein Vater ist weg, als du noch ganz klein warst?", merke ich an.

"Der Verrat von meinem Vater hat sie damals wahnsinnig mitgenommen, das ging so über Jahre."
Er rupft etwas Gras aus der Erde und dreht es zwischen seinen Fingerkuppen, sieht dann zu mir auf.
Ich setze mich neben ihm, spüre das warme, trockene Gras an meinen Beinen.

Und deswegen wolltest du deine Mutter nie wieder so sehen und hast deshalb entschieden, dass ein Leben ohne dich besser ist, als ein Leben mit der grausamen Wahrheit, beende ich seine Ausführung in meinem Kopf.
Ich weiß, dass er diese Worte nicht aussprechen kann.

"Soll ich dir etwas Wasser holen?"
Er atmet immer noch schwer und streicht sich permanent Haare aus dem Gesicht, blickt nach unten zwischen seine Füße.
"Nein. Geht gleich wieder. Ist nur sehr warm."

Ich presse die Lippen zusammen und schaue zum Haus.
Von hier hat man einen perfekten Überblick über das Grundstück. Ich kann verstehen, warum das hier sein Lieblingsplatz war.
Vor uns befindet sich der Flachbau. Links davon geht ein kleiner Weg um das Haus nach vorne zum Vorgarten.

Die kleine gepflasterte Sitzecke ist von Büschen und Blumen umringt.
Weiter vorne auf der Wiese stehen einige Himbeer- und Johannisbeersträucher, deren Blätter in der prallen Sonne verbrennen.
Früher, als ich noch im Kindergarten war, hat Mirella mich immer mit zu einem Farmer genommen, der frische Beeren auf einer Streuobstwiese hinter seinem Hofladen hatte. Dort durften wir so viele süße Früchte pflücken, wie wir wollten.

Die Kuchen und Törtchen, die Mirella daraus gebacken hat, wurden von meiner Mutter nie gegessen und sie hat auch mir verboten, sie zu essen; zu viel Zucker.
"Ich kann sagen, dass sie dich mag", erklingt Jaces Stimme leise neben mir.
Ich wende den Kopf zu ihm, ein glückliches Lächeln auf meinen Lippen.

"Ja?"
Er nickt.

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Song: Spit Of You -Sam Fender

I'm so so sorry, dass gestern auch kein Update kam, man :(
A lot is going on, but don't worry, ich habe Hoffnung, dass ich morgen vielleicht ein bisschen Reserve schreiben kann.

Und natürlich gab es heute beim Veröffentlichen auch noch technische Probleme... i love it!

Jetzt geht halt auch ab und an die Gartenarbeit vor. Die Büsche vor unserem Wintergarten müssen noch alle geschnitten werden.
Heute schien so schön die Sonne, wonderful.

AN ALLE DIE DAS NEUE ALBUM VON SAM FENDER NOCH NICHT GEHÖRT HABEN - DO IT NOOOWWWW!!!!
k luv ya! <3

All my Love,
Lisa xoxo

almost Hate [ᴬ ᴸᵒᵛᵉˢᵗᵒʳʸ]✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt