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Jaces dunkles Lachen erfüllt meine Ohren und ein wohliger Schauer breitet sich über meinen Körper aus.
"Was ich für ein Tattoo auf der Schulter habe?", wiederholt er meine Worte.
Ich nicke.

"Auf welcher Schulter?"
"Du hast noch mehr?"
Augenblicklich setze ich mich aufrechter hin, beuge mich ihm entgegen.
Jetzt ist es Jace, der nickt.

"Ich meine das auf der linken Schulter."
Ich schlage die Augen nieder, nur um sofort wieder aufzublicken.
Jace bewegt sich, öffnet die Jacke, während seine raue Stimme beinahe vom Wind davon getragen wird, als er fragt: "Wann hast du es entdeckt?"

Verlegen spiele ich mit meinen Fingern.
"Als du ... den Abend, nach dem du ... Im Gästebad."
Meine Wangen erröten. Ich spüre, wie die Hitze von meinem Hals bis zu den Wangenknochen hochschießt.

Jace lacht leise auf und zieht sein dunkelbraunes Shirt beiseite, in das ich noch vor ein paar Tagen meine Nase vergraben habe.
Meine Lippen öffnen sich, aber kein Ton kommt über sie.
Was ich da sehe, verschlägt mir den Atem.
Eine Hand kommt zum Vorschein. Ich kann kaum verarbeiten, was er da vor mir enthüllt.

Es ist nicht einfach nur eine Hand.
Sie hat lange Klauen, die sich optisch tief in Jaces Fleisch bohren, seine Haut aufreißen.
Es sieht so aus, als würde jemand hinter ihm stehen und ihn zurückreißen wollen.
Mein Mund steht immer noch offen, als ich es schaffe, meinen Blick von diesem Kunstwerk zu lösen und Jace in die Augen zu schauen.

"Sie ist ... wunderschön."
Und gleichzeitig auch ziemlich abstoßend.
Aber diesen Kommentar behalte ich für mich.
Lange Finger bewegen den Stoff zurück, wollen die Hand wieder verbergen.

"Nicht", meine Stimme ist nicht mehr als ein raues Hauchen.
Jace hält inne und ich lehne mich vor, inspiziere das ausschließlich mit schwarzer Tinte unter die Haut gestochene Tattoo.
Ich bin sprachlos über die Illusion aus tiefen Schatten, die mich glauben lassen, dass die Klauen tiefe Wunden in Jaces Schulter reißen.

"Als wäre ... sie echt", sage ich andächtig.
Eine Gänsehaut bereitet sich über seine gebräunte Haut aus, ausgehend von den Stellen, über die ich meine Fingerspitzen fahren lasse.
Jaces Wimpern berühren die Schatten unter seinem rechten Auge, als er diese schließt.

"Was bedeutet es?"
Ich habe mir in den letzten Sekunden eine eigene Bedeutung hergeleitet.
Jemand oder etwas hält ihn zurück.
Er räuspert sich.

"Jedes Mal wenn ich in den Spiegel schaue, erinnert es mich daran, mich von nichts und niemandem zurückhalten zu lassen."
Ich beiße auf meine Lippe.
"Das ist schön."

"Schön wäre es, wenn ich jeden Tag einen Spiegel zur Verfügung hätte."
Ich zucke zusammen.
Nach einem letzten Blick verschwindet die künstliche Wunde auf meinem Sichtfeld, wird wieder von braunem, abgetragenem Stoff vor meinen neugierigen Blicken abgeschirmt.

"Ich möchte dir so gerne helfen."
Die Worte kommen über meine Lippen, ohne das ich sie zurückhalten könnte.
Jace lacht auf. Aber nicht verächtlich oder verbittert.
Es wirkt wie ein normales Lachen, beinahe, als wäre er gerührt.

Der Wind frischt auf und die Eiche über uns tost.
"Ich weiß nie, was ich mir stechen lassen soll", sage ich in die Stille zwischen uns.
"Du würdest dir ein Tattoo stechen lassen?"
Jace sieht mich überrascht an.

Ich kichere, nicke.
"Was würde dein Vater dazu sagen?"
Die pure Ironie spricht aus ihm und ich schätze es sehr, dass er sich damit nicht zurückhält, wenn es um meinen Vater geht.

almost Hate [ᴬ ᴸᵒᵛᵉˢᵗᵒʳʸ]✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt