137.

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Es ist mein Traumstrand. Er ist so breit, dass man nur mit Seitenstechen und völlig außer Atem an der Wasserkante ankommt, wenn man auf das Meer zuläuft.
Aber Jace und ich können nicht bis zum Wasser sprinten. Wir laufen Hand in Hand über die breite weiche Fläche und versinken in ihr.

Der Sand ist fast weiß und unglaublich fein.
Ich schließe immer wieder die Augen und ziehe die salzige Luft ganz tief in meine Lungen. Der Wind kommt von Osten und reißt lange Strähnen aus meinem Dutt.
"Jetzt lauf schon", überrascht Jace mich und gibt mir einen leichten Stoß.

"Was?"
Er gibt meine Hand frei.
"Ich sehe doch, dass du laufen willst, jetzt mach. Ich bleibe hier stehen und gucke dir zu."
Ein sehnsüchtiges Schmunzeln hebt seine Mundpartie.
Worte kommen mir überflüssig vor, als werfe ich ihm noch einen schnellen Blick zu und sprinte dann kreischend los, bis die kühle Gischt meine Waden umspült.

Jace hinter mir jubelt und ich winke ihm mit zurückgelegtem Kopf zu.
Es ist so, wie ich es mir vorgestellt habe, nur drei Monate später.
Die Sonne knallt auf meinen Kopf, die Möwen klauen unachtsamen Menschen, die im Sand liegen, ihre Hotdogs und Waffeln.
Kinder schreien und bauen Burgen. Und die Liebe meines Lebens steht am Strand zwischen all den bunten Handtüchern und Sonnenhüten und hat nur Augen für mich, das Mädchen, das sich lachend im Kreis dreht und dabei den Saum ihrer Shorts nass macht.

"Ich habe den perfekten Platz gefunden", ruft Jace mit ausgebreiteten Arm, als ich in Hörweite komme.
"Das sehe ich", antworte ich laut, die Hände zu einem Trichter vor meinem Mund geformt.
Er hat unser Handtuch nicht unweit vom der Stelle ausgebreitet, wo der Strand beginnt zur Wasserseite leicht abzufallen.

Unsere Bücher und eine Box mit Weintrauben stehen bereits darauf.
"Meine Mutter hat immer gesagt, man muss nicht viel Geld auf der Bank haben, um sich einen besonderen Tag zu machen", schmunzelt Jace weise und schiebt sich eine grüne Traube zwischen die Lippen.

"Jetzt weiß ich auch endlich, wo du deine Glückskekssprüche herhast", grinse ich verträumt und kneife die Augen zusammen.
Trotz Sonnenbrille ist das Licht beinahe unerträglich hell.
"Ich hoffe, dass dir das hier zu einem vollkommenen Tag, wie du ihn dir gewünscht hast, ausreicht."

Nie hätte ich mehr verlangen können.
"Ich meine ... strenggenommen, hast du all das hier bezahlt."
Er breitet seine Hände über unserem Proviant aus.
"Hör auf, du Spinner", fahre ich ihm über den Mund und lege mich neben ihn auf den Bauch.

"Ich bin hier mit dir." Ich blicke über den Rand meiner Sonnenbrille und versenke meine Augen in einem tiefen Grün. "Das ist mehr, als ich mir je hätte wünschen können."
Meine Worte lassen ihn zwar verstummen, aber ich weiß, dass da in seinem Hinterkopf immer noch die Zweifel existieren, die ihn daran erinnern, dass ich alles hätte haben können.
Nur ist dieses 'alles' unbedeutend und leer.

Hinter uns, am weit entfernt liegenden Anfang des Strandes, stehen hohe Bäume, in denen sich der Septemberwind fängt.
Ich kann mich nicht auf mein Buch konzentrieren, dass Jace mir vor ein paar Tagen aus Jennifers Sammlung empfohlen hat. Mein Blick gleitet immer wieder nach oben, von den geschriebenen Zeilen zum dunkeln Meer, dessen glitzernde Oberfläche stellenweise an flüssiges Silber erinnert.

Am Horizont setzt sich ein roter Leuchtturm, wie ein kleiner Strich, vom unendlichen Himmel ab.
Jaces Hand streicht gedankenverloren über meinen Rücken. Nachdem ich mein Top ausgezogen habe und nur noch im Bikinioberteil daliege, lässt er Sand durch seinen Fingern auf meine Wirbelsäule rieseln.

"Liest du gar nicht?", frage ich ihn über meine Schulter.
Ein Grinsen ist die einzige Antwort, die ich für eine Weile erhalte.
"Nein. Das hier mache ich lieber."
Ich zwinge mich, meinen Blick von ihm abzuwenden. Er liegt neben mir auf der Seite. Sein Gesicht nicht zum Meer, sondern zu mir gerichtet und seine Finger ziehen zerfahrene Muster in den Sand auf meinem Rücken.

Ich schaffe gerade einmal ein Kapitel, dessen Inhalt ich nicht richtig erfassen kann, weil Jace mit dem Kopf auf meinem Rücken eindöst ist.
Ich liege einfach da, die Ellenbogen in den Sand gebohrt und spüre wie ein ruhiger Atem die Sandkörner von meiner Haut weht.

Wir essen das mitgebrachte Obst und die Sandwiches, die Jace gemacht hat.
Dann liest Jace mir vor.
Meine Füße baumeln im Himmel, seine schieben den Sand vor unserem Handtuch hin und her.
Meine Finger sind dabei im Kragen seines T-Shirts verschwunden und fahren über den Kompass, der sich unter seiner Haut befindet. Ich finde ihn, ohne hinsehen zu müssen. Wie jedes seiner Tattoos.

Nach dutzenden Seiten und Sätzen, die ich nicht gehört habe - ich habe einzig und allein die Stimme gehört, die sie vorlas -, schlägt Jace das abgewetzte Buch zu und blickt mich über den Rand seiner Sonnenbrille hinweg an.
"Wollen wir reinspringen?"
"Soll das eine Frage sein?"

Ich richte mich blitzschnell auf und öffne den Verschluss meiner Hose.
Sie landet im heißen Sand und schon stehe ich vor Jace.
"Ich glaube, ich will gar keine Berge mehr besteigen", sagt der Braunhaarig nachdenklich, verschränkt seine Hände vor den angezogenen Knien und blickt sich um. "Der Strand ist eigentlich auch ganz schön."

"Im Wasser ist es sogar noch schöner!"
Ich wippe vor und zurück, dränge Jace mit Blicken, sich zu beeilen.
"Ich will dir zuschauen."
Ich verstehe. Er will zuschauen, wie ich runter ans Wasser renne.

Also tue ich ihm den Gefallen, spritze ihm Meereswasser entgegen, als er über den trockenen und schließlich den nassen Sand auf mich zu kommt.
Seine Bauchmuskeln bewegen sich mit jedem Schritt und er bemerkt meinen langen Blick, der auf den Bund seiner Badehose gerichtet ist.

Ich verweile nicht an seinen Rippen oder den dünnen Oberschenkeln.
Alles, was ich heute sehe, ist ein braunes Gesicht und Sommersprossen, die nur ich auf der Nase dieses Gesichts ausmachen kann, weil nur ich diesem Mann so nahekomme.
"Hallo, schöne Frau", raunt Jace.

Das Wasser geht ihm bis zum Bauch. Ich tauche unter, bis zum Kinn, und blicke zu ihm hoch.
"Wollen wir schwimmen?", stelle ich die Frage, die ich mich kaum traue auszusprechen.
Schwimmen ist kräftezehrend.
"Es wird mir ein Vergnügen sein, dich abzuhängen", lautet seine verschmitzte Antwort.

Mein Mund klappt in gespielter Empörung auf, da stürzt er sich schon in die Fluten und schwimmt an mir vorbei.
"Warte!"
Ein gluckerndes Lachen dringt an meine Ohren, als ich zu schwimmen beginne.

Jace legt sich wirklich ins Zeug, ich kann ihn beim besten Willen nicht einholen. Draußen auf Höhe einer Boje wartet er auf mich.
Seine langen Arme ziehen gleichmäßig durchs Wasser, hinterlassen dabei kaum einen Wirbel auf der Oberfläche. Durch den Wind ist das Rasseln seiner Lungen fast nicht zuhören.

"Da bist du ja endlich. Ich habe schon überlegt mit dem Angeln anzufangen", scherzt er.
Ich wünschte, ich könnte seine Augen hier draußen sehen, seine Tiefsee im Atlantischen Ozean.
Ich schlinge meine Beine um seine Taille, halte mich an ihm fest und schiebe die Sonnenbrille in seine Locken.

"Was machst du?", will er wissen und hält mich mit einem starken Griff an seinem Körper. Keine Welle könnte uns voneinander trennen.
"Nichts", flüstere ich und betrachte fasziniert die facettenreichen Grüntöne, die mir präsentiert werden.

Eine nasse Hand taucht neben meinem Kopf auf und zieht auch meine Brille von meiner Nase.
"Deine Augen sehen hier so anders aus", sagt er leise.
Seine Stimme mischt sich mit dem Wind.
"Deine auch", flüstere ich zurück.

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Song: Simple Things - Ziggy Alberts

hello <3

who agrees with me that the beach is the most beautiful place on earth?

Ist es euch beim Lesen eigentlich so vorgekommen, als ob der Strand leer ist oder war er in euerm Kopf gut besucht?

Ich hätte jetzt eigentlich Herbstferien, eigentlich. Aber ich bin mit dem Lehrplan nicht fertig und ja.... Überstunden sind angesagt. Aber heute Abend werde ich wieder schreiben ;P

All my Love,
Lisa xoxo

almost Hate [ᴬ ᴸᵒᵛᵉˢᵗᵒʳʸ]✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt