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Die Blätter der Bäume verlieren ihr sattes Grün. Sie nehmen ein Gelbgrün an, zieren vereinzelt den Rasen des Gunflint Trail Parks und segeln vor unseren Nasen langsam zu Boden, wenn Jace und ich unter der Eiche sitzen und uns Geschichten erzählen.
Jess kommt nach Hause. Braun gebrannt und mit jeder Menge Geschenken im Gepäck.

Sie hat mir Muschelketten gekauft und einen neonfarbenen Bikini, den ich wahrscheinlich nie tragen werde.
Ich habe mich mit ihr getroffen und über Jace geredet. Wir haben auf ihrem Balkon gesessen, während ich ihr von Jace, dem Krebs und unserer neu gefundenen Routine berichtete.

Diese besteht darin, dass wir mindestens einmal in der Woche zu seiner Mutter fahren.
Mittlerweile habe ich auch seine Schwester kennengelernt.
Isabell ist anders, als auf den Bildern. Dort wirkte sie so keck und kühn.
Jetzt wirkt sie streng und verhalten, sortiert und pragmatisch.

Jess kann nicht verstehen, warum Jace die Dinge tut, die er tut.
Beinahe schrie sie vom Balkon in die Welt hinaus, wie verblendet sie ihn findet.
Ich habe geweint, als ich an diesem Tag reinen Tisch mit ihr gemacht habe. Sie hat mich festgehalten und gesagt, dass alles wieder gut werden wird, aber wir beide wussten, dass sie dies nur sagte, um die Stille zu füllen und um mich zu beruhigen.

Es geht mir nicht aus dem Sinn, wie sie ihre Hand über meinen Kopf gelegt hat, wie sie mich so mütterlich an ihre Brust gezogen und über mein Haar gestrichen hat.
Jess war der erste Mensch, dem ich von Jace erzählt habe, wirklich erzählt habe.
Ich frage mich, ob ich mich jetzt besser fühle. Ich weiß es nicht, ich kann es nicht sagen.
Ich weiß nur, dass mich seitdem fast jeden Morgen eine Nachricht erwartet, in der gefragt wird, wie es mir geht. Wie es Jace geht.

Die Morgende werden dunkler, die Luft, die durch die gekippten Fenster hereinströmt frischer.
Jace wacht immer früher auf, trinkt zwei Gläser Wasser, um den Schleim aus seinem Hals zu lösen.
Bevor wir gemeinsam frühstücken können, vergeht einiges an Zeit und ich mache mir bereits jetzt Gedanken, wie es weiter gehen soll, wenn ich nicht mehr neben ihm sitzen und ihm über den Rücken streichen kann, weil ich zur Uni muss.

"Ich fahre heute zum Einkaufen", sagt er an diesem Nachmittag und schlingt die Arme von hinten um mich, zieht meinen Körper zu seinem und verteilt kleine Küsse auf meinem Nacken.
Seitdem er uns immer zu seiner Mutter fährt, habe ich ihm den Mini auch immer öfter innerhalb Fitchburgs überlassen.

Margret und Isabell wissen bis heute noch nichts von seiner Diagnose und mit jedem weiteren Tag, der zwischen meinen Fingern zerrinnt, bereue ich es mehr und mehr, ihn dazu gedrängt zu haben, wieder Kontakt mit ihnen aufzunehmen. Wir spielen ein einziges, großes, grausames Theaterstück.
Margret glaubt, ihren Sohn zurück in ihrem Leben zu haben.
Isabell hat ihren kleinen Bruder wieder.

Und ich sitze daneben, wie ein Eindringling, ein Verräter, der mehr weiß, als die beiden zusammen und der ihnen mit einem Lächeln auf den Lippen ins Gesicht lügt.
Mittlerweile habe ich den Kurs geändert und versuche Jace klarzumachen, dass er ehrlich sein muss. Doch er will es nicht hören und eigentlich will ich diese Worte auch gar nicht aussprechen.
Ich möchte, dass alles schön ist, träume insgeheim von dieser heilen Welt.

Immer, wenn wir bei Margret sind und Isabell ebenfalls vorbeikommt, setze ich mich gelegentlich mit Jasper auf den Baumstamm, der etwas weiter entfernt von der Sitzecke, als Bank dient.
Mit der warmen Sonne im Rücken beobachte ich dann die wieder vereinte Familie und nippe an meinem Getränk - was auch immer Maggy an diesem Tag serviert.

Isabell lacht nicht so oft wie Jace. Dafür schüttelt sie öfter den Kopf und ertränkt ihre Kommentare in einer blauen Tasse.
Sie arbeitet als Optikerin und hat eine Wohnung in der Innenstadt. Als ich versucht habe, sie ein bisschen über den Beruf auszufragen, hat sie ihn als uninteressant abgestempelt.
Sie weiß, wer ich bin, sie hat meinen Nachnamen sofort dem Paul Edward Rosethorn zuordnen können.

Ich habe das Gefühl, dass sie mehr aus sich herauskommt, wenn ich mich zurückziehe.
Jace hat dies zwar bereits bedauert, aber ich halte es für besser. Es ist seine Familie. Und für Isabell bin ich eine Fremde - eine reiche Fremde -, die nicht ins Bild passt und erst einmal lieber aus der Ferne beäugt wird.
Und ich beäuge sie auch lieber aus der Ferne.

Ich habe das Gefühl, mehr über sie und die Dynamik der Brightons zu erfahren, wenn ich mich im Hintergrund aufhalte und stumm neben dem schwarz-weißen Kater in der Sonne sitze.
Jace schaut ständig zu mir rüber, lässt alles um uns herum für einen Moment verschwinden, wenn unsere Blicke verschmelzen, aber es ist gut, dass er auch mal andere Menschen um sich herum hat und nicht ständig nur mich.

Manchmal setzt sich Margret zu mir und krault Jasper mit ihren lila lackierten Nägeln unter dem Kinn.
Er liegt meistens zwischen uns und verbindet uns.
"Sieh sie dir an", sagt sie manchmal vor sich hin und blickt zu ihren beiden Kinder.

Isabells glatte Haare wehen immer im Wind, als würde vor ihr jemand mit einem Ventilator knien und sie perfekt in Szene setzen wollen.
"Früher konnten sie nie so zusammensitzen und reden, weißt du?", hat sie eines Tages gesagt. "Einer von beiden musste immer einen Kommentar abgeben, der den anderen zur Weißglut brachte. Nur an den Sonntagen ... da war es so wie jetzt."

Die heiligen Sonntage, an denen die drei etwas zusammen unternommen haben, in die Natur gegangen sind.
"Jetzt komme ich mir so vor, als wäre mehrmals in der Woche Sonntag", lachte sie und warf mir einen Blick zu, der schon fast beschämt wirkte.
Ich mag es, wenn Margret sich ab und an zu mir setzt und wir Jace und Isabell gemeinsam beobachten.

Diese Stunden halten mir immer wieder vor Augen, dass es auch noch andere Menschen außer dem blonden Mädchen gibt, das von Zuhause weggelaufen ist und seitdem versucht, dieses sogenannte Zuhause aus ihren Gedanken zu löschen.
Und diese anderen Menschen tun Jace gut.
Wir reden in der Wohnung, wenn es nur noch uns zwei gibt, über ganz neue Themen.

Ich erfahre mehr über Jace, den Teenager, der mit Konzentrationsschwierigkeiten zum Vertrauenslehrer bestellt wurde, weil er immer aus dem Fenster zu den Wiesen hinter der Straße starrte, weil er von einer anderen Welt träumte, einer Welt, in der er das College bereits hinter sich hatte und diese Welt bereisen und auf Berge klettern konnte.

Meine Arme, Beine, mein Nacken und Dekolleté werden brauner von all der Zeit draußen, die Jace und ich sonst nicht hatten.
Bei seiner Mutter im Garten kann er auf einem Stuhl sitzen, sich ausruhen und dennoch draußen sein. Etwas, dass in Fitchburg leider nicht in diesem Maße möglich ist.

Wir genießen den Sommer.
Ich glaube, wir genießen ihn wirklich.

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Song: Hero - Family of the Year

Dieses Kapitel ist nur so geworden, weil ich nebenbei klassische Musik gehört habe. Ihr wisst schon, diese "Dark Academia"-Playlists. :)

Mögt ihr diese Art von Schreiben?

Ich habe eben einen Corona-Test gemacht (das Ergebnis ist positiv, denn es ist negativ *badabum*) und jetzt muss ich so niesen von diesem Stäbchen nh, nicht mehr feierlich.

NÄCHSTES KAPI ERST AM DONNERSTAG!!! <3

All my Love,
Lisa xoxo

almost Hate [ᴬ ᴸᵒᵛᵉˢᵗᵒʳʸ]✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt