35.

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Jace und ich laufen immer weiter, bis die Reihenhäuser sich in leerstehende Gebäude und verwilderte Gärten verwandeln.
Als Kinder sind Ben und ich mit Amy hierhergekommen, einer Nanny, die nach dieser Aktion gefeuert wurde.

Ich bin zu klein gewesen, um mich jetzt an die Details des Streitgesprächs zwischen meinem Vater und Amy erinnern zu können. Ich weiß nur, dass er nicht wollte, dass seine Kinder sehen, wo ihre Nanny aufgewachsen ist.
In all den Jahren hat sich die Gegend verändert. Sie ist heruntergekommen, die Wege nicht gepflegt.

Aber dennoch blühen Narzissen und Tulpen auf den Grünstreifen und die abgesplitterten Bänke, die wir passieren, sehen dennoch gemütlich aus.
Jace folgt meinem Blick zu einem überquellenden Mülleimer.
"Nicht ganz das, was du so gewöhnt bis, oder?", fragt er.

"Manchmal habe ich das Gefühlt, du hältst mich für eine verzogene Göre!"
Ich verdrehe die Augen, als er sich grinsend wegdreht und mit den Schultern zuckt.
"Es ist anders, als das, was ich gewöhnt bin. Was nicht heißt, dass ich angeekelt bin, wenn du darauf hinauswillst."

Prüfend sehe ich ihn an.
Jace sagt nichts, wartet, dass ich weiterspreche. Er weiß, dass ich noch nicht fertig bin.
"Bei uns ist alles so sauber und steril. Selbst die Blumen haben ihren zugewiesenen Platz ... Hier mag es dreckig sein, aber hier ist das Leben."

Ich betrachte die weißen Wolken, die über den Himmel ziehen, sich alle paar Minuten vor die Sonne schieben.
"Verwechsle Leben nicht mit überleben."
Ich betrachte weiterhin die Wolken, spüre Jaces Augen auf mir.
Dieses Mal werde ich mich nicht für meine Worte entschuldigen.

Trotz dem Schattenspiel der Sonne ist es an diesem Samstag warm und als Jace mich dazu anhält einen kleinen Abhang hinunterzuschlittern, komme ich direkt ins Schwitzen.
Der kleine Abhang ist mit hohem Gras und Unkraut überwuchert und führt seitlich an einer Autobrücke herunter.

"Schläfst du immer hier?", frage ich, kurz nach einem Aufschrei, weil meine Turnschuhe keinen Halt gefunden haben.
"Nein, ich bleibe nie lange an einem Ort. Ist sicherer."
Ich bemerke, wie wortkarg er wird, wenn es um seine Obdachlosigkeit geht.

Jace steht unten auf einem schmalen Trampelpfad und beobachtet mich beim Abstiegt.
Mit einem Mal überkommt mich das Bedürfnis ihn zu umarmen, zu halten und erst wieder loszulassen, wenn ich weiß, dass er nicht mehr unter einer Brücke schlafen muss.
Die letzte Strecke, die ich überwinden muss, ist steiler, als ich vermute und ich renne mit zu viel Schwung auf Jace zu.

Diese fängt mich mit ausgestreckten Armen ab.
Ich spüre seine angespannten Muskeln unter seiner Jacke, platziere meine Hände absichtlich über seinen Oberarmen.
So nah waren wir uns noch nie.

Zu seinem herben Geruch mischt sich allerdings eine Note Schweiß. Doch das stört mich kaum.
Ich treibe in seinen grünen Augen dahin und halte mich an ihm fest, denke gar nicht daran, meine Füße wieder richtig auf den Boden zu stellen.
Jedenfalls nicht, bis Jace mich sanft an den Schultern nach unten drückt und mich loslässt.

Meine Hände verweilen eine Weile zu lang auf seinen Armen, bevor ich sie wieder zurückziehe.
"Sorry", sage ich, meine Augen immer noch nach oben zu seinen gerichtet.
Jace räuspert sich und macht einen Schritt nach hinten.
"Ich hätte dich gar nicht hierher mitnehmen sollen. Jedenfalls nicht in diesen Schuhen."

Er wirft meinen weißen Sneakern einen beinahe verächtlichen Blick zu.
"Das sind nur Schuhe", sagt ich und beiße mir im nächsten Moment auf die Zunge.
Für jemanden, der wahrscheinlich nur ein einziges Paar besitzt, war das gerade nicht die beste Antwort.
Ich senke schuldig den Kopf.

Die Stille zwischen uns ist plötzlich nicht mehr so gut zu ertragen. Ich fühle ihn über mich urteilen und habe das Gefühl, einen falschen Eindruck nach dem anderen zu hinterlassen.
Wir waren doch schon so viel weiter.
Als ich wieder aufschaue, bemerke ich, dass Jace gen Himmel blickt.

almost Hate [ᴬ ᴸᵒᵛᵉˢᵗᵒʳʸ]✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt