40.

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Der kleine Badezimmer-Mülleimer quillt über, als ich Jace vollständig verarztet habe.
"Ich glaube, morgen muss ich einen neuen Verbandskasten kaufen gehen."
Ich versuche witzig zu klingen, doch durch meine zugeschnürte Kehle klingt meine Stimme gequält und müde.

Jaces raues Auflachen wird sogleich von einem Husten erstickt.
Er hält sich die Rippen.
"Was ist mit deinem Bauch?", frage ich, als ich die Desinfektionsflasche verschließe.
Jace reagiert nicht, also greife ich nach seinem Shirt.

Er versucht mich abzuschütteln, aber nach einem strengen Blick lässt er mich gewähren.
Das Bild vor meinen Augen ist alles andere als erfreulich.
An seinen unteren Rippen zeichnen sich grüne und rote Flecken ab. Ich beobachte seinen straffen Bauch dabei, wie er sich leicht hebt und senkt.
An der Haut über seinem rechten Hüftknochen wabern blaue Schatten, die sich an einigen Stellen bereits in ein Schwarz-Lila verwandeln.

"Hast du diese Männer betrogen?", frage ich und spreche damit die üblen Gestalten an, die ihm das hier angetan haben.
Meine Frage hängt zwischen uns wie giftige Nebelschwaden.
Ich schlage die Augen nieder, als er mich anstarrt.
Sein rechtes Auge dabei so gut wie zugeschwollen.

"Einmal ein Dieb, immer ein Dieb, was?"
"Nein." Abwehrend hebe ich die Hände. "So habe ich das nicht gemeint. Es ... Es sieht nur so aus, als ob du sie wirklich verärgert hast. Man schlägt nicht einfach so jemanden zusammen, nicht auf diese brutale Weise."

Jace atmet verächtlich aus.
"Du hast doch keine Ahnung vom Leben auf der Straße. Nur weil ich dich einmal mit unter eine Brücke genommen habe, heißt das nicht, dass du alles gesehen und alles verstanden hast."
Aus großen Augen flehe ich ihn stumm an, nicht so laut zu sein.

"Es war dumm hierher zukommen."
Jace macht Anstalten sich zu erheben.
Bestimmt drücke ich ihn an den Schultern zurück auf den Klodeckel.
"Dann zeig es mir, erklär mir alles", sage ich trotzig.

Wieder gibt er einen verächtlichen Laut von sich.
"Du würdest davonrennen, schneller, als du glaubst."
"Willst du wetten oder was?"
Ich funkle ihn an.

Jetzt, wo er mich unterschätzt, habe ich Blut geleckt und will mich beweisen.
Ich habe geglaubt, er wäre in der Lage mich besser einzuschätzen und zu verstehen.
"Ich schließe keine dummen Wetten ab", entgegnet er nur.
"Schön."
Ich strecke das Kinn vor, weiß nicht, was ich sonst erwidern soll.

Ich reiche ihm den Eisbeutel.
An seiner Schläfe klebt jetzt ein weißes Pflaster.
Ich denke nicht daran, zurückzuweichen, als er mich weiterhin erbarmungslos anstarrt.
Das Grün seiner Augen wirkt so viel dunkler. Er wirkt so verändert.

Ich will ihm helfen und er rebelliert.
"Willst du duschen?"
Ich erschrecke vor mir selbst, nachdem ich diese Frage gestellt habe.
Jace antwortet nicht, er schaut mich nur an, wandert mit seinem Blick über meine Gesichtszüge.

Über die roten Wangen, die leicht zusammengezogenen Augenbrauen, die angespannte Mundpartie und meine Nasenspitze.
All das ist heil und unversehrt im Gegensatz zu seinem Erscheinungsbild.
Ich strecke meine Hand aus, lasse meinen Finger über seinen Haaransatz wandern.

Sein Gesicht zuckt, als ich in die Nähe der aufgeplatzten Augenbraue komme.
Er schaut nicht weg, als ich über seinen demolierten Wangenknochen fahre, hinter zu seiner aufgeplatzten Lippe.
"Wenn ich darf", raunt er.

Ich falle aus meiner Trance und versuche seine Worte in einen Zusammenhang zu setzten.
Die Dusche. Ja.
"Du musst in den ersten Stock. Schaffst du das?"
Er nickt. Sein Mundwinkel hebt sich leicht.

"Aber -"
"Leise, ich weiß", unterbricht er mich.
Ich lasse meine Schultern fallen und ziehe meine Hand zurück.
Zweifelnd sehe ich Jace beim Aufstehen zu. Er stützt sich an den Fliesen ab, atmet tief aus.

almost Hate [ᴬ ᴸᵒᵛᵉˢᵗᵒʳʸ]✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt