3. Kapitel

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Satoru:

Okura lehnte mit der Stirn am Fenster und zog ihre Decke enger um sich.
"Du weißt, was Fluchkerne sind?", fragte Satoru.
"Ganz offensichtlich", erwiderte sie.
"Und deine Fluchtechnik?" Sie gähnte.
"Ich kann durch Schatten tauchen", antwortete sie schläfrig. Er rüttelte an ihrer Schulter.
"Ich muss", murmelte sie, "Den Schatten berühren. Oder der Schatten muss meinen Schatten berühren. Außerdem muss er groß genug sein, damit ich hindurch passe" Yuji kratzte sich am Hinterkopf.
"Weshalb konnte ich die Tür dann nicht schließen, als wir die Soldaten raus teleportiert haben?"
"Weil es dann komplett dunkel gewesen wäre", erwiderte sie.
"Verstehe", Satoru tippte sich an die Lippen, "Weil du die Dunkelheit nicht beherrschen kannst, du hast nur Kontrolle über Schatten. Und Schatten verlangen nunmal nach einem Gewissen Lichteinstrahl" sie nickte. Er grinste erfreut. Yuji runzelte neben ihm die Stirn.
"Wie hast du gewusst, dass es nur drei Zivilisten gab?", fragte er.
"Ich habe ihre Schatten aufgespürt", erwiderte Okura.
"Du hast", hakte er nach, "Ihre Schatten aufgespürt?" Sie zuckte die Achseln und zog die Knie an die Brust.
"Ich spüre die Schatten, so wie anderen sehen, hören und riechen können", erwiderte sie, "Keine Große Sache. Menschen aufzuspüren ist normalerweise ziemlich leicht. Ich wusste nur nicht, dass der eine im Fluchgeist steckte" Das hörte sich ja beinahe frustriert an. Er tippte sich erneut an die Lippen.
Okura gähnte und schloss die Lider.
"Hey, nicht einschlafen", er rüttelte wieder an ihrer Schulter.
"Vielleicht sollten wir der jungen Dame eine Pause gönnen", schlug Ijichi vor.
"Noch nicht, schließlich kommen wir jetzt zu dem interessanten Teil", er konzentrierte sich auf ihre violett glimmende Fluchaura, beugte sich vor und legte die Fingerspitzen aneinander"Wie hast du dich teleportiert, nachdem deine Fluchkraft aufgebraucht war?"
"Was meinst du?", fragte sie schläfrig.
"Wie, was meine ich?", fragte er.
"Wenn meine Fluchkraft aufgebraucht wäre, könnte ich ja wohl nicht mehr mit dir sprechen", erwiderte sie.
"Nun, deine Fluchaura hat die Farbe gewechselt", erwiderte er. Durch seine Augenbinde sah er nicht, wie sie kurz schluckte.
"Solange mein Körper noch Energie hat", sagte sie, "Besitze ich ebenfalls Energie. Dann ist es eben nicht die Fluchkraft, die mir von Geburt an innewohnt, sondern Kraft, die aus meinem Körper kommt"
"Lebenskraft?!", fragte Yuji perplex.
"Zum Beispiel", antwortete sie, "Oder Nahrung. Fettreserven"
Interessant.
"Also wandelst du Kraft aus deinem Körper zu Fluchkraft um?", Satoru tippte sich gespannt an die Lippen.
"Was meinst du mit Fluchkraft?" Satoru blinzelte.
"Na die Kraft, die du benutzt, um dich zu teleportieren!" Er stieß ihr mit dem Finger gegen die Stirn.
"Es ist nicht so, als wäre Fluchkraft von mir getrennt oder so etwas" Okura betrachtete ihre bandagierten Finger, "Es ist die Kraft, die diesem Körper gegeben wurde. Das kann sich in meiner Fluchaura äußern oder einfach in Körperstärke. Ich wusste nicht, dass das so eine große Sache ist" Satoru öffnete den Mund und schloss ihn wieder.
"Seit wann weißt du vom Jujutsu?", fragte er. Sie zuckte die Achseln.
"Seit Yuki mich gefunden hat", erwiderte sie und überlegte, "Also seit einem halben Jahr"
"Also hast du deine Kräfte seit einem halben Jahr?", fragte er skeptisch.
"Nein", erwiderte sie, "Fluchgeister habe ich schon immer gesehen. Meine Kräfte haben sich mit den Jahren entwickelt"
"Und du hast das nie in Frage gestellt?!", fragte er, "Das du besonders bist?" Sie seufzte.
"Ich bin über einen Punkt gekommen, an dem ich akzeptiert habe, dass ich anders bin", antwortete sie, "Ich habe es nie als etwas besonderes gesehen. Es hat mich nur anders gemacht"
"Und dann hast du was gemacht?", fragte er. Sie zuckte wieder die Achseln.
"Ich habe mein Leben gelebt", erwiderte sie. Satoru starrte sie an.
"Du bist in dem Glauben aufgewachsen, die einzige zu sein, die in der Lage ist, dass zu tun, was du kannst und du hast einfach so getan, als wäre nichts?", fragte er fassungslos.
"Ich habe 23 Jahre lang mit den Visionen von Fluchgeistern leben müssen", erwiderte sie und ihre Stimme nahm einen scharfen Ton an, "Ich habe mein halbes Leben auf Antipsychotika verbracht, weil mir ständig gesagt wurde, dass ich verrückt bin. Also ja, ich habe irgendwann akzeptiert, dass ich anders bin. Was hätte ich auch groß bewirken können, wenn ich beschlossen hätte, es groß rauszuposaunen? Ich wäre in der Nervenheilanstalt gelandet" Sie schwiegen. Yuji wandte den Blick ab. Ijichi blickte starr auf die Straße vor ihnen.
"Warum bist du dann hier?", fragte er, "Wenn du glaubst, sowieso nichts erreichen zu können?" Sie stieß scharf die Luft aus.
"Sensei", murmelte Yuji.
"Nun vor einem halben Jahr habe ich Yuki kennengelernt", erwiderte sie, "Und sie sagte zu mir, dass ich mich nicht verstellen muss. Dass ich auf meine Kräfte stolz sein kann. Ist das nicht der Ort, an den man geht, wenn man Fluchkraft besitzt?"
"Hmm" Satoru lehnte sich zurück und ein Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus.
"Gratulation, du hast den Test bestanden", sagte er, kramte einen Schokoriegel aus seiner Tasche und hielt ihn ihr hin. Sie machte keinerlei Anstalten, den Riegel zu nehmen und er ließ ihn in ihren Schoß fallen. Satoru verschränkte die Hände hinterm Hinterkopf und stieß grinsend die Luft aus.
"Normalerweise macht Yaga dass", sagte er, "Hatte ganz vergessen, wie anstrengend dass ist, aber ich finde, ich habe das trotzdem sehr gut gemeistert" Keiner antwortete ihm. Er zog eine Schnute. Okura schlang die Arme um ihre Knie und lehnte die Stirn an die Fensterscheibe. Auch den Rest der Fahrt über schwiegen sie.

Yuji stieg gähnend aus dem Auto aus, als der Wagen hielt.
"Junge Dame", Ijichi berührte sanft Okuras Schulter. Sie schreckte hoch und streckte sich.
"Entschuldigung", murmelte sie und fuhr sich durch die Haare, "Ich bin wohl eingeschlafen" Satoru beobachtete ihre Fluchaura interessiert. Sie war nicht mehr dunkelviolett, wie Blutergüsse, stattdessen hatte sich die Farbe zu einem Veilchenblau verändert. Okura gab Ijichi die Decke zurück.
"Dankeschön", sagte sie schläfrig und stieg aus dem Auto aus. Satoru ließ sie nicht aus den Augen. Oder besser gesagt, ihre Fluchaura.
Okura stützte sich am Auto ab. Dann straffte sie die Schultern. Langsam folgte sie Yuji in das Gebäude.
Er bemerkte nicht mehr, wie heftig ihre Hände zitterten. Stattdessen nahm er sich vor, ihre Familiengeschichte zu recherchieren.

Asuna:

Asuna ließ sich ins Bett fallen und zog die Knie an die Brust. Sie versuchte vergeblich, ihre Tränen zurückzudrängen und vergrub das Gesicht im Kissen, während sie mit der Hand ihr Medaillon umklammerte.
Das war extrem knapp gewesen.
Asuna hatte gar nicht gemerkt, dass sie auf die Energie zurückgegriffen hatte, die in ihrem Medaillon gespeichert war.
Sie war so ein dummes, dummes Ding!
Zitternd stieß sie die Luft aus. Er hatte nichts gemerkt und darauf kam es doch schließlich an oder?
Das Problem war, dass sie selbst nicht wusste, inwiefern Gojos sechster Blick wirkte. Sie wusste nicht, in wie weit er Lügen erkannte oder ob er sie generell schon enttarnt hatte, als er sie gesehen hatte.
Atmen!
Die Panik schnürrte ihr die Kehle zu.
Wüsste Satoru Gojo wer sie eigentlich war, wäre sie bereits tot. Der Gedanke war verstörenderweise beruhigend.
Technisch gesehen hatte Asuna nicht gelogen. Schließlich konnte man ihr Medaillon als Teil ihres Körpers betrachten und die darin gespeicherten Fluchkraft war nur ihr zugänglich.
Den wichtigeren Teil hatte sie dabei allerdings ausgelassen.
Sie stieß zitternd die Luft aus und schloss die Augen.
Und auch wenn ihr Körper restlos nach Ruhe verlangte, konnte sie lange nicht einschlafen.

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