42. Kapitel

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Asuna:

Asuna stand neben Misaki in der Küche und rührte in dem Babybrei für Aiko, während sie ihre Tochter in den Armen hielt und sanft hin und her wiegte.
Zwei Wochen waren vergangen, seitdem Asuna wieder in der Gasse aufgewacht war, eine, seitdem man Aiko wieder aus dem Krankenhaus entlassen hatte, doch kein einziger Tag, ohne dass Misaki bei der Polizei anrief um sich nach Shinya zu erkundigen. Offiziell war er verschwunden, Asuna allerdings wusste, dass er nie mehr zurückkehren würde.
Und wenn sie ehrlich war, dann glaubte sie, dass Misaki es auch wusste, ohne es sich eingestehen zu wollen. Sie hatte beschlossen, noch bis zum Ende der Saison diesen Monat hier in Tokyo zu bleiben und danach nach Hokaido zu ziehen. Sie hatte bereits eine Wohnung in einem kleinen beschaulichen Dorf gefunden. Vielleicht konnte sie an der Schule Musik unterrichten. Konzerte und Orchesterauftritte würden ja leider ausfallen müssen.
Bis dahin wollte sie Misaki und Aiko unterstützen. Ihre Freundin hatte sich nach ihrem Krankenhausaufenthalt in ihre Wohnung zurückgezogen, sodass Asuna für sie einkaufen gegangen war und manchmal bei ihr übernachtet hatte, um ihr eine Ruhepause zu gönnen.
Shinyas Vermögen stand Misaki zwar weiter zur Verfügung, womit sie sich ein Kindermädchen leisten konnte, doch ihre Freundin hatte panische Angst, jemand könne in ihre Wohnung einbrechen und Aiko töten.
Asuna konnte das nachvollziehen, wenn sie auch wusste, dass diejenigen, die Aiko möglicherweise umbringen wollten, nicht darauf angewiesen waren, sich als Tagesmutter auszugeben und so bestand ihre erste Tat nachdem Misaki und Aiko wieder Zuhause waren, darin, die Wohnung mit den gleichen Schutzzaubern zu umgeben, wie ihre eigene.
Das forderte natürlich seinen Tribut und so hatte sie seit Wochen Schwindelanfälle und Kreislaufversagen.
Sie sprachen nie über die Nacht, was geschehen war... wie Misaki Aiko gefunden hatte, blutend und verletzt. Als Mensch konnte sie Asuna in ihrer Fluchform zwar nicht wahrnehmen, doch die Schuld lautete schwer auf ihren Schultern.
Weil Misaki ihre Freundin war hatte man ihre Tochter verstümmelt und ihren Mann in ein Monster verwandelt, bis sie ihn hatte töten müssen.
Sie schuldete ihr alles, was sie geben konnte.
Die Dämmerung brach herein und Asuna nahm den Topf vom Herd, während Misaki Aiko neben sich ins Bett legte.
"Ich stell dir den Brei in den Kühlschrank", flüsterte Asuna, bedacht, das Baby nicht zu wecken. Misaki starrte Aiko an.
"Ich glaube", flüsterte sie erstickt, "Es ist alles meine Schuld" Asuna warf Misaki einen Blick zu. Sie wischte sich über die Augen.
"Tomoes Freunde müssen etwas in meine Getränke gemischt haben. Ich hab... Er hat gesagt, ich soll auf mich aufpassen. Und dann bin ich plötzlich irgendwo in Tokyo und Aiko liegt blutend in meinen Armen. Ich..." Misaki schluckte.
"Du hast nichts falsch gemacht", sagte Asuna.
"Doch", sie wischte sich über die Wangen, "Ich kann mich kaum an die Hälfte des Abends erinnern. Ich muss... Ich habe nichts genommen, das schwöre ich... aber da sind Lücken in meinem Kopf und wenn ich nur... wenn ich mich nur erinnern würde... dann wüsste ich vielleicht, was mit ihm passiert ist. Wo er ist"
"Misaki, beruhige dich" Asuna trat zu ihr ans Bett und setzte sich auf die Bettkante.
"Ich glaube, ich habe dich in der Nacht gesehen", sagte sie. Asuna erstarrte.
"Und doch wieder nicht... es warst du, aber du warst anders... ich, ich kann es nicht erklären"
"Ich" Asuna schluckte und griff Misakis Hand, "Ich finde diejenigen, die euch das angetan haben" Misaki nickte und zwang sich zu einem Lächeln.
"Es tut mir leid", flüsterte Asuna.
"Wofür denn?", fragte Misaki, "Du bist eine gute Freundin" Asuna dagegen konnte sie nicht ansehen.
Und als sie wenig später im Aufzug stand, atmete sie tief ein und aus.
Sie war keine gute Freundin. Sie war eine schreckliche Freundin

Die Straßenlaternen leuchteten, während sie mit ihrem Geigenkoffer und dem Regenschirm in der anderen Hand zum Bahnhof lief.
Regen tropfte von ihrem Schirm, und sie drängte sich durch die Menge, um endlich den Bahnhof zu erreichen.
Asuna wollte heim, eine heiße Dusche nehmen, Abend essen und Geige üben, bevor sie ins Bett ging.
Ihr war kalt, innerlich wie äußerlich und es nutzte nichts, dass sie ihren Mantel enger um sich zog, die Kälte hielt sie nach wie vor im Griff.
Endlich erreichte sie den Bahnhof und beeilte sich, die Treppe hoch durch die Passanten zu ihrem Gleis.
Verspätung um 20 Minuten.
Sie seufzte und lehnte sich gegen die Säule. Das Bahngleis war nicht überdacht, sodass Asuna ihren Regenschirm unter den Arm klemmte, während sie in ihrer Handtasche nach ihren Kopfhörern kramte, als plötzlich eine Hand ihren Ellbogen berührte.
Asuna erstarrte.
Sie wusste genau, wer hinter ihr stand, spürte seinen Schatten, spürte die Macht seiner Fluchaura.
In riesigen Menschenmengen konnte sie unmöglich auf alle Schatten gleichzeitig achten, doch dieser stand unmittelbar hinter ihr. Sie spürte, wie ihr Herz kurz aussetzte und dann doppelt so schnell schlug, als versuche es den verpassten Schlag aufzuholen.
"Hallo hübsche Fremde"

Unlimited VoidWo Geschichten leben. Entdecke jetzt