17. Kapitel

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Asuna:

Gojo kam spät am nächsten Tag. So spät, dass Asuna sich schon seufzend neben Yuji auf die Couch geschmissen und die Hälfte von Transformers durch hatte, bis er schließlich auftauchte.
"Bist du bereit?", fragte er. Kein Hallo. Kein Entschuldigung.
Asunas Mund zuckte kaum merklich. Gut, dass er eine Augenbinde trug.
"Schon seit einer Stunde", diese Spitze erlaubte sie sich, "Konnte dein Rollator nicht schneller, alter Mann?"
"Du fängst heute aber früh mit Provokation an", bemerkte er, doch seine Mundwinkel zuckten.
"Eigentlich fange ich spät an", erwiderte sie gedehnt, "Du bist nur nicht pünktlich"
"Hast du so sehnsüchtig auf mich gewartet?", fragte er und sein Grinsen wurde breiter.
"Natürlich", erwiderte sie gelassen, "Ich konnte deine Abwesenheit kaum ertragen" Yuji schaute zwischen ihnen beiden hin und her. Die Fluchpuppe gab ihm einen Kinnhaken. Er fluchte unflätig und unterbrach damit die Spannung zwischen ihnen.
Gojo lachte und hielt Asuna den Arm hin.
"Wollen wir?" Sie harkte sich unter.
"Was steht auf dem Programm?"
"Kampftraining", erwiderte er, "Wie immer"
"Wann kann ich auch endlich damit anfangen?", fragte Yuji hinter ihnen. Gojo wandte sich zu ihm um.
"Bald", sagte er, "Bis dahin musst du noch lernen, die Fluchpuppe zu kontrollieren." Und wie um seine Worte zu unterstreichen, verpasste die Puppe ihm einen erneuten Schlag. Gojo legte die Hand auf ihren Rücken und wollte sie zur Tür schieben.
Dann zog er die Hand fast ruckartig weg, als habe er sich verbrannt. Asuna schmunzelte in sich hinein.
Bald. Bald hatte sie es geschafft.
Sie stiegen die Treppe hinauf zu ihrem gewohnten Trainingsplatz.
Asuna fasste ihre Haare zu einem unordentlichen Knoten zusammen.
Sie begannen ihr Aufwärmprogramm, ein bisschen Ausdauer- und Krafttraining. Und vorallem viel dehnen.
Gojo war als erster fertig und wartete auf sie.
"Wie kann man eine Sphäre heraufbeschwören?", fragte sie, während sie ihre Beine dehnte.
"Dass muss jeder für sich selbst herausfinden", erwiderte er. Sie seufzte.
"Nun ja", versuchte er es nochmal, "Sphären sind im Grunde genommen so etwas wie Taschen im Mantel der Welt. So ähnlich wie wenn du einen Vorhang heraufbeschwörst. Nur bei einer Sphäre ist dieser Vorhang mit deiner eigenen Essenz gefüllt. In deiner Sphäre bist du unbesiegbar" Sie überlegte.
"Also dieses Informationsmeer", fragte sie, "Ist so ungefähr wie dein sechster Blick?" Er zuckte die Achseln.
"Vermutlich", antworte er, "Aber die Frage ist so, als würdest du einen Blinden fragen, wie es ist, nichts zu sehen" Asuna verengte die Augen.
"Die Antwort klingt ein wenig bitter"
"Vermutlich" Gojo grinste.
"Rein theoretisch", überlegte sie, "Wenn ich in deiner Sphäre wäre, und in diesem Informationsfluss gefangen wäre, wäre ich hinterher nicht schlauer?" Er musste lachen.
"Zuallererst wärst du für die nächsten Wochen paralysiert", erwiderte er, "Je nach Dauer sogar für Jahre"
"Und dann?", fragte sie.
"Das menschliche Gehirn ist darauf ausgelegt Informationen aufzunehmen und zu verarbeiten, soweit hast du schonmal recht", erklärte er, "Aber es ist nicht auf die Menge an Informationen ausgelegt, die ich mit meinem sechsten Blick empfange. Ein normales Gehirn nimmt im besten Fall Informationen aus fünf Sinneseindrücken auf, hören, sehen, fühlen, schmecken, du weißt schon. Dabei kommen die Reize einer nach dem anderen an. Bei meinem sechsten Blick kommen immer gleich zehntausend Informationen an. Dazu hat das Menschliche Gehirn nur eine begrenzte Kapazität. Wenn ich also eine neue Informationen speichere, muss eine alte dafür gehen." Er hob die Hände, "Um also auf deine ursprüngliche Frage zurückzukommen, du kannst die Kapazität deines Gehirns niemals überwinden. Du hättest vielleicht ein paar neue Informationen gesammelt, dafür aber alte verloren. Und dass könnte dich im schlimmsten Fall für immer verändern. Also immer gut festhalten" er grinste. Asuna kam auf die Füße und überlegte.
"Fühlt es sich so für dich an, mit dem sechsten Blick zu leben, Gojo?", sie sah, dass er sich bei der Nennung seines Namens kurz versteifte. Gut so.
"Ich trage das Ding ja nicht umsonst", erwiderte er. Asuna wandte sich ihm zu.
"Das meine ich nicht", sagte sie, "Musst du immer Informationen gegen Erinnerungen eintauchen?"
"Ehrlich gesagt bekomme ich ziemliche Kopfschmerzen, wenn ich meine Augenbinde für lange Zeit nicht trage", er kratzte sich am Hinterkopf. Bingo. Das war doch schon mal ein Anfang. Sie trat einen Schritt auf ihn zu, wie um ihn zu ermutigen.
"Und es ist mein Ding, Dinge zu wissen. Ich habe irgendwann mal Reversetechnik gelernt, also kann ich mein Gehirn heilen. Dinge rückgängig machen. Du weißt schon"
"Also weißt du alles?", fragte sie skeptisch.
"Nun, wie gesagt, die Zukunft sind mehrere Stränge, die zu verworren sind, um sie zu entknoten. Aber bei allem anderen weiß ich bescheid" er warf ihr einen seltsamen Blick zu.
"Und du", sagte er, "Du bist irgendwie taub. Oder wie ein blinder Fleck" Asuna blieb ruhig, auch wenn sie innerlich zusammen zuckte. Suguru hatte sie ja davor gewarnt.
"Was soll das heißen?", spielte sie die Ahnungslose.
"Bei dir funktioniert es nicht", sagte er, "Du bist irgendwie resistent gegen meinen sechsten Blick" sie konnte nicht sagen, ob das anklagen klang.
"Wie kann das sein?" Einfach weiter so tun, als hätte sie keine Ahnung.
"Ich dachte, das wüsstest du", sagte er. Asuna schüttelte den Kopf und beschloss, noch einen Schritt auf ihn zuzugehen. Sie war ihm jetzt so nahe, dass er sie erreichen konnte, wenn er es wollte. Aber nicht so nah, dass sie sich berührten.
"Nun", sagte sie langsam, "Dann wirst du mich wohl auf die altmodische Art kennenlernen müssen" Gojo starrte sie für einen Augenblick lang an.
"Sieht wohl so aus", erwiderte er schließlich, "Weißt du, vielleicht ist Sparring doch keine so gute Idee, lass uns lieber deine Fluchkraft trainieren"

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