11. Kapitel

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Asuna:

Asuna lehnte die Stirn gegen die Fliesen der Dusche. Wasser strömte in kleinen Rinnsaalen über ihren Rücken, wobei sie sorgsam darauf achtete, das nichts den Schnitt an ihrer Schulter berührte.
Sie atmete tief durch und erlaubte sich einen Moment der Verzweiflung, in dem alles auf sie einströmte. Stumm tropften Tränen von ihrem Kinn.
Zitternd stieß sie die Luft aus und hob den Kopf, sodass der Wasserstrahl genau in ihr Gesicht traf.
Asuna trat müde aus der Dusche und verbannt jeden weiteren Gedanken an Selbstmitleid aus ihrem Kopf.
Würde sie sich erlauben, darin zu ertrinken, würde sie morgen nicht mehr aufstehen. Stattdessen trocknete sie sich ab und schlüpfte in die Kleider, die Gojo ihr geliehen hatte.
Er hatte sich beständig geweigert, sie ihren Koffer aus ihrem Raum holen zu lassen.
Wasser tropfte von ihren Haaren und tränkte ihren Rücken. Asuna straffte die Schultern und entriegelte die Tür.
Gojo und Yuta hatten die Fenster blickdicht mit Bettlaken zugehängt und nur ein einziger Streifen Sonnenlicht fiel durch die Decken.
Sie war jetzt zwei Tage am Stück wach, abzüglich der Zeit, die sie bewusstlos gewesen war. Allerdings war sie das auch angekettet in einem dreckigen Keller gewesen, deshalb zählte das ja wohl kaum als erholsam.
Asuna gähnte.
"Du und Yuta schlaft im Bett", verkündete Gojo vom Küchentresen aus, "Ich passe auf euch auf"
Beruhigend!
Asuna warf einen Blick zum geöffneten Schlafzimmer.
"Ihr zwei seid ja alt genug", redete Gojo weiter, "Ich muss mit euch nicht über Blümchen und Bienen reden" Asuna und Yuta wechselten einen Blick, er errötete und wandte schnell das Gesicht ab.
"Was ich nur sagen will", fügte Gojo hinzu, "Seid leise oder ladet mich auch ein" Asuna verdrehte die Augen und stapfte müde zum Schlafzimmer. Yuta folgte ihr.
Das Bett war riesig, also keinerlei Gefahr für jemanden, sich auf der falschen Seite zu verirren. Yuta sah sie nicht an, während er ins Bett stieg und ihr dann schnell den Rücken zu drehte. Asuna sah sich im Zimmer um.
Es war einfach eingerichtet, mit polierten Flächen aus schwarzem Marmor, weiß verkleideten Wänden und elegant geschwungenem Silbermobiliar, das vor einem riesigen- jetzt mit der bestickten Tagesdecke abgedeckten- Panoramafenster stand. Die Aufteilung des Raumes erinnerte im entferntesten an die traditionellen japanischen Schlafzimmer jedoch wirkte alles in diesem Zimmer so modern und teuer, dass sie sich selbst bereits wie ein Schmutzfleck vorkam. Generell fand sie seine ganze Suite peinlich dekadent.
Asuna kroch unter die Decke und sank sofort in die weiche Matratze.
Normalerweise schaffte sie es nicht, neben anderen in einem Bett zu schlafen, allerdings war sie so ausgelaugt, dass ihre Müdigkeit die Beklemmung überwog und sie fast augenblicklich einschlief.

Zwei Stunden später schreckte sie aus einem Albtraum hoch. Yuta schnarcht leise neben ihr. Sie Strich sich die Haare aus dem Gesicht und stieg fast fluchtartig aus dem Bett.

Satoru:

Satoru lümmelte auf der Couch und war in der Mitte von "Titanic"- schmalzig, das wusste er selbst, aber das Filmprogramm des Hotels war nunmal begrenzt- angekommen, als sich die Tür öffnete. Gewohnheitsmäßig drehte er nicht den Kopf, sondern wartete darauf, dass sein sechster Blick ihm einfach sagen würde, wer dort stand. Er verzog kurz die Lippen, als er merkte, das dem nicht so war.
Asuna war in der Zwischenzeit bereits zum Tresen gegangen und kippte ein ganzes Glas Wasser hinunter.
"Schon wach?", fragte er. Sie zuckte die Achseln.
"Wenn du ins Bett gehen willst, ich bin da", bot sie an.
"Schon okay", erwiderte er, "Ich muss noch zwei Stunden warten, bis der Hauptcharakter stirbt, aber das ist es jedesmal wert" sie setzte sich neben ihn auf die Couch.
"Ist das Titanic?" Er nickte.
"Mochi?", Satoru hielt ihr eine Box hin.
Sie nahm sich einen.
"Woher hast du die jetzt herbekommen?", fragte sie.
"Mit Hilfe der letzten Magie, die mir noch geblieben ist", antwortete er und grinste, als sie ihn überrascht ansah, "Reichtum" ein kleines Grinsen zupfte an ihren Mundwinkeln, bevor sie in das Mochi biss.
Sie konzentrierte sich auf den Film. Satoru musterte sie  wobei sein Blick auf dem Schnitt an ihrer Schulter hängen blieb.
"Musst du eigentlich irgendwie verarztet werden?"
"Es geht", erwiderte sie, "Mein Körper heilt sowieso, sobald die Fluchkraft zurück ist" Interessiert beugte er sich vor.
"Du beherrschst Reverse Fluchkraft?", fragte er.
"Jein", antwortete sie, "Es ist nichts, was ich bewusst steuere. Je mehr Fluchkraft ich einsetze, umso schneller heile ich" er legte den Kopf schief.
"Hast du dir das selbst beigebracht?", fragte er ungläubig.
"Nein", sie warf ihm einen kurzen Blick zu, "Wie gesagt, es passiert einfach" Satoru überlegte. Sein Blick rutschte weiter nach unten zu den blau Angeschwollenen Handgelenken. Genau in der Mitte ihrer Handflächen sah er eine Sichelförmige Narbe. Satoru griff nach ihrer Hand. Asuna zuckte zusammen. Er drehte ihre Handinnenfläche nach Oben und betrachtete ihre Narbe.
"Ist das der Grund, warum du immer Verbände trägst?"
"Sieht normalerweise schlimmer aus", sagte sie. Er hatte also Recht gehabt, ihre Krankheit hing mit Fluchkraft zusammen. Vielleicht waren ihre Hände ja verflucht?
Satoru ließ ihre Hände los und sein Blick glitt kurz zu dem kleinen Streifen nackter Haut, der zwischen ihrem Oberteil und den Shorts. Sie bemerkte seinen Blick.
"Bist du sonst noch irgendwo verletzt?", fragte er. Eigentlich hätte er diese Frage schon vor Stunden stellen sollen aber gut, wie sagte man doch? Besser spät als nie.
"Mein Körper ist nur geschwächt", sagte sie, "Die Typen haben Ladungen reiner Fluchenergie durch mich durchgejagt"
"Sie haben dir Fragen gestellt?"
"Meine Antworten haben ihnen nicht gefallen", erwiderte sie. Satoru schluckte und fragte voller Ernst, "Was für Fragen?"
"Sie wollten wissen, wie viele Jujutzisten hier in Sendai sind"
"Und was hast du geantwortet?" Asuna hielt seinem drängenden Blick mühelos stand, was ihm durchaus imponierte.
"Na dass sich 146 Jujutzisten des vierten Ranges, sowie 97 Sonderklassen Jujutzisten in Sendai aufhalten", erklärte sie, als wäre das offensichtlich. Satoru blinzelte, dann prustete er los.
"Warum 146 Jujutzisten vierten Ranges?", fragte er lachend.
"Also wenn ich schon Rang 4 bin, dann zähle ich ja wohl mindestens für 146", antwortete Asuna und grinste. Er lachte wieder.
"Dann entspreche ich also 97 Jujutzisten der Sonderklasse?", fragte er.
"48,5", berichtigte Asuna.
"Ach?", fragte er.
"Die Sonderklasse muss du dir schon mit Yuta teilen", erklärte sie.
"Du könntest mir ruhig 49 geben, schließlich bin ich der Stärkste", verlangte Satoru.
"Also trennt dich und Yuta nur ein halber Jujuzist der Sonderklasse?", fragte sie.
"In ein paar Jahren vielleicht. Das Potenzial steckt in ihm", erklärte er, "Dann gibt vielleicht zwei Jujutzisten die 49 Sonderklassrjujutzisten entsprechen"
"Das kann nicht sein", wiedersprach sie.
"Ach?"
"Das würde ja heißen, ich hätte diese Bastarde angelogen", sie lächelte verschwörerisch. Satoru schmunzelte und lehnte sich zurück, um sie zu betrachten.
Er musste zugeben, dass er Asuna ziemlich süß in seinen Klamotten fand. Sie kaute die Reste ihres Mochis und leckte sich den Puderzucker von den Fingern. Er folgte der Bewegung unauffällig. Sie warf ihm einen Blick zu und er tat, als wäre er komplett auf den Film konzentriert.
Jack und Rose tanzten gerade auf den Tischen. Er warf ihr wieder einen Blick zu.
Asuna gähnte leise und ihre Lider flatterten, bevor sie einnickte. Das an sich wäre ja nichts besonderes gewesen. Allerdings sah Satoru, wie sie langsam schwankte und fasste ihren Arm. Er zog sie langsam zu sich, bis ihr Kopf auf seinem Schenkel lag.
Es war seltsam, Menschen zu betrachten, ohne mit Informationen vollgeballert zu werden. Fast so, als wäre er selbst in einem Film.
Satoru Strich ihr eine Strähne hinters Ohr und seine Hand blieb vielleicht auf ihrer Schulter liegen, während er sich zurücklehnte und den Rest des Filmes guckte.
Und für einen Wimpernschlag zuckten Asunas Mundwinkel zufrieden. Viel zu schnell, als das er es bemerkt hätte.

Der nächste Tag kam und Satoru gähnte völlig gerädert auf der Couch. Lange aufbleiben oder sogar schlaflose Nächte waren zwar keine Seltenheit für ihn, aber normalerweise glich er den Schlafmangel mit Fluchkraft aus die ihm ja jetzt nicht mehr zur Verfügung stand. Er fluchte leise.
Asuna lag noch immer schlafend auf seinem Bein, die Wange auf eine Hand gebettet, ihr Haar fiel wie ein schwarzer Wasserfall über seinen Oberschenkel.
Satoru war davon überzeugt, dass sie Glück hatte, dass er so ein guter Kerl war, nicht nur, dass er sie auf seinem Bein schlafen ließ, nein, er bemühte sich auch zusätzlich, Unanständigkeiten zurückzudrängen. Was eine echte Leistung war. Die Tür ging auf und Yuta trat gähnend aus dem Schlafzimmer. Er und Satoru wechselten einen Blick und er legte den Zeigefinger an die Lippen, bevor er Yuta seine Kreditkarte zuwarf und auf die Sprecheranlage im Nebenzimmer deutete.
Yuta nickte. Satoru wollte ihm eigentlich noch bedeuten, ihm eine neue Schachtel Mochis mitzubestellen, doch im nächsten Moment kippte sein Kopf nach hinten auf die Lehne und er schnarchte leise.

Stunden später schreckte er hoch. Yuta und Asuna saßen am Tresen und betrachteten den Mutanten in der Flasche. Er rieb sich über das Gesicht und sprang von der Couch auf.
Die beiden wechselten ein paar leise Worte, ohne auf ihn zu achten.
"Na ihr Hübschen", er trat zu ihnen und legte ihnen die Hände auf die Schultern, "Was heckt ihr aus?"
"Sensei", sagte Yuta, "Du bist wach. Wir wollten dich nicht stören"
"Experiment ihr zwei an der Biene?", fragte er.
"Das ist anscheinend bereits geschehen", erwiderte Asuna und sah von ihren Notizen auf, "Entweder dass oder jemand erschafft Mutantenbienen"
"Und worauf tippt ihr?", fragte er.
"Ich glaube jemand hat die Biene verflucht", sagte Yuta, "Ich erinnere mich an einen Fall vor ein paar Monaten, bei dem wir eine zerstückelt Leiche gefunden haben. Die einzelnen Teile waren total verformt und unbrauchbar" Satoru nickte.
"Und was glaubst du?", Asuna sah auf den Mutanten.
"Ich glaube es wäre zu aufwendig, einen ganzen Schwarm Bienen einzufangen, um sie einzelnd zu mutieren. Ich denke, so wie sie Biene jetzt ist, ist sie geboren worden", antwortete sie.
"Fusionen aus Fluchgeistern und Tieren oder Menschen sind äußerst Selten", gab er zu bedenken, "Die meisten sind überhaupt nicht lebensfähig. Einen ganzen Schwarm herzustellen wäre beinahe unmöglich"
"Selten vielleicht. Und du hast Recht, es ist beinahe unmöglich" Asuna sah ihn direkt an und für einen Moment war er fast schon verängstigt von der Intensität ihrer violetten Augen, "Aber wenn wir davon ausgehen, dass es eine Fusion zwischen Biene und Fluchgeist war, dann muss nur ein Fluchgeist die Bienenkönigin befruchtet haben und sie hat einen ganzen Schwarm Larven mit identischem Erbgut gezüchtet" Satoru überlegte.
"Gehen wir davon aus, dass du Recht hast", er tippte sich ans Kinn, "Dann müsste es irgendwo hier noch eine Königin geben, die in der Lage wäre jeder Zeit neue Mutanten herzustellen"
"Am besten an einem Ort zu dem nur ausgewähltes Personal Zugang hat und der Rest der Außenwelt verborgen bleibt"
"Der AER Tower", überlegte Yuta. Asuna lehnte sich zurück.
"Ich denke die Mutanten müssen eine Art Gedankenkontrolle ausüben", fuhr sie fort.
"Und der Stich ist vermutlich tödlich", murmelte Satoru, "Das ist ziemlich schlau"
"Aber wenn die einzelnen Bienen Gedanken kontrollieren können", überlegte Yuta, "Dann müsste die Königin doch Kontrolle über die Bienen haben" Satoru nickte zufrieden.
"Ich glaube wir sollten vielleicht um eine Audienz bitten", sagte er und ein Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus, als er auf den Rucksack voll Sprengstoff deutete, der neben einem Goldfresko an der Wand lehnte, "Und ich habe auch bereits das passende Geschenk.

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