6. Kapitel

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Asuna:

Asuna verbrachte die nächsten Tage zwischen ihrem Trainingsprogramm in der Halle mit dem Kissen, einer Reihe von Blockbustern, die sie mit Yuji schaute und stundenlangem Geigespielen. Bis ihre Finger, die eigentlich vom jahrelangem Gebrauch abgehärtet waren, schließlich doch zu schmerzen begannen und sie nach einer weiteren Stunde frustriert den Bogen sinken ließ.
Gojo ließ sich zwei Tage lang nicht blicken und Asuna schwankte zwischen Schadenfreude und Besorgnis. Wenn er Mahito gesehen hatte...
Wer weiß, vielleicht bereiteten er und die Höheren gerade ihre persönliche Fölterkammer vor.
Oder sie würden sie in einem Fluchobjekt festsetzen.
Oder...
Sie zwang sich, tief durchzuatmen.
Vielleicht, vielleicht war ihr ja auch ein Durchbruch gelungen. Wenn er sie angesehen hatte, ohne Augenbinde, dann müsste ihr Zauber gewirkt haben. Wie auch immer diese Ungewissheit brachte sie noch um!
Asuna übte gerade die Fingerläufe des Concerto grosso von Corelli, als es an ihrer Tür klopfte.
"Asuna", Yujis Stimme. Sie ließ den Bogen sinken und schob ihre Kopfhörer runter.
"Gojo will uns beide im hinteren Trainingsraum sehen" Sie schluckte. Unwillkürlich begannen ihre Finger zu zittern, doch sie zwang sich zur Ruhe.
"Ich komme", rief sie mit fester Stimme und legte die Geige und den Bogen sorgfältig in ihren Koffer, bevor sie neben Yuji zum Trainingsraum ging. Gojo lehnte an einer Wand, die Hände in den Hosentaschen vergraben. Asuna beobachtete ihn stirnrunzelnd, doch nichts schien sich verändert zu haben. Abgesehen vielleicht von einem amüsierten Zucken seiner Mundwinkel, als sie beide den Raum betraten.
Neben ihm stand ein weiterer Mann, ein wenig kleiner, mit ordentlich gescheiteltem flachsblondem Haar und beigem Anzug. Sie schluckte.
Bei allen Monstern in der Dunkelheit betete sie, bitte lass das nicht die Kavallerie sein!
"Yuji!", rief Gojo gedehnt, "Okura! Schön, das ihr es einrichten konntet" Yuji kratzte sich am Hinterkopf und warf einen unsicheren Blick auf das Kissen dass im hinteren Teil des Trainingsraums thronte, bevor er einen misstrauischen Blick mit Asuna wechselte und unauffällig in Kampfposition ging.
"Ist das das Fortgeschrittenentraining?", fragte er. Eine durchaus berechtigte Annahme, wie Asuna fand. Gojo lächelte nur.
"In gewisser Weise ja, Yuji", sagte er und stieß sich von der Wand ab, um dem anderen Jujutzisten den Arm um die Schultern zu legen. Der Mann drehte sich seufztend um und verschränkte die Arme vor der Brust. Er trug eine runde Brille mit grüngefärvten Gläsern und markanten Wangenknochen.
"Das", verkündete Gojo, "Ist Nanami Kento. Ein Ex-Verkaufsmanager-Jujutzist" unbeeindruckt befreite der Mann sich aus Gojos Umarmung.
"Nenn mich nicht so", die Worte waren eindeutig an Gojo gewandt, doch er würdigte ihn keines Blickes. Asuna und Yuji wechselten erneut einen Blick. Der Mann, Kento, neigte leicht den Kopf zur Begrüßung.
"Freut mich, euch kennenzulernen", sagte er. Asuna neigte ebenfalls den Kopf und nach einer Weile folgte Yuji, wenn auch etwas unbeholfen. Kento vergrub die Hände in den Hosentaschen.
"Ich habe ebenfalls auf der Jujutzu Akademie gelernt", erklärte er, "Und wenn ich eins gelernt habe" Yuji beugte sich gespannt vor, "Dann, dass Jujutzisten der letzte Dreck sind" Asuna runzelte die Stirn.
"Daraufhin habe ich als Verkaufsmanager gearbeitet und erkannt" seine Miene verfinsterte sich, "Das Arbeit auch der letzte Dreck ist!" Yuji kratzte sich am Hinterkopf.
"Was machen Sie dann hier?", fragte er.
"Nun", antwortete er, "Da beide gleichermaßen Dreck sind habe ich mich für das entschieden, was besser zu mir passt"
"Aha", murmelte Yuji.
"Bitte glaubt nicht, dass ich die gleiche Meinung wie Gojo vertrete", sprach Kento ungerührt weiter, "Ich vertraue und glaube an ihn" Gojo warf sich unauffällig in Pose und Asuna kämpfte dagegen an, die Augen zu verdrehen.
"Aber ich respektiere ihn nicht!"
Yuji riss verwirrt den Mund auf.
"Ich hasse die Art und Weise, wie die Höheren die Dinge regeln", erklärte er und Schritt langsam zum anderen Ende der Grotte, wobei er dem Kissen einen finsteren Blick zuwarf, "Aber ich glaube an Regeln und Werte. Itadori, Sie kommen mit mir" er warf ihnen einen Blick über die Schultern zu. Gojo gab Yuji einen Klaps auf die Schulter, der sowohl auffordernd, als auch ermutigend sein konnte, bevor er sich ihr zuwandte.
"Okura, du kommst mit mir", er grinste und sie schluckte. Im Vorbeigehen klatschten sie und Yuji mit einander ein, bevor er zu Kento trat. Er begnügte sich mit einem knappen Nicken, bevor die Beiden aus der Tür traten.
"Wohin gehen wir?", fragte sie betont beiläufig.
"Warst du jemals in Sendai?", fragte er und seine Hände glühten auf.
"Für ein paar Monate", erwiderte sie. Gojo bückte sich und vollführte eine Drehung, wobei eine leuchtende Linie seinen Fingern folgte und einen zugegeben etwas eierförmigen Kreis auf den Boden zeichnete. Er erhob sich und hielt ihr die Hand hin.
"Dann kennst du dich ja bestens aus. Wenn ich bitten darf" Zögerlich ergriff sie seine Hand und ließ sich in den Kreis ziehen.
"Was für ein Gentleman", bemerkte sie trocken. Er schmunzelte.
"Eines meiner vielen Talente", erklärte er, "Du solltest dich gut festhalten" Asuna schlang die Arme um seinen Hals. Er klatschte in die Hände.
Sie fielen.
Asuna stieß scharf die Luft aus und krallte ihre Finger in seine Uniform. Sie selbst tauchte durch die Schatten, seitdem sie sechs war. Das war dadurch möglich, da das Reich der Schatten und Finsternis eine eigene Dimension in der Realität bildete. Das hier allerdings war ein direkter Riss durch den Raum, keine samtig umschmeichelden Schatten.
Das hier war laut und kalt und viel und riss und zerrte an ihr und ihrem Verstand. Asuna kämpfte gegen den Drang, sich die Hände auf die Ohren zu pressen, ihre Augen festzuzukneifen und laut zu schreien, bis alles um sie herum endlich still war. Sie fielen nur für einen Herzschlag, doch es dehnte sich aus, als würde man Kaugummi bis zum zerreißen lang ziehen.
Dann landeten sie in einer verlassenen Nebengasse direkt an der Universität Tohoku.
Gojo lachte, als sie sich blinzelnd von ihm löste und ihre Schläfen berührte. Sie hatte das Gefühl, ihr Kopf würde jede Sekunde explodieren. Mit einer Hand hielt sie sich an seinem Arm fest. Sie waren nur eine Sekunde durch den Raum gereist, doch ihre Ohren fühlten sich im regen Straßenverkehr um die Universität taub an, die Sonne schien ihr seltsam dunkel. Selbst ihre Haut prickelte noch immer, auch wenn das nur ein schwaches Echo der Reizüberflutung gewesen war, der sie ausgesetzt war.
"Bei allen Monstern in der Dunkelheit", stieß sie aus. Er hatte den Arm um ihre Taille gelegt. Eine Geste, die ihr nach diesem kurzen Augenblick tatsächlich sinnvoll anstatt aufdringlich erschien.
"Müde?", fragte er, doch es klang nicht im entferntesten besorgt. Asuna schüttelte den Kopf. Die Kopfschmerzen verblassten bereits.
"Es geht schon", erklärte sie. Abgesehen davon wusste sie, dass ihr Körper bereits dabei war, sich instinktiv selbst zu heilen.
"Gut", sagte er und ließ die Hand sinken, "Hier entlang" er setzte sich in Bewegung und sie folgte ihm.
"Was genau ist denn die Mission?", fragte sie.
"Weiß ich selbst noch nicht" Nonchalant vergrub Gojo die Hände in den Hosentaschen und grinste, "Aber ich wurde eingesetzt. Also keine Sorge, es wird spannend"
"Was meinst du?"
"Flüche werden dem jeweiligen Rang eines Jujutzisten zugeordnet. Es gibt Rang 1 bis Rang 4. Rang 1 Flüche sind die Stärksten und können nur von Jujutzisten mit gleichem Rang ausgetrieben werden. Ansonsten versucht man niedere Flüche mit ranghöheren Jujutzisten auszutreiben" sie überlegte.
"Also bist du ein Rang 1 Jujutzist?", fragte sie.
"Nein", er grinste, "Ich gehöre zur Sonderklasse. Also bekomme ich nur Sonderklasseflüche" Asuna warf ihm einen kurzen Blick zu.
"Und was ist mein Rang?"
"Rang 4", antwortete er. Asuna biss sich auf die Lippe. Das war gut. Das war ihre Strategie gewesen. Auch wenn es an ihrem Ego kratzte.
"Ist es dann nicht gefährlich für mich, dabei zu sein?", erwiderte sie stattdessen.
"Keine Sorge", Gojo bog um eine Ecke, "Ich passe schon gut auf dich auf" Was von jedem anderen vielleicht fürsorglich geklungen hätte, klang aus seinem Mund einfach gönnerhaft. Er blieb vor dem Eingang eines Hotels stehen.
"Ist der Fluchgeist dort drinnen?", fragte sie und runzelte die Stirn. Das Hotel war voll besucht, einen Vorhang zu spannen würde zwangsläufig hunderte von Zivilisten mit in die Austreibung verwickeln. Abgesehen davon spürte sie keinerlei verdächtige Schatten.
"Nein, wir müssen nur vorher ins Hotel einchecken", erwiderte er.
"Ins Hotel?" Gojo spazierte in die Lobby.
"Nun, so gerne ich mich auch teleportiere", antwortete er, "Ist das doch eine unnötige Verschwendung von Fluchkraft" Asuna beeilte sich, ihm zu folgen.
"Und wie lange bleiben wir?", fragte sie.
"Bis die Flüche ausgetrieben sind" Gojo trat zum Schalter.

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