47. Kapitel

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Satoru:

Ein Tag war vergangen, in dem sie später aufgestanden war, und ihren Geigenkoffer in der Wohnung zurückließ, bevor sie den Vormittag über zu ihrer Freundin ging.
Satoru saß auf der Couch und naschte ein paar Gummibärchen, als sie schließlich zurückkam.
Er wollte gerade aufstehen, als er die Tür zu ihrem Schlafzimmer hörte und sich seufzend wieder in die Couch sinken ließ.
Sie hatten den ganzen Tag kaum gesprochen, nur ein paar flüchtige Sätze beim Frühstück gewechselt und er wollte ihre Aufmerksamkeit. Die Badezimmertür wurde zugezogen und er hörte Wasser rauschen.
Satoru schaltete den Fernseher aus und lauschte auf die Geräusche. Wasser stoppte und kurze Zeit später hörte er einen Föhn. Dann wurde die Badezimmertür aufgezogen.
Satoru beschloss, dem nachzugehen und erhob sich von der Couch.
Asuna war schon wieder in ihrem Zimmer verschwunden, doch als sie kurze Zeit später die Tür öffnete, verschluckte er sich fast an seinem eigenen Atem.
Sie trug ein enges Kleid aus schwarzer Seide mit dünnen Trägern und einem tiefen Rückenausschnitt.
Die Haare hatte sie zu Locken aufgedreht und zu einem eleganten Knoten hochgesteckt.
Satoru musterte sie und ein Grinsen zupfte an seinen Mundwinkeln.
"Du weißt, Du musst dich nicht hübsch machen, um zu mir auf die Couch zu klettern", sagte er, "Auch wenn ich den Aufwand zu schätzen weiß" Er wackelte mit den Augenbrauen.
"Ich weiß", erwiderte sie nur.
"Soll ich die Couch ausklappen, oder wollen wir zu dir?", fragte er weiter.
"Ich bin schon verabredet", sagte Asuna und zog die Riemchen ihrer Absatzschuhe fest. Satoru hob die Augenbrauen. Sie erhob sich und schnappte sich ihren Mantel.
Er musste wohl ziemlich verdattert ausgesehen haben, denn sie lachte kurz.
"Was denn?", fragte sie, "Oder hast du etwa geglaubt, du wärst mein einziger Kunde?" Damit schnappte sie sich ihren Geigenkoffer und öffnete die Tür.
"Ich könnte mitkommen", bot er an, "Zu dritt macht es mehr Spaß" Asuna warf ihm einen Blick über die Schulter zu.
"Erfahrungsgemäß nicht" damit zog sie die Tür zu. Er starrte ihr nach. Dann schnappte er sich seine eigenen Schuhe und die Jacke.
Er würde nicht zuhause rum sitzen, während sie ihren Spaß hatte.

Satoru hätte sich eigentlich denken können, dass das Taxi, in dem Asuna saß, zur Oper führte. Sie stieg aus, den Mantel eng um sich gezogen.
Selbst aus seiner Höhe konnte er sehen, dass sie ihren Geigenkoffer wie einen Schatz vor die Brust gedrückt hatte.
Asuna stieg die Stufen hoch und verschwand in der Eingangshalle, kurz bevor er auf dem Asphalt aufsetzte.
Offiziell war die Oper noch geschlossen, Einlass zur Vorstellung würde es erst in zwei Stunden geben.
Eine Idee nahm immer mehr Gestalt in seinem Kopf an. Satoru stieg ebenfalls die Stufen hoch und kaufte bei der Frau ein Ticket. Der Preis war fast unverschämt hoch, aber er zog einfach die Karte durch und steckte das Ticket ein.
Jetzt hatte er noch zwei Stunden Zeit, mal sehen, was er damit anfangen wollte.

Die Abendgesellschaft strömte in die weite Eingangshalle. Satoru folgte dem Strom, die Hände in den Taschen seiner Hose vergraben hinein in den weitläufigen Konzertsaal.
Er ermahnte sich, erst seinen Platz zu finden, bevor er sich nach ihr umsah.
Asunas Fluchaura war noch nicht hier im Raum, allerdings saß das Orchester auch noch nicht an seinen Plätzen.
Satoru ließ sich in den Sessel fallen und kramte nach einem Kaugummi in seiner Tasche.
Nach und nach füllte sich der Raum. Ein sanfter Ton erklang und Stille breitete sich aus. Das Orchester betrat die Bühne.
Satoru wagte einen Blick über die Gläser seiner Brille und erkannte sie, neben den anderen Violinisten.
Der Dirigent hob den Stock und sie schmiegte die Wange an ihre Geige und setzte den Bogen auf die Seiten.
Die Musik erklang.
Satoru hatte nicht viel übrig für Orchestermusik. Nicht, dass er sie nicht schön fand, seiner Meinung nach gab es einfachere Stücke mit dem gleichen Effekt.
Doch als die ersten Töne erlangen, da spürte er, wie Wehmut sein Herz ergriff. Er starrte Asuna an. Sie wirkte friedlich, wie sie ihren Körper sanft zu den Tönen wiegte. Zufrieden.
Er hatte sie noch nie so gesehen, noch nicht während sie schlief oder ihn küsste. Noch nicht einmal, während sie kam.
Er schluckte und lehnte sich weiter vor. Er wollte mehr von dieser Asuna sehen.

Asuna:

Asuna beendete mit den anderen Geigen das Stück und lächelte ins Scheinwerferlicht, als das Publikum applaudierte. Sie ließ die Geige sinken, um sich mit den anderen zu verneigen.
Eine Weile lang brandeten sie im Applaus, verneigten sich noch mal, ehe sie hinter dem Vorhang verschwanden.
Asuna packte die Noten und ihre Geige zusammen und wechselte ein paar freundliche Worte mit ihren Kollegen. Gemeinsam durchquerten sie den Backstagebereich, um in die Eingangshalle zu kommen.
"Das war der Wahnsinn" Asuna lächelte Misaki zu, die sich mit Aiko auf dem Arm durch die Menge auf sie zu bewegte.
"Hat es dir gefallen?", fragte sie und streichelte Aikos Köpfchen. Sie gluckste erfreut und fasste Asunas behandschuhte Finger.
"Trau ihr nicht über den Weg", warnte Misaki, "Sie ist ungefähr bei der Hälfte eingeschlafen. Sie hat gar nichts mitbekommen" Asuna lachte.
"Sie ist kriminell süß" Aiko steckte sich zustimmend ihren Finger in den Mund.
Asuna wollte gerade etwas erwidern, als sie eine Aura der Macht hinter sich spürte.
Das Geigespielen war die einzige Gelegenheit, wenn sie die Schatten ausblendete und ihr Gesäusel zwischen den Tönen ihrer Geige verstummte. Jetzt wünschte sie, sie hätte darauf geachtet.
Sie fuhr herum.
"Deine Verabredung ist aber noch ziemlich jung", Satoru grinste. Er trug einen schwarzen Anzug mit dunkelblauem Hemd, die Haare fielen über seine Brille. Asuna starrte ihn an.
"Was machst du hier?", platzte sie heraus.
"Ich wollte dich spielen hören", sagte er, "Du bist unglaublich"
"Ich", sie überlegte, "Du hättest in der Wohnung bleiben sollen"
"Da ist es langweilig, so ganz allein. Nebenbei bemerkt sagst du zu hübsch aus, um dich einfach so gehen zu lassen", er grinste sie an. Misaki sah zwischen ihnen hin und her, dann fasste sie Aiko mit der einen Hand fester.
"Hi", sagte sie, "Ich bin Kawanami Misaki. Und sie müssen Asunas Freund sein. Sie hat mir viel von ihnen erzählt"
"Hast du?", fragte er sie überrascht.
"Hab ich nicht", erwiderte sie scharf, "Und er ist nicht mein Freund"
"Sie wünscht es sich aber", erklärte Satoru an Misaki gewandt. Sie kicherte.
"Ich bin Gojo Satoru"
Er hielt Asuna einen Strauß Rosen hin.
"Was soll ich damit?", fragte sie.
"Sie mir abnehmen", erwiderte er, "Sie sind schwer" Asuna machte keine Anstalten, ihm die Blumen abzunehmen, bis Misaki ihr in die Rippen boxte.
"Danke", sagte sie tonlos, "Ich muss jetzt los"
"Wohin denn?", fragte er. Asuna schwieg und so übernahm Misaki.
"Hinterher gehen wir immer noch feiern in den Club. Hier ganz in der Nähe. Komm doch mit"
"Gerne"
"Was?", Asuna sah Misaki vorwurfsvoll an, "Nein, du kommst nicht mit. Du magst den Club nicht. Und du magst keinen Alkohol"
"Manchmal nicht", sagte er, "Gerade hab ich nichts dagegen"
Sie stieß scharf die Luft aus.
"Das wird sicher wild", rief Misaki, ehe sich ihr Blick trübte, "Ich werde nicht dabei sein können" Asuna hielt den Atem an. Für einen kurzen Moment hatte sie geglaubt, ihre alte Freundin unter einem Schatten der Trauer durchscheinen zu sehen. Doch die Wolken hatten sich schnell wieder zugezogen und alle Lebensfreude erstickt.
Das war Asunas Schuld. Sie wandte sich ab.
"Wie schade", sagte Satoru charmant.
"Ich begleite euch noch zum Club. Dann muss mein Schatz sich schlafen legen. Sie ist ziemlich müde", verkündete Misaki.
"Wir können auch jetzt heim gehen", bot Asuna an, "Wenn du willst, bleibe ich über Nacht, damit du schlafen kannst"
"Du hast doch heute schon gearbeitet", sagte Misaki, "Mach dir keine Sorgen, wir schaffen das schon" sie küsste Aikos Stirn und sie kicherte und fasste nach Misakis braunen Strähnen. Asuna biss sich auf die Lippe.
"Na dann ist ja alles geklärt", sagte Satoru erfreut. Asuna dagegen erwiderte nichts.

Auf dem Weg zum Club nahm Asuna Misaki zur Seite.
"Warum hast du ihm Bescheid gesagt?", flüsterte sie eindringlich. Satoru lief neben ihnen, die Hände in den Hosentaschen vergraben.
"Damit er mitkommt", erwiderte Misaki, als wäre das offensichtlich.
"Ich will aber nicht, dass er dabei ist" Misaki warf ihr einen kurzen Blick zu und grinste verschwörerisch.
"Hmm", erwiderte sie, "Du solltest mir danken. Du stehst voll auf diesen Idioten"
"Tu ich nicht" Asuna wandte sich eingeschnappt ab. Sie hatte Misaki ihre Rosen gegeben und dafür Aiko übernommen, die sich warm an ihre Schulter kuschelte und aufmerksam zu Satoru guckte. Asuna entging nicht, dass er immer wieder Grimassen Schnitt und sie erfreut in die Hände klatschte.
Sie erreichten den Club. Misaki blieb stehen und Asuna gab Aiko einen leichten Kuss auf die Stirn.
"Bist du sicher, dass ich nicht mitkommen soll?"
"Hundertprozent", sagte Misaki und hielt ihr die Rosen hin, "Amüsiert euch gut" sie warf ihr einen vielsagenden Blick zu.
"Die Rosen kannst du behalten", sagte Asuna und gab ihr Aiko.
"Ich glaub, ich hab die perfekte Vase dafür", sagte Misaki und nahm Aiko wieder auf den Arm.
"Hat mich gefreut, sie kennen zu lernen, Gojo Satoru"
"Mich ebenfalls", sagte er. Asuna wandte sich dem Club zu. Ein paar ihrer Kollegen waren schon da und winkten ihr einladend zu.
"Na da bin ich ja mal gespannt", murmelte Satoru neben ihr. Asuna stieß scharf die Luft aus, ehe sie zum Eingang ging.

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