Verdammtes Schicksal. Natürlich werden Tim und ich an exakt denselben Platz gesetzt wie vor zwölf Jahren. „Das hast du jetzt aber nicht absichtlich gemacht?", frage ich Tim angespannt, als ich auf die Bank rutsche, die Luna und ich uns damals geteilt haben. Tim setzt sich ebenso langsam auf seinen und Maiks Platz, dann schüttelt er den Kopf. „Ich habe es gehofft, aber ... ja. Verrückt, dass es geklappt hat, oder?", fragt er leise, ich nicke wie damals. „Aber es hat sich ziemlich viel verändert", murmele ich, als ich meinen Blick an der Senkrechten neben mir nach unten in den hellerleuchteten Gang wandern lasse. Nahezu alle Läden von damals haben neue Pächter, besonders der Schmuckladen wurde damals schon oft neu vermietet. „Was würdest du denn sagen, was den größten Unterschied macht?", hakt Tim nach, während er seine Hände nervös auf den Tisch legt. Tatsächlich schweige ich, weil mir nichts Konkretes einfällt. „Keine Ahnung, du hast dich verändert. Du bist so verschlossen und gebeutelt vom Leben", ich räuspere mich leise und betrachte Tim, der die Stirn in Falten legt. „Hm, du hast recht. Und du? Du bist die Alte?", fragt er mit einer belegten Stimme, die mir eine Gänsehaut über den Rücken jagt. „Weiß ich nicht? Was sagst du denn? Habe ich mich verändert?", spiele ich den Ball zurück und grinse Tim frech an, er zieht scharf die Luft ein. „Schwierige Frage. Irgendwie schon und irgendwie nicht. Eigentlich bist du noch immer die freche und kluge Emma von damals. Und bist immer noch so stur und gefühlskalt, jedenfalls wenn es um Beziehungen geht", Tim schaut mich unsicher an. „Und du bist noch genauso ehrlich wie früher", schmunzele ich melancholisch. „Hi, braucht ihr zwei noch eine Karte?", fragt uns jemand. Schnell wende ich den Blick von Tim ab und lächele der Bedienung zu, die immerhin nicht die junge Frau von damals ist. „Ja, bitte", antworten Tim und ich gleichzeitig. Ich merke richtig, wie die Dame sich einen Kommentar verkneift, sondern uns nur nett die beiden Zettel reicht, dann wirbelt sie zu den anderen abendlichen Gästen. „Du warst also länger nicht hier?", hake ich nach, was mich etwas zu sehr davon ablenkt, die Speisenkarte zu lesen. „Nein. Oh warte, du denkst, dass ich hier ein Date hatte ...?", fragt Tim besorgt, zumindest steht Entsetzen in seinen blauen Augen geschrieben. „Keine Ahnung. Hattest du?", frage ich und beiße mir auf die Lippen. „Natürlich nicht. Ich wäre nie an einen Ort gegangen, der uns beiden etwas bedeutet", Tim schüttelt vehement den Kopf und mustert mich, als wäre ich komplett verrückt. Ich bin es auch, aber nicht in der Hinsicht. „Wo warst du dann mit den Frauen?", frage ich. Ich weiß nicht, ob ich es wissen will, aber es nicht zu wissen, scheint mir noch schlimmer. Da wird immer die Frage sein, ob es nicht doch eine andere Frau gab oder ob wir sie treffen könnten. „In Clubs? Bars? Bei denen Zuhause. Versprich mir, dass du nicht lachst, wenn ich dir sage, wie ich die kennengelernt habe", murmelt Tim und senkt den Blick; mir fällt es jetzt schon schwer, nicht die Mundwinkel zu bewegen. „Ich verspreche dir gar nichts. Aber sag." „Vielleicht über Apps?", fragt Tim unsicher, ich muss lachen. „Du meinst so etwas wie Tinder?", hake ich lachend nach, Tim lacht auch beschämt. „Ja, mir fiel kein anderer Weg ein. Sehr schlimm?", brummt mein Exfreund und kratzt sich an der Stirn, vermutlich einfach, um jetzt nicht peinlich herumzusitzen. „Ähhh", mache ich deshalb nur und grinse ihn an. Eigentlich habe ich mir immer vorgenommen, niemals etwas mit solchen Männern anzufangen. Solche, die lauter Frauen hatten und von einer Bar in die nächste gezogen sind, um eine Frau aufzureißen oder welche, die sich solche Apps herunterladen. Andererseits ist das hier ein anderer Fall – Tim ist nicht irgendein fremder Mann, der mir das erzählt, sondern mein Exfreund. Und er hat es getan, weil das mit uns in die Brüche ging. Wenn ich ehrlich bin, finde ich es sogar attraktiver, dass er seit dem nur einfachen Sex hatte und keine Beziehung oder Affäre – weil es heißt, dass ihm das mit uns verdammt viel bedeutet hat. „Und, habt ihr euch entschieden?", die Bedienung räuspert sich und zieht ein Gerät aus ihrer Rocktasche. „Also ich nehme den Crispy Chicken Burger und eine Cola Zero, bitte", bestelle ich und muss mich beherrschen, nicht jetzt schon vor Freude zu seufzen. Die Burger hier sind die Besten, die ich je gegessen habe. „Für mich das Gleiche bitte", antwortet Tim der Frau, als sie ihn anlächelt. „Gerne, ihr zwei", zwinkert die Kellnerin uns zu und sammelt die Karten ein, bevor sie dicht an unserem Tisch vorbeigeht. „A ja, das Gleiche", mit hochgezogenen Augenbrauen lehne ich mich nach hinten und verschränke die Arme, sodass Tim grinsen muss. „Warum nicht? Ich will das Leben aus deiner Sicht sehen", lächelt er verlegen. Oh man. „Und du denkst, dass meine Sicht eine Gute ist?", hake ich nach, Tim schweigt. „Ich will es kennenlernen, wenn du mich lässt. Em, ich wünschte, ich hätte all die Jahre mit dir erlebt und dürfte die nächsten auch alle mit dir erleben. Und zwar so nah wie es geht", fügt Tim leise hinzu. Während diese ganzen intimen Worte über seine Lippen kommen, schaut er mich so intensiv an, dass es mich wundert, dass niemand Notiz davon nimmt. Dieser Mann ist verdammt gut darin, in mir ein Herzklopfen auszulösen, obwohl ich gerade nicht auf den ganzen Romantikkram stehe. „Dann bestelle das nächste Mal was anderes", grinse ich Tim dann an, er schaut perplex. „Du lässt mich also?", fragt er laut wie ein kleiner Junge. Wie verrückt, dass er sonst so erwachsen ist, so reif und so viel mehr Lebenserfahrung hat als viele in unserem Alter, aber was mich angeht oft so unsicher und jugendlich reagiert. „Das habe ich auch wieder nicht gesagt. Offiziell ist das unser zweites Treffen", ich schüttele den Kopf über ihn und er ebenso. „Und inoffiziell wohnen wir zusammen und waren fast zwei Jahre lang ein Paar?", provoziert Tim mich, ich muss schlucken. Ich weiß nicht recht, wie ich es finden soll, dass er wieder mit unserer Vergangenheit anfängt. Einerseits ist sie der Grund, warum wir überhaupt zusammen hier sitzen, andererseits ist sie der Grund, warum wir erst jetzt wieder zusammen hier sitzen.
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RomanceTiefe, intensive, brennende Blicke bis in die Seele. Die hat Emma damals hinter sich gelassen - doch sie kehrt nach elf Jahren zurück. Wie das Schicksal es will, gibt es keinen anderen Ausweg, als in die WG ihres Exfreundes Tim, ihrer Ex-BFF Luna u...