„Danke, dass du das für mich tust", lächelt meine Mutter erschöpft, als sie auf meinem Bett sitzt. Währenddessen hebe ich ächzend Tims Matratze daneben, sodass wir ein kleines Lager wie damals in meiner Kindheit haben. Natürlich habe ich das Laken gewechselt – auch wenn ich kurz darüber nachgedacht habe, es draufzulassen, aber es erschien mir zu kitschig. Okay, vielleicht ist es auch nur ein Vorwand, nicht so durchschaubar und liebeskrank wie die Charaktere in den Büchern zu sein; denn eigentlich ertrage ich es auch ganz einfach nicht, seinen Geruch einzuatmen und zu wissen, dass es vorbei ist. Laut ihm hätte vorbei sein müssen. Nie hätte beginnen dürfen. „Immer doch", erwidere ich deshalb nur abwesend und verlasse noch einmal mein Zimmer, um Tims alte Bettwäsche zu holen, die er laut Maik in seinem vorübergehenden Zuhause nicht braucht. Maik wollte mir nicht verraten, wohin er die Sachen bringt, als er vorhin losgefahren ist. Ein Hotelzimmer? Eine zufällig freie Ferienwohnung? Bei Lucy? Bei Miguel? In der Ausnüchterungszelle auf der Polizeistation? Oder doch in einer Wohnung, die eigentlich zum Personenschutz von Zeugen gedacht ist? Ich weiß es nicht. Und ich sollte es auch nicht wissen, denn es ist vorbei. Es sollte besser für mich sein, wie er schon sagte. Ich werde gegen keins meiner Prinzipien mehr verstoßen. Bin wieder Single, frei und unabhängig – wie viel mehr Zeit ich für meine Karriere, zum Schreiben und für meine Mutter haben werde. Es sollte mich glücklich stimmen. Nur tut es das nicht. Im Gegenteil, ich vermisse ihn. Ich vermisse sogar seine blöden Pokale damals vom Kicken und seine Bilderrahmen neben dem Bett, seinen doofen aufgeräumten Schreibtisch und seine weißen T-Shirts im Kleiderschrank. Bevor ich doch wieder in Tränen ausbreche, reiße ich mich zusammen, packe die Bettwäsche unter den Arm und stapfe wieder nach drüben. Meine Mutter lächelt, als ich wiederkomme und entspannt sich, als ich heute mal wieder eine Tür hinter mir schließe. „Nein, so sollte es nicht sein. Ich werde mir sobald es geht etwas suchen. Und wenn ich vom Staat leben muss, aber ich will dir nicht zur Last fallen, meine Kämpferin", negiert sie mein Versprechen und schüttelt ihre Haare. Seufzend lasse ich mich neben sie auf mein Bett fallen und starre aus dem Fenster. „Du kannst solange bleiben, wie du willst, Mama", sage ich automatisch. Natürlich merkt auch sie, dass es nicht wirklich ernstgemeint ist. Dass ich ihr genauso gut hätte eine Millionen Euro versprechen können. „Emma, wo bist du eigentlich mit deinen Gedanken?", reißt sie mich zurück in die Realität, indem sie mir zudem noch ihre warme Hand auf die Schulter legt und mir durchs Haar streift. Blinzelnd drehe ich mich zu ihr und blicke im Halbdunkeln in ihre Augen. „Was wäre, wenn ich sagen würde, bei Tim?", flüstere ich und halte ihrem bohrenden Blick stand, der sich in etwas Besorgtes verwandelt. Unmerklich schüttelt sie den Kopf und presst ihre Lippen aufeinander. Als sie erkennt, dass ich es vollkommen ernst meine, streicht sie mir noch einmal durchs Haar wie früher. „Dann würde ich fragen, warum", entscheidet sie sich für das Neutralste. „Weil ... Was hat er dir getan, Mama? Dir, nicht mir." „Er hat dir das Herz gebrochen und du bist meine Tochter, natürlich -", setzt sie an, doch heute zum ersten Mal falle ich jemand anderem ins Wort. „Und sonst? Er war zu dir immer nett, zuvorkommend und höflich. Er hat alles getan, damit es uns beiden gut geht. Sowohl damals als auch heute. Er hat dich in der Reha-Klinik gefunden, er hat deine Aussage aufgenommen und dich hierher nach Braunschweig gebracht. Und ich wette, dass er dich da heute rausgeboxt hat, wie auch immer er das so schnell geschafft hat", meine Worte klingen härter, als ich es beabsichtigt hatte. Trotzdem wischt meine Mutter sich eine Träne aus dem Augenwinkel. Automatisch merke ich, wie mir auch Tränen in die Augen steigen, aber ich halte sie zurück. „Du liebst ihn trotz allem." „Wegen allem", verbessere ich sie und will sie sicher ansehen, doch stattdessen trifft mich nur ihr fertiger Anblick. „Er ist der beste Mensch, den ich kenne. Und ich habe ihn verletzt, nicht er mich", stelle ich es endlich klar. Auch wenn es dafür zu spät ist. „Hast du vergessen, dass er damals mit diesem Flittchen geschlafen hat?", meine Mutter schüttelt den Kopf. Nicht über ihn, nicht über mich, nur darüber, dass sie es nicht versteht. „Nein. Und das ist das Problem", flüstere ich. Sie blinzelt, dann greift sie nach meinen Händen. „Oh, Emma. Ich würde es so gerne verstehen, was du an ihm findest", wispert sie. Ich verbessere sie nicht, dass es da nichts zu verstehen gibt, sondern erzähle es ihr.
DU LIEST GERADE
Hey
RomanceTiefe, intensive, brennende Blicke bis in die Seele. Die hat Emma damals hinter sich gelassen - doch sie kehrt nach elf Jahren zurück. Wie das Schicksal es will, gibt es keinen anderen Ausweg, als in die WG ihres Exfreundes Tim, ihrer Ex-BFF Luna u...