vierzig

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Zu Hause wartet Mum im Flur. Mich würde es nicht wundern, wenn sie die ganze Zeit dort Wache gestanden hätte, um mich zu umfangen. Ich seufze und muss ein bisschen grinsen. Nicht, dass sie noch zur Helikoptermutti wird. Langsam kann sie diese Rolle wieder ablegen.

"Hey, Mum.", begrüße ich sie.

"Wie war es?", fragt sie neugierig.

Ich ziehe meine Schuhe aus. "Joa, ganz gut. Tat eigentlich gut."

"Das freut mich." Sie lächelt und akzeptiert stumm, dass ich ihr nicht mehr darüber erzählen werde. Dafür soll diese Therapie ja auch irgendwie da sein. "Möchtest du wieder dort hingehen?", fragt sie.

Ich nicke. "Ja... Ich habe nächste Woche um die gleiche Zeit wieder einen Termin."

Mum sieht sehr erleichtert aus und nimmt mich kurz in den Arm. "Freut mich echt."

Ich gehe mit ihr in die Küche, wo James und Luke gerade zu Abend essen. Ich hebe die Hand. "Hey." Um nicht unhöflich zu sein, nehme ich mir ein Glas Wasser und setze mich mit Mum zu ihnen an den Tisch.

Lukes Blick ruht auf mir, doch er sagt nichts. Ich schaue weg. Mir wird heiß und kalt zugleich, wenn er mich so ansieht.

Stattdessen meldet sich James zu Wort. "Wie war es denn? Hast du noch was Schönes gemacht?"

Ich nicke. "Ja, war gut. Ich hab mir noch eine Falafel geholt und mich ein bisschen in den Park gesetzt... Musste den Kopf frei bekommen. Oh, und ich hab Simon getroffen."

Mum blickt neugierig auf. "Simon? Wie schön, wirklich nett."

"Ja, ist er wirklich."

"Wie war es denn mit ihm?", fragt sie neugierig.

Ich muss schmunzeln. "Ähm ja, war sehr gut. Wir haben uns ja länger nicht gesehen."

Mum sieht sehr zufrieden aus. "Das freut mich." Sie schweigt einen Moment, doch kann sich die nächsten Worte wohl nicht verkneifen. "Also wäre er was für dich?"

Ich pruste in mein Wasserglas. "Mum, hör auf. Nein, wäre er nicht. Wir sind Freunde."

Ich blicke auf und treffe Lukes Blick. Er sieht plötzlich kalt aus. Stoisch kaut er auf seinem Brot herum und schaut dann weg. Was ist denn jetzt los? Ist das wieder seine völlig überzogene Eifersucht?

"Wie schade, ich dachte schon... Naja, vielleicht in Zukunft.", sagt sie hoffnungsvoll. 

"Ich bin fertig, gehe mal hoch.", sagt Luke und steht auf. Ich sehe ihm hinterher, bin jedoch nicht bereit, mich jetzt deswegen schlecht zu fühlen. Tut mir ja Leid für ihn, wenn er jetzt eifersüchtig oder sonst irgendetwas ist, aber da kann ich gerade nichts machen.

"Es gibt noch gute Neuigkeiten.", kündigt Mum jetzt an. "Der Schuldirektor hat vorhin angerufen. Diese Jungs wurden ab sofort für vier Wochen suspendiert. Und bis dahin haben sie dann hoffentlich den endgültigen Schulverweis."

Ich ziehe erfreut die Augenbrauen hoch. "Im Ernst?" Mir wurde zwar angekündigt, dass das höchstwahrscheinlich so kommen würde, doch dass es so schnell und einfach gehen würde, habe ich irgendwie nicht geglaubt.

"Ja, im Ernst." Mum lächelt und auch James sieht sehr zufrieden aus. Mir fällt ein riesiger Brocken vom Herzen.

"Also, denkst du, du möchtest morgen wieder in die Schule gehen?", fragt Mum. Ich weiß, dass sie gerne ein "ja" hören würde. Sie möchte wirklich wieder Normalität. Und ich will das ja auch irgendwie, doch ich zögere.

"Ich weiß nicht..." Ich schaue in mein Glas, als würde darin die Antwort stecken. "Eigentlich schon, aber irgendwie... Ich entscheide morgen früh, okay?"

let me be your babyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt