Luke und ich können uns den ganzen Tag nicht loslassen. Es ist so eine Erleichterung, wieder bei ihm sein zu können, dass ich einfach nur noch in seiner Nähe sein und ihn berühren will. Wir liegen gemeinsam im Garten auf dem Rasen. Ich liege auf dem Bauch, den Kopf auf die Unterarme gestützt, und betrachte Luke, der mit geschlossenen Augen auf dem Rücken liegt.
"Wir sollten darüber reden, wie es jetzt weiter geht. Also, wie wir weiter machen.", sage ich.
"Ja, da hast du Recht.", antwortet Luke und öffnet die Augen, um mich anzuschauen. "Ich habe ehrlich gesagt keine Lust mehr, das alles geheim zu halten. Ich will mit dir zusammen sein - so richtig."
"Ich auch.", sage ich lächelnd. Es fühlt sich so komisch an, das auszusprechen, wo ich vor kurzem absolut nicht damit gerechnet hätte, dass das jemals passieren würde. "Aber... Es ist halt nicht so einfach bei uns. Ich meine, wir sind immer noch Stiefgeschwister."
"Klar.", sagt Luke und seufzt. "Irgendwie hasse ich das. Aber es sollte uns nicht interessieren, was die anderen denken. Früher oder später werden sie es schon akzeptieren. Und unsere Freunde wissen ja eh schon Bescheid."
"Das stimmt. Das heißt, wir verhalten uns in der Schule einfach wie ein offizielles Paar?", frage ich.
"Ja, würde ich sagen.", meint Luke. Es entsteht eine kurze Pause. "Und unsere Eltern?", spricht er dann das aus, was wir beide im Kopf haben.
Ich vergrabe mein Gesicht in den Händen. "Das wird schrecklich. Aber... Wir müssen es ihnen sagen. Es wäre noch schlimmer, wenn sie es irgendwie anders herausbekommen. Und ich will mich auch hier zu Hause nicht verstellen müssen."
"Das würden wir sowieso nicht hinbekommen.", gibt Luke zu. "Also bringen wir es einfach hinter uns und sagen es ihnen? Heute Abend?"
Ich zögere, dann nicke ich schweren Herzens. "Okay. Vielleicht sollten wir das Pflaster einfach abreißen. Ich meine, was sollen sie schon machen? Sie können es uns ja kaum verbieten. Wir sind schließlich nicht biologisch verwandt oder sowas."
"Eben.", sagt Luke. "Wahrscheinlich werden sie ganz schön schockiert sein, vielleicht auch sauer. Aber das legt sich schon wieder."
***
Unsere Eltern kommen gegen Abend wieder, sodass wir gemeinsam zu Abend essen können. Zuerst ist das Gespräch ziemlich belanglos. Doch die Verkündung, die wir gleich machen werden, nagt die ganze Zeit an mir. Schließlich ist es Mum, der auffällt, dass irgendetwas los ist. "Was ist los mit euch beiden?", fragt sie. "Erst wart ihr ganz still in der letzten Woche, und jetzt verhaltet ihr euch irgendwie merkwürdig. Irgendetwas ist doch im Busch."
Luke legt sein Besteck beiseite und faltet die Hände. Sein Blick richtet sich auf seinen Teller. "Wir haben euch etwas mitzuteilen.", kündigt er ernst an.
Jetzt legen auch James und Mum ihr Besteck weg und schauen uns ernst an. Ich habe keine Ahnung, womit sie gerade rechnen, aber sie werden wohl ahnen, dass es keine Botschaft ist, die ihnen besonders gut gefallen wird. "Okay...", sagt James. "Dann schießt mal los."
Luke und ich sehen uns an. Wir hätten uns vorher genauer überlegen sollen, wie wir dieses Gespräch führen. Leider haben wir uns absolut keine Gedanken gemacht. "Naja, also es ist so...", setzt Luke an. "Wir zwei, wir... Also, als wir uns kennengelernt haben- und jetzt..." Er fährt sich nervös durch die Haare und blickt mich etwas verzweifelt an.
"Wir sind ein Paar.", platzt es aus mir heraus. "Wir haben uns verliebt und wir wollen jetzt offiziell zusammen sein."
Eine unangenehme Stille kehrt ein. Luke und ich starren uns an. Ich traue mich erst nicht, zu unseren Eltern zu schauen. Als ich es dann doch wage, sind ihre Blicke kaum zu deuten. Hauptsächlich wirken sie überrascht und schockiert.
Nachdem es einige endlos lange Sekunden still im Raum ist, bringt Mum ein leises "Oh" hervor.
James atmet laut aus, als hätte er die ganze Zeit die Luft angehalten. "Das kommt jetzt etwas... überraschend."
"So überraschend auch nicht.", sagt Mum. "Ich hab mir schon ein bisschen was gedacht. Aber... So habe ich jetzt nicht unbedingt damit gerechnet."
"Also ich habe absolut nicht damit gerechnet!", sagt James etwas zu laut und nimmt dann noch einen weiteren tiefen Atemzug. Luke und ich senken unsere Blicke wie zwei kleine Kinder, die eine Standpauke bekommen. "Das ist... Also..." James schüttelt den Kopf. "Naja, ihr seid Geschwister."
"Nicht so wirklich.", wende ich ein. "Wir sind ja überhaupt nicht verwandt. Das ist nicht dasselbe."
"Ja, da hat sie Recht.", stimmt Mum ihr zu, wofür ich ihr sehr dankbar bin. Sie scheint deutlich weniger negativ überrascht zu sein als James, auch wenn sie natürlich keine Luftsprünge macht. "Ich meine, im Grunde seid ihr ja so etwas wie Mitbewohner. Und ihr könnt nichts dafür, dass James und ich zusammen sind. Aber trotzdem sind wir eure Eltern und ich denke, wir haben das Recht ein paar Regeln aufzustellen."
Ich nicke. "Na klar.", sagt Luke nur kleinlaut.
"Kein Sex unter diesem Dach.", sagt James entschieden.
"Naja.", macht Mum. "Das wäre jetzt auch etwas übertrieben. Kein Sex, wenn wir da sind. Und bitte, bitte mit Kondom, ich bin noch nicht bereit, Oma zu werden."
Ich laufe rot an. "Mum, bitte..."
"Ich meine das ganz ernst.", sagt sie. "Kein Rumgeknutsche vor unseren Augen."
James nickt zustimmend. "Auf gar keinen Fall. Und wenn es Streit gibt, dann tragt ihr den alleine aus und reißt euch gefälligst zusammen. Wir sind immer noch eine Familie und ich habe keine Lust, dass der Frieden hier in Gefahr gerät."
"Okay.", sage ich. Ich habe ehrlich gesagt nicht vor, mich so schnell wieder mit Luke zu streiten, auch wenn es bei uns beiden wahrscheinlich früher oder später dazu kommen wird. Doch mittlerweile weiß ich, dass wir es auch immer schaffen werden, uns wieder zu vertragen.
"Gut.", sagt Mum. "Falls uns noch weiteres einfällt, werden wir euch das mitteilen. Und ansonsten..." Sie wendet mir ihren Blick zu. "Ansonsten freue ich mich natürlich für euch."
Ich erwidere ihr Lächeln. In diesem Moment liebe ich Mum für ihre offene Art. Manchmal war es mir etwas zu viel mit ihr, aber sie hat sich immer für mich gewünscht, dass ich meine Erfahrungen sammle und die Liebe finde. Andere Mütter würden in dieser Situation sicher ganz anders reagieren.
James sagt zwar nicht, dass er sich freut, aber er wird sich an den Gedanken schon gewöhnen. Luke und ich schauen uns erleichtert an. Das wäre geschafft. Ab jetzt kann es nur noch leichter werden.
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let me be your baby
RomanceSeit Isabella denken kann, sucht ihre Mum sich neue Männer. In der Regel bleiben die nicht lang und sind nach spätestens einem Jahr wieder weg - doch diesmal scheint es etwas Ernstes zu sein. Isabella muss wohl oder übel mit ihrer Mum zum neuen Lieb...