Als Zoe und ich uns am nächsten Morgen in der Schule vor meinem Schließfach begegnen, merke ich gleich, dass etwas anders ist. Sie sieht so... anders aus. Ihre Augen glänzen und ihre Wangen sind leicht gerötet. Zusätzlich liegt ein schiefes Lächeln auf ihren Lippen. Okay... Was ist denn da los?
Misstrauisch sehe ich sie an. "Was ist los?"
"Guten Morgen.", trällert sie. "Wieso? Was soll den los sein?"
Ich krame nebenbei meine Bücher aus dem Spind, verschließe ihn dann und lehne mich dagegen. "Tu nicht so. Man sieht es dir an, Zoe. Irgendetwas ist doch."
Zoe grinst. "Na gut. Also... Seit gestern ist es offiziell. Ich bin mit Miles zusammen."
Ich verschlucke mich fast. Nicht vor Schreck, sondern vor Überraschung. "Wie bitte?" Meine Stimme ist ungewöhnlich hoch.
"Na ja..." Zoe beißt sich verlegen auf die Unterlippe. "Ich... wusste nicht, dass das ein Problem für dich ist."
Ich schüttele hastig den Kopf. Meine Reaktion kam wohl nicht so positiv rüber. "Nein, nein, das ist es gar nicht!", sage ich schnell und nehme sie kurz in den Arm. "Glückwunsch erst einmal."
Zoe lächelt wieder. "Da bin ich aber erleichtert. Dankeschön."
"Ich bin nur so überrascht.", gebe ich zu. "Ich meine... Du hast gar nichts davon erzählt, dass du auf ihn stehst und ich habe euch auch nichts angemerkt."
"Ja, ich weiß.", sagt Zoe und schaut mich zerknirscht an. "Ich rede über solche Dinge von mir selbst nicht so gerne und sage so etwas am Liebsten erst, wenn es in trockenen Tüchern ist."
"Macht ja nichts." Ich winke ab. "Jedenfalls freue ich mich echt total für dich, wenn er der Richtige ist und dich gut behandelt. Aber davon gehe ich mal aus, er ist ja ein netter Typ." Ich sage besser nicht, dass er auf mich bisher eher wie ein ziemlicher Macho wirkte. Wenn Zoe glücklich ist, bin ich es auch.
"Ich weiß, er kann manchmal wirken wie ein Aufreißer und Frauenheld.", sagt Zoe, als hätte sie meine Gedanken gelesen. "Aber wenn man ihn besser kennt, ist er ganz anders. Er kann echt total süß und liebevoll sein. Und witzig, einfühlsam..." Zoe zählt noch eine Menge weitere positive Adjektive auf, und ich kann nur noch grinsen. Sie scheint wirklich ziemlich verliebt zu sein - in diesem Zustand habe ich sie bisher noch gar nicht kennen gelernt.
Jetzt, wo sie so von ihm redet, glaube ich ihr auch, dass Miles gut zu ihr passt. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass er sie schlecht behandeln würde. Wahrscheinlich ist er wie Luke - harte Schale, weicher Kern. Luke gibt sich auch immer als Macho und klar hatte er auch schon viele Frauen im Bett. Aber wenn man ihn wirklich besser kennen lernt, kann er auch echt liebevoll sein.
"Jedenfalls... Können wir dann in der Pause vielleicht zu den Jungs?" Bittend schaut sie mich an. Diesen Blick hat sie echt verdammt gut drauf, was bei ihren großen, blauen Augen kein Wunder ist.
Ich seufze, muss aber grinsen. "Klar." Normalerweise verbringen Zoe und ich die Pause ja immer zu zweit, aber ich habe auch nichts dagegen, sie diesmal bei den Jungs zu verbringen. Ich kann sie auch gut verstehen. Klar möchte sie jetzt erst einmal so viel Zeit wie möglich mit Miles verbringen.
***
Nachdem Zoe und ich gemeinsam die ersten beiden Stunden überstanden haben, gehen wir gemeinsam auf den Schulhof. Mir fällt auf, dass ich keine Ahnung habe, wo die Jungs ihre Pause für gewöhnlich verbringen. Generell habe ich in der Schule kaum mit ihnen zu tun - abgesehen von der unangenehmen Erinnerung an den ersten Schultag. Klar läuft man sich mal über den Weg und dann grüßen wir uns auch, aber mehr als ein paar Worte habe ich in der Schule bisher nicht mit ihnen gewechselt.
Zoe läuft zielstrebig in die Ecke des Schulhofs, wo sich ganz offensichtlich immer die "Coolen" und Beliebten aufhalten. Ich fühle mich fast schäbig, als wir uns einen Weg durch die Menge bahnen und nach den Jungs Ausschau halten. Klar, Zoe passt hier rein. Sie hat dieses Image als die Perfekte. Als Schwester von Simon musste sie sich wahrscheinlich sowieso nie Sorgen machen, als uncool abgestempelt zu werden. Und mit ihrem Aussehen erst recht nicht. Zusätzlich ist sie intelligent und immer freundlich. Was will man also mehr?
Ich dagegen habe hier besonders am Anfang keinen besonders coole Eindruck gemacht. Mittlerweile komme ich zwar mehr aus mir heraus und finde mich ehrlich gesagt auch optisch deutlich attraktiver, aber ob das den Eindruck, den sie alle sofort von mir hatten, wieder gut machen kann? Außerdem entspreche ich mit meinem kleinen und schlacksigen Körper, der blassen Haut und den roten Haaren auch nicht unbedingt den gängigen Schönheitsidealen.
Aber was soll's - das, woran es mir am Meisten mangelt, ist definitiv das Selbstbewusstsein und die Ausstrahlung. Davon sollte ich mir vielleicht ein bisschen was zulegen, um hier nicht komplett unterzugehen.
Miles lächelt uns - vor allem Zoe - sofort an, als wir uns zu den Jungs in den Kreis stellen. Okay, er sieht ebenso verliebt aus wie Zoe, was mich noch mehr beruhigt. Die anderen begrüßen uns kurz.
Lukes und mein Blick bleiben etwas länger aneinander hängen und ich spüre, wie meine Knie weich und mein Kopf heiß werden. Verdammt, ich bin echt schlecht darin, mir nichts anmerken zu lassen und cool zu bleiben. Ich bin ganz und gar nicht cool, Lukes Anwesenheit und die Gedanken an gestern machen mich verrückt.
Ich wende meinen Blick hastig ab und hole einen Apfel aus meinem Rucksack, um irgendwie beschäftigt zu tun, mich abzulenken und nicht allzu viel reden zu müssen.
Miles legt seinen Arm um Zoe und sie geben sich einen kurzen Kuss. Oh Gott, so viel Romantik in der Öffentlichkeit. Für mich, die noch nie einen festen Freund hatte, ist die Vorstellung irgendwie merkwürdig. Ich habe noch nie wirklich drüber nachgedacht, wie es für mich wäre, einen Freund zu haben, weil es auch einfach immer völlig abwegig war. Erst jetzt, wo ich das erste Mal einen Typen geküsst habe und Zoe einen Freund hat, kommt es mir irgendwie naheliegender und realistischer vor.
Klar, irgendwie wäre es schon schön, jemanden zu haben, dem man nah sein kann und dem man so sehr vertraut. Aber es ist schon okay so. Generell fällt es mir schon oft schwer, Menschen bedingungslos zu vertrauen.
"Ich bin nicht bereit, mich daran zu gewöhnen, dass meine Schwester mit einem meiner besten Freund zusammen ist.", brummt Simon mit einem kritischen Blick auf Zoe und Miles. Ich lache auf und auch Zoe grinst.
"Musst du wohl früher oder später, Simon.", wirft Zoe zurück.
"Ich fände es auch komisch, wenn meine Schwester mit meinem besten Freund zusammen wäre.", sagt Luke plötzlich. Huch. Mit der Aussage habe ich gar nicht gerechnet. Ich spüre seinen Blick auf mir ruhen und wende mich zu ihm. Verlegen beiße ich mir auf die Unterlippe.
"Ach, nicht? Dabei bin ich nicht mal deine richtige Schwester.", sage ich provozierend. Mittlerweile weiß ich, wie sehr Luke so etwas reizt - er hat es bisher ja auch jedes Mal verhindert, dass ich jemand anderen als ihn küsse. Trotzdem lasse ich es darauf ankommen, einfach weil ich wissen will, wie er reagiert.
Luke runzelt die Stirn. "Das stimmt. Aber..." Sein Blick festigt sich wieder und er schaut mich selbstsicher an. "Ich würde es trotzdem nicht zulassen, dass du mit einem von den Idioten zusammen kommst."
Seine Worte klingen ironisch und witzig, aber ich spüre trotzdem den Ernst dahinter. Ich weiß, dass er ziemlich sauer wäre, wenn ich mit irgendwem anders etwas anfangen würde. Und einerseits macht mich das sauer, andererseits bereitet es mir auch wieder Herzklopfen.
"Hey, was soll das denn heißen?". sagt Jordan ironisch und schaut ihn gespielt empört an.
Ich ziehe nur herausfordernd die Augenbrauen hoch. "Tja, Luke, schade nur, dass du nicht über mich entscheiden kannst."
Luke kneift die Lippen zusammen. Ups, das hat ihn wohl wirklich gereizt. Aber irgendwie macht es auch ein bisschen Spaß, ihn zu ärgern und es mal darauf ankommen zu lassen.
Das Gespräch geht ganz normal weiter. Doch ich spüre, dass Luke das sicher nicht so auf sich sitzen lassen wird.
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let me be your baby
RomanceSeit Isabella denken kann, sucht ihre Mum sich neue Männer. In der Regel bleiben die nicht lang und sind nach spätestens einem Jahr wieder weg - doch diesmal scheint es etwas Ernstes zu sein. Isabella muss wohl oder übel mit ihrer Mum zum neuen Lieb...