Bei Zoe angekommen, muss ich erst einmal meinen Unmut über die Diskussion vorhin herauslassen und ich schildere ihr alles bis ins kleinste Detail. "Ich habe einfach keinen Bock mehr, dass mir ständig dieses Klischee von der braven, kleinen Kirchenmaus anhängt. Nur weil ich an Gott glaube und gerne in die Kirche gehe, heißt das nicht, dass ich nur so sein kann!" Frustriert lasse ich mich auf Zoes Sofa nach hinten fallen und nehme mir ein Stück Pizza aus dem Karton. Netterweise hatte Zoe etwas bestellt, das rettet mich gerade echt.
Zoe hat mir die ganze Zeit aufmerksam zugehört und gibt nun ein tiefes Seufzen von sich. "Das verstehe ich echt gut. Aber... dann musst du etwas machen! Etwas ändern, weißt du?"
Ich hebe ratlos die Schultern. "Ja, aber wie denn? Ich bin nun mal so und ich möchte mich auch nicht verbiegen."
"Das verstehe ich ja.", sagt Zoe besänftigend. "Es verlangt auch niemand von dir, dass du zu jemandem wirst, der du nicht bist. Aber... du hast sicher noch ganz andere Seiten in dir, die du nur noch nicht entdeckt hast."
"Hm...", mache ich nachdenklich. "Ich weiß das alles nicht. Ich war noch nie auf einer Party. Ich hatte bisher nur mit Menschen aus meiner Kirchengemeinde zu tun, die alle genauso drauf waren wie ich."
Zoe grinst leicht. "Das ist echt verrückt, aber doch auch total cool! Dann wird es heute toll, warte es ab."
"Ich weiß nur gar nicht, wie ich mich so verhalten soll.", sage ich verzweifelt. "Ich hab Angst, gleich wieder jedes Klischee zu erfüllen und mich genau wie die dumme Kirchenmaus zu verhalten."
Beruhigend legt Zoe eine Hand auf meine Schulter. "Das wird schon, kein Stress. Wir bekommen das hin." Sie steht auf und geht zu ihrem Kleiderschrank, aus dem sie eine Sekunde später eine Flasche mit einer klaren Flüssigkeit hervorzaubert. Kritisch sehe ich sie an. "Was soll das denn werden?", frage ich zweifelnd.
"Iss lieber noch ein Stück, du brauchst eine gute Grundlage, wenn du noch nie was getrunken hast.", sagt sie und deutet auf die Pizza, bevor sie sich wieder zu mir aufs Sofa setzt. "Und Regel Nummer eins: So etwas fragt man nicht. Einfach machen. Nicht immer so kritisch sein."
Ich lächele schief und beiße hektisch in die Pizza. "Ich versuche es."
"So und jetzt: Ich einen Schluck, dann du.", kündigt Zoe an, bevor sie die Flasche aufschraubt und an ihre Lippen ansetzt. Sie legt den Kopf in den Nacken und nimmt einen großen Schluck von dem Zeug, ohne eine Miene zu verziehen.
Ich nehme die Flasche entschlossen entgegen. Ich sollte nicht immer alles in Frage stellen, denn Alkohol trinken kann ja wohl jeder. Genau wie Zoe nehme ich die Flasche an den Mund und trinke einen großen Schluck.
Ich verziehe mein Gesicht vor Ekel und beiße hektisch in die Pizza, um den brennenden Geschmack irgendwie loszuwerden. "Fuck, ist das Zeug ekelhaft.", bringe ich hervor. Mein Rachen brennt immer noch, doch langsam kommt das Gefühl auch in meinem Magen an.
Zoe lacht. "Sorry, war vielleicht auch keine gute Idee, direkt mit Korn anzufangen. Aber jetzt kommt Regel Nummer zwei: Du darfst dir nichts anmerken lassen. Schon gar nicht beim Alkohol. Selbst wenn es mal scheiße schmeckt, verzieh keine Miene, okay?"
Ich nicke. Erneut nehme ich einen Schluck. Diesmal weiß ich wenigstens, was mich erwartet und schaffe es tatsächlich, einen coolen und neutralen Gesichtsausdruck beizubehalten. Zoe klatscht zufrieden in die Hände und auch ich bin ein bisschen stolz. "Siehst du, geht doch!", sagt sie triumphierend. "Und jetzt der nächste Schritt... Das Outfit."
Ich ziehe die Augenbrauen hoch und schaue an mir herunter. "Ist das nicht okay?" Ich trage wie eigentlich fast immer ein schlichtes T-shirt und eine enge, blaue Jeans, dazu meine Chucks.
"Na ja, es ist definitiv alltagstauglich, aber eben nichts für eine Party.", erklärt Zoe mir geduldig. Dann öffnet sie die Schiebetüren ihres Kleiderschranks, der genau wie alles in diesem Haus einfach riesig ist. Während sie ihre Klamottenberge durchwühlt, widme ich mich weiter der Pizza und traue mich sogar noch einmal, einen Schluck von dem Korn zu nehmen. Mit jedem Mal ist es weniger schlimm. Langsam merke ich auch, wie mein Körper von innen warm wird und meine Gedanken leicht benebelt werden.
"Also, ich würde dir das hier vorschlagen." Zoe hält zwei Teile hoch und ich stehe auf, um mir das genauer anzuschauen. Beim Aufstehen merke ich plötzlich, wie betrunken ich wirklich schon bin. Lachend stütze ich mich an der Sofalehne ab.
Zoe lacht ebenfalls und schraubt die Flasche Korn zu. "Okay, kurze Pause für dich, würde ich sagen. So, was sagst du zu dem Outfit?"
Eingehend betrachte ich die zwei Teile: Ein schwarze, kurze Hose aus Stoff mit hohem Bund und ein schwarzes Top mit Rückenausschnitt, das im Licht leicht glitzernd. Noch nie in meinem Leben hatte ich so ein Outfit an. "Sieht gut aus.", sage ich mit neu gewonnenem Mut, den ich sicher auch dem Alkohol zu verdanken habe. Zoe lächelt zufrieden. "Na dann, anprobieren."
Die Teile passen wie angegossen, denn zum Glück sind Zoe und ich auch in etwa gleich groß. Ich drehe mich vor dem großen Spiegel. Ohne Zoe wäre ich niemals auf die Idee gekommen, mir eine so kurze Hose und ein rückenfreies Top anzuziehen, aber ich finde es gar nicht schlecht. Vielleicht nicht alltagstauglich, aber für diesen Anlass perfekt.
"Sieht mega aus!", sagt Zoe begeistert. Sie hat sich in der Zwischenzeit ein kurzes, hellblaues Kleid angezogen, das einfach perfekt zu ihr passt. "Und jetzt Teil drei der Vorbereitung: Haare und Make up."
Oje, auch das noch, daran habe ich ja gar nicht gedacht. Aber ich nicke nur und folge Zoe in das Bad, das zu ihrem Zimmer gehört. Ich werde mich auf alles einlassen, was sie mir vorschlägt, dafür bin ich schließlich hier. Ich setze mich einfach auf den Stuhl, den Zoe in die Mitte des Badezimmers für mich gestellt hat. "Ich glaub, das sieht komisch aus. Ich hab mich noch nie geschminkt.", sage ich zweifelnd, während Zoe ihre Utensilien hervorkramt.
"Moment... Noch NIE?", hakt sie nach.
Ich nicke. "Ne. Ich fand es noch nie notwendig." Zoe schüttelt nur den Kopf und macht sich ans Werk. "Das wird dir so gut stehen, versprochen. Du hast das perfekte Gesicht dafür. Und aus deinen Haaren kann man auch so viel machen!"
Es dauert etwa eine halbe Stunde, dann ist Zoe mit ihrem Werk fertig. Ich habe geduldig gewartet, während sie an meinem Gesicht rumgepinselt und meine Haare gelockt hat. Jetzt stehe ich auf und schaue neugierig in den Spiegel.
Die Person, die ich im Spiegel sehe, erkenne ich im ersten Moment gar nicht wieder. Erst, als ich blinzele, wird mir klar, dass ich das bin. Meine langen, roten Haare sahen noch nie so gut aus wie jetzt, in glänzenden Locken fallen sie mir über die Schultern. Mein Gesicht sieht viel definierter aus, meine Augen stechen hervor, meine Lippen sehen voll aus. Ich sehe anders aus, aber auf eine gute Art. "Wow.", bringe ich hervor. "Das ist... sexy."
Zoe muss lachen. "Oh ja, und wie sexy. Ehrlich, zusammen mit dem Outfit... Also ich würde dich nicht von der Bettkante stoßen." Ich lache ebenfalls lauthals los.
Mit ihrem eigenen Styling ist Zoe viel früher fertig und auch sie sieht bombastisch aus. Zoe ist einfach eine absolute Naturschönheit, doch mit ihrem Kleid und dem Makeup sticht sie nur noch mehr ins Auge.
Als wir mit allem fertig sind und auch die Pizza vernichtet haben, ist unten schon der Lärm der Party zu hören.
"So, wir wiederholen jetzt noch einmal, was ich dir eben erklärt habe.", sagt Zoe. "Also?"
Ich nehme nervös noch einen Schluck von der Schnapsflasche in der Hoffnung, dass das meine Nerven etwas beruhigt. "Ich lasse mir nichts anmerken, wenn ich Alkohol trinke. Ich mache alles mit und frage nicht nach.", wiederhole ich ihre Anweisungen von vorhin.
Zoe nickt zufrieden. "Genau. Immer schön selbstbewusst auftreten. Falls dich jemand begrapscht, ruf einfach, aber wir werden wahrscheinlich sowieso die ganze Zeit zusammen bleiben. Immer lächeln und so tun, als hättest du das alles schon hundert Mal gemacht. Mach einfach, worauf du Lust hast. Wenn du nichts mehr trinken magst, musst du das nicht, dann darfst du höflich ablehnen."
Ich nicke und versuche, die Informationen zu verarbeiten. Aber eigentlich ist das alles ja nicht schwer, es ist schließlich nur eine Party. Jeder Vollidiot kann so etwas.
"Gut. Dann mal los.", sage ich entschlossen.
DU LIEST GERADE
let me be your baby
RomanceSeit Isabella denken kann, sucht ihre Mum sich neue Männer. In der Regel bleiben die nicht lang und sind nach spätestens einem Jahr wieder weg - doch diesmal scheint es etwas Ernstes zu sein. Isabella muss wohl oder übel mit ihrer Mum zum neuen Lieb...