neunzehn

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Fuck. Das ist das erste, was ich am nächsten Morgen denke. Fuck, ich habe wieder zu viel getrunken. Fuck, ich habe mich peinlich benommen. Und fuck, ich habe Luke geküsst.

Oh Gott, und wie wir uns geküsst haben. Ich weiß vielleicht nicht mehr alles, aber ich weiß, dass er verdammt gut war. Mein erster Kuss und er war ziemlich heiß.

Ich denke einen Moment darüber nach, ob ich das bereuen sollte. Dann beschließe ich, es nicht zu bereuen, dafür war es eindeutig zu gut. Es war mein erster Kuss und ich hätte ihn mir natürlich für einen Moment aufheben können, in dem ich klar bei Sinnen bin und mir den perfekten Typen ausgesucht habe. Aber gibt es den perfekten Moment für den ersten Kuss? Es war gut gestern, verdammt gut, und am Liebsten würde ich es wiederholen. Aber erst einmal sollte ich froh sein, dass mein erster Kuss kein Reinfall, sondern einfach gut war.

Erst jetzt fällt mir auf, dass ich nur Unterwäsche trage und ein paar mehr Erinnerungen melden sich in meinem Kopf. Verdammt... Luke hat mich so gesehen. Nur in Unterwäsche, fast nackt. So hat mich noch nie ein Typ gesehen. Und dann ausgerechnet Luke. Ich bin okay mit meinem Körper... Klar, ich habe mini Brüste, aber ich bin schlank und mag meine Beine. Trotzdem musste es wirklich nicht sein, dass Luke mich so sieht. Na ja, jetzt kann ich es auch nicht mehr ungeschehen machen.

Ich gehe mich in aller Ruhe duschen und dann nach unten, um etwas zu frühstücken. Immerhin bin ich nicht so verkatert wie beim letzten Mal. Ich muss mich ganz schön beeilen, fällt mir auf, als ich einen Blick auf die Uhr werfe. Zoe und ich wollten uns um zwölf in der Stadt treffen. Jetzt ist es schon Viertel nach elf.

"Morgen.", höre ich Lukes verschlafene Stimme hinter mir.

Ich lächele zögerlich. "Guten Morgen." Es ist irgendwie seltsam und ich weiß nicht ganz, wie ich mich jetzt verhalten soll. Ich versuche, das Ganze als "einfach nur einen Kuss" zu sehen, aber es gelingt mir nicht wirklich. Es hat schon etwas verändert. Es ist nicht mehr wie vorher.

Luke setzt sich mir gegenüber an den Tisch und nimmt sich das Schokomüsli. "Hast du den Rausch ausgeschlafen?" Er grinst spöttisch.

Ich werde rot. Gestern habe ich mich wohl zum Teil echt peinlich benommen. "Ja, sieht so aus."

"Sehr gut. Was machst du heute?", erkundigt er sich.

"Ich bin gleich mit Zoe zum Shoppen verabredet.", sage ich. "Ich muss auch gleich los. Und du so?"

"Ich treffe mich mit Simon zum zocken."

Ich schüttele den Kopf, muss aber schmunzeln. Diesem Zocken konnte ich noch nie etwas abgewinnen und kann echt nicht verstehen, wie einem das Spaß machen kann. Aber sollen sie machen.

Ich stehe auf und räume mein Geschirr in die Spülmaschine. "Gut, ich bin dann gleich weg. Dir viel Spaß nachher."

Luke nickt, dann räuspert er sich. "Isabella... Wegen gestern Abend... Du weißt schon, der Kuss." Er atmet tief durch. "Vielleicht sollten wir das besser vergessen."

Vergessen. Auf dieses Wort hatte ich jetzt nicht gerade gehofft. Ich schlucke, doch dann setze ich ein Lächeln auf. "Okay. Geht klar, dann vergessen wir das. Bis später." Mit diesen Worten drehe ich mich um und verlasse die Küche.

Ich wäre besser damit klar gekommen, wenn Luke einfach nur gesagt hätte, dass das eine einmalige Sache war. Aber vergessen? Wir sollen einfach so tun, als wäre das nie geschehen? Ehrlich gesagt will ich meinen ersten Kuss nicht einfach vergessen. 

Andererseits war ich auch diejenige, die ihn unbedingt küssen wollte und förmlich darum gebettelt hat. Die ganze Zeit habe ich gesagt, dass es ja nur ein Kuss ist und keine große Sache. Er hat ja sogar noch versucht, mich davon abzuhalten, von daher kann ich ihm wirklich keine Schuld zuschreiben.

Ich beschließe, da jetzt erst einmal nicht drüber nachzudenken. Vielleicht ist es das Beste, da einfach keine große Sache draus zu machen. Ich muss es ja nicht direkt "vergessen", aber ich sollte da eben nicht zu viele Gedanken dran verschwenden.

***

Zoe umarmt mich zur Begrüßung. "Na, wieder nüchtern?"

Ich lache. "Mittlerweile schon, ja."

Wir machen uns auf den Weg zur Hauptshoppingstraße. Zoe kennt sich hier eindeutig besser aus als ich, bisher war ich kaum in der Innenstadt. Und vor allem shoppen bin ich so gut wie nie. Das letzte Mal vielleicht vor drei Jahren, sonst habe ich immer nur mal ein T-Shirt gekauft, wenn eins deutlich zu klein oder kaputt war.

"Was suchst du denn eigentlich?", erkundigt sich Zoe. "Was Bestimmtes?"

Ich hebe unbeholfen die Schultern. "Na ja... Eigentlich alles. Ich meine, schau mich an. In meiner Heimat war mein Style okay, aber hier... fühle ich mich damit einfach falsch." Ich schaue an mir herunter. Wie fast immer trage ich einfach ein weißes T-Shirt und eine graue Jeans, die noch nicht mal wirklich eng oder figurbetont ist. Dazu meine völlig zerfetzten Chucks.

"Okay. Lass uns erstmal hier rein. Hier findest du so gut wie alles." Zoe zieht mich in ein großes, mehrstöckiges Klamottengeschäft. Hier sieht es tatsächlich so aus, als würde es einfach alles geben. 

"Also, erst einmal brauche ich ein paar Oberteile. Und vielleicht auch ein oder zwei Hosen. Und Schuhe später auch noch.", fange ich an. "Und zwar Sachen, die ich in der Schule tragen kann, aber auch was zum Feiern. Ziemlich viel, aber Geld habe ich ja jetzt vom James." Ich lächele leicht gequält. Ich komme mir ziemlich schlecht dabei vor, so viel Geld von ihm anzunehmen, aber ich kann mich ohnehin nicht dagegen wehren. Von daher sollte ich es nutzen.

"Hattet ihr früher nicht so viel Geld?", erkundigt sich Zoe. Aber nicht abwertend, sondern einfach neutral und interessiert.

Ich schüttele den Kopf. "Nein, nicht wirklich... Wir waren nicht arm, aber im Vergleich zu hier haben wir sehr, sehr bescheiden gelebt. Unser Haus war echt nicht schön, ich habe kaum Taschengeld oder Klamotten bekommen und in den Urlaub sind wir auch nie gefahren." Ich laufe zielstrebig zu einem Kleiderständer und wühle mich durch die Oberteile. "Aber ich habe auch nie etwas vermisst. Ich kannte es eben nur so. Jetzt muss ich mich erstmal an diesen neuen Lebensstil gewöhnen."

"Kann ich mir vorstellen.", sagt Zoe. "Versuch es zu genießen. Du kennst beide Seiten, von daher ist es absolut nicht eingebildet, wenn du das Geld, was du jetzt hast, auch nutzt."

Ich nicke. "Ja, das stimmt. Ich versuche es." Ich nehme ein T-Shirt vom Ständer und nehme es in die Hand. Zoe nimmt es mir sofort ab und hängt es wieder weg. "Ein weißes basic T-Shirt? Ich dachte, du willst deinen Style ändern!"

Ich muss lachen. "Verdammt. Das war ein Instinkt."

Zoe geht ein Stück weiter und bleibt an einem anderen Kleiderständer stehen. "Hier, die sind besser." In rasendem Tempo wühlt sie sich durch die Klamotten und zieht einige Oberteile hervor. Ich nehme sie an mich. Zoe ist offenbar etwas shopping-erfahrener als ich. Danach gehen wir weiter zu Hosen, Röcken und Kleider, wo sie mir ebenfalls wieder ein paar Teile raussucht. Dann geht es zur Umkleide. Zoe kommt wie selbstverständlich mit rein.

"Gut, leg los.", sagt sie und klatscht in die Hände. "Du hast ja jetzt eine Menge anzuprobieren."

let me be your babyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt