vierundzwanzig

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Mal wieder platzt Luke nachmittags unangekündigt in mein Zimmer, während ich am Schreibtisch sitze und meine Hausaufgaben erledige. Ich verdrehe die Augen. "Klopfen, Luke. Klopfen!" Er sollte sich das echt mal abgewöhnen, immer einfach so herein zu kommen.

"Bist du etwa ein bisschen gereizt heute?", fragt er und schaut mich provokant an.

Ich seufze genervt. "Ja, vielleicht. Und wenn schon. Was willst du?"

Er schiebt die Unterlippe vor und schaut mich gespielt enttäuscht an. "Ich wollte dich nur hier besuchen. Wir haben die letzten zwei Tage kaum geredet."

Ich zucke mit den Schultern. "Okay, dann komm rein. Ich muss aber Hausaufgaben machen." Ich versuche, mir nicht anmerken zu lassen, wie nervös allein seine Anwesenheit mich macht. Er macht mich verrückt, ohne irgendetwas Besonderes dafür zu tun.

Jetzt kommt Luke auf mich zu und stellt sich hinter mich. Seine Hände legen sich an meine Schultern. Automatisch spanne ich mich an. "Was ist denn los?", fragt er leise. Sein Kopf kommt mir näher und schwebt schließlich über meiner Schulter.

Ich schlucke hörbar. Sein Geruch ist jetzt so präsent, dass ich am Liebsten die Augen schließen und mich einfach nur an ihn lehnen würde. Doch ich reiße mich zusammen und spanne weiter meinen Körper an. "I-ich muss noch Hausaufgaben machen.", stottere ich. 

Luke beugt sich weiter über mich und durchblättert meinen Aufsatz für den Englischunterricht. "Du hast schon sechs Seiten geschrieben! Normalerweise haben solche Aufsätze nur drei Seiten."

Ich seufze. "Ja, aber ich will es eben gut machen. Das ist mir wichtig.", sage ich.

"Willst du wissen, was ich denke?" Luke fängt langsam an, meine komplett verspannten Schultern zu massieren. Oh Gott, tut das gut. Für einen kurzen Moment schließe ich die Augen und lasse die Entspannung zu. "Ich denke, du machst dir viel zu viel Stress."

Ich öffne meine Augen wieder und lehne mich nach vorne, sodass seine Hände von meinen Schultern gleiten. "Das ist vielleicht deine Meinung. Aber mir sind eben andere Dinge wichtig als dir.", sage ich monoton. "Außerdem habe ich gar keinen Stress. Schule stresst mich nicht."

Luke seufzt und dreht mit einem Schwung meinen Schreibtischstuhl so, dass ich ihm gegenüber sitze. Er hockt sich vor mir auf den Boden und legt seine Hände auf meine Knie. "Was. Ist. Los?"

Stur blicke ich an ihm vorbei. "Nichts. Was soll schon sein?"

Luke legt den Kopf schief. "Du bist so anders als die letzten Tage. Am Wochenende warst du noch so... frei."

Ich schlucke und hebe die Schultern. "Vielleicht. Aber das war nicht mein Leben. Für mich ist ein anderes Leben vorgesehen."

"Ach ja, und von wem? Wer soll das bestimmt haben?"

"Gott.", sage ich stumpf. Denn das ist es auch, was ich wirklich glaube. Beten und Arbeiten.

Luke seufzt tief. "Isabella... Ich bin sicher, Gott hätte nicht gewollt, dass du dich dein ganzes Leben von ihm einschränken lässt."

"Ich schränke mich doch gar nicht ein!" Meine Stimme klingt fast hysterisch. "So ist mein Leben, auch wenn es dir schwer fällt, das zu verstehen." Meine Worte klingen härter als beabsichtigt und Luke weicht ein winziges Stück zurück.

"Wieso trägst du nicht deine neuen Klamotten? Die standen dir echt gut.", wechselt er das Thema. Muss mich da jetzt eigentlich jeder drauf ansprechen, nur weil ich mich einmal anders gekleidet habe?

"Genau aus dem gleichen Grund.", sage ich kühl. 

Stirnrunzelnd schaut Luke zu mir hoch. "Isabella, ich weiß genau, dass da irgendetwas hinter steckt. Du lügst mich gerade an."

let me be your babyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt