Luke scheint - genau wie ich - nicht so richtig zu wissen, was er sagen soll. Stattdessen löst er sich langsam von mir und liegt mir einen Moment etwas unbeholfen gegenüber. Dann steht er hastig auf. "Ich, äh... Ich denke, ich sollte jetzt erstmal gehen."
Ohne dass ich noch etwas erwidern könnte, verlässt Luke das Zimmer und ich höre, wie er bei seinem die Tür zuschlägt. Ich schlage die Hände vors Gesicht. Was zur Hölle habe ich getan? Wie konnte ich nur so bescheuert sein? Hätte ich nicht mal eine Sekunde über meine Worte nachdenken können?
***
Zwanzig Minuten später finde ich mich in Zoes Zimmer wieder. Ich habe es nicht ausgehalten zu wissen, dass Luke im Raum nebenan ist. Ich musste raus. Und über das alles zu reden, tut irgendwie auch ganz gut.
"Du hast was gesagt?", fragt Zoe mit weit aufgerissenen Augen.
Ich verziehe das Gesicht. "Hast du schon richtig gehört. Dass ich ihn liebe."
Zoe schüttelt den Kopf. "Um Gottes Willen. Isabella, du bist echt... Also... da hat dann wahrscheinlich sein Fluchtinstinkt eingesetzt."
Ich schlage sie mit einem Kissen. "Zoe, du machst es gerade nicht unbedingt besser. Ich bin eigentlich hergekommen, damit du mir sagst, dass das alles nicht so schlimm ist und sich schon wieder regeln wird."
Zoe lacht auf. "Okay. Ich versuche gerade allen meinen Aufgaben als beste Freundin gleichzeitig gerecht zu werden. Nämlich ehrlich und trotzdem mitfühlend und hilfreich zu sein."
"Dann darfst du jetzt gerne mit dem Teil anfangen, in dem du mitfühlend und hilfreich bist.", sage ich lachend.
"Na gut... Also, du hast halt ausgesprochen, was du denkst. Vielleicht ein bisschen überstürzt, aber du hast die Wahrheit gesagt. Und dass du das früher oder später tun musst, war sowieso klar."
"Ja...", sage ich langsam. "Schon. Aber erstens stört es mich, dass ich überhaupt so empfinde, denn das war nicht mein Plan. Und zweitens hätte ich mit der Wahrheit auch noch ein bisschen warten können."
"Und bis wann? Bis ihr Sex hattet? Bis eure Eltern was herausfinden?", fragt Zoe.
Ich vergrabe mein Gesicht in einem Kissen. "Mann, keine Ahnung. Es war nur gerade so schön mit ihm. Und jetzt hab ich es kaputt gemacht."
Zoe tätschelt meinen Arm. "Aber es ist auch gut, dass es raus ist. Es hätte sehr verletzend werden können, wenn ihr noch viel weiter gemacht hättet."
"Es war auch jetzt schon verletzend, ehrlich gesagt.", sage ich leise. "Ich sage ihm, dass ich ihn liebe, und er rennt aus dem Zimmer?"
"Er war glaube ich einfach sehr überfordert.", sagt Zoe. Ihre Stimme klingt mitleidig. "Das ist typisch für ihn. Wenn er nicht weiß, was er tun soll, rennt er weg."
"Naja, aber damit hat er doch alles gesagt oder nicht?"
Zoe seufzt. "Keine Ahnung... Ich könnte mir schon sehr gut vorstellen, dass Luke eigentlich auch deutlich mehr für dich empfindet, als er zugibt. Aber er hat eine sehr rationale Seite. Deshalb gehe ich nicht davon aus, dass er in den nächsten Tagen angelaufen kommen wird, um dir zu sagen, dass er genauso fühlt. Ich schätze eher, dass er das Ganze jetzt mit sich selbst ausmachen wird und dich erstmal eine Weile anschweigen wird. Aber nimm das nicht persönlich, das ist eben seine Art. Auch mit Simon gab es schon Zeiten, in denen die Beiden sich völlig ignoriert haben."
"Das wird schrecklich.", sage ich. Die Vorstellung, Luke weiterhin ständig über den Weg zu laufen und von ihm nur Kälte entgegengebracht zu bekommen, ist grausam.
"Vielleicht ist das alles besser so.", sagt Zoe. "Anfangs wolltet ihr doch beide nur das eine. Ihr habt von vorneherein gesagt, dass ihr euch besser nicht ineinander verlieben solltet. Das war vielleicht auch jetzt die letzte Möglichkeit, noch rechtzeitig abzuspringen."
Zoe hat auch ein bisschen Recht. Trotzdem vermisse ich das, was Luke und ich hatten, jetzt schon. Ich weiß absolut nicht, wie es jetzt zwischen uns weitergehen soll. Wie soll ich ihm in Zukunft begegnen? Ich kann unmöglich so tun, als wäre alles normal.
"Sieh es positiv. Luke hat dir ein bisschen auf die Sprünge geholfen, aber dich nicht in eine feste Beziehung hineingezwängt. Und jetzt hast du alle Möglichkeiten der Welt! Du kannst andere Typen kennen lernen, du kannst wilden Sex haben oder dich in jemand anderen verlieben... Dir stehen alle Türen offen."
Ich seufze. "Ich weiß ja nicht. Gerade fühle ich mich nicht wirklich dazu in der Lage, jemand anderen kennen lernen zu können."
"Alles zu seiner Zeit.", sagt Zoe.
Ich schreibe Mum eine kurze Nachricht, dass ich zum Abendessen nicht nach Hause komme. Die Vorstellung, gleich mit Luke an einem Tisch zu sitzen, ist nicht besonders schön. Stattdessen beschließen Zoe und ich, uns Sushi zu bestellen und machen uns einen gemütlichen Abend zu zweit. Eine Freundin wie sie ist einfach unfassbar viel wert.
***
Es ist schon ziemlich spät, als ich abends nach Hause komme, sodass ich Luke Gott sei Dank nicht mehr begegne. Ich sehe jedoch, dass in seinem Zimmer Licht brennt - er wird also noch wach sein. Auch ich wälze mich ewig im Bett hin und her. Die Vorstellung, dass er womöglich gerade dasselbe tut und ich trotzdem nicht mit ihm reden kann, macht mich verrückt.
Am nächsten Morgen ist er schon weg, als ich mich auf den Weg zur Schule mache. Mir graut es jedoch schon vor der Pause, denn spätestens da werden wir wahrscheinlich wieder beieinander stehen und so tun müssen, als sei alles normal.
"Wir müssen nicht zu den Jungs, wenn du nicht willst.", sagt Zoe, als es zur Pause läutet. "Echt, das wäre total nachvollziehbar, wenn du dich unwohl fühlst."
Ich zögere, schüttele dann jedoch den Kopf. "Nein, alles gut. Wir sollten wenigstens versuchen, uns normal zu verhalten. Und wegen dieser Sache sollte definitiv nicht die Clique kaputt gehen." In letzter Zeit sind wir beiden mit den Jungs zu einer ziemlich tollen Freundesgruppe zusammen gewachsen. Gerade in der schwierigen Zeit, die ich hinter mir habe, sind mir alle in der Gruppe unheimlich wichtig geworden. Solche Freunde hatte ich noch nie. Und diese Freundschaft werde ich definitiv nicht aufs Spiel setzen, nur weil es mal Probleme mit Luke gibt.
Dennoch stelle ich mich bewusst nicht neben Luke, als wir zu den Jungs gehen, sondern ein Stück von ihm weg. Ich sehe nicht zu ihm, merke aber, dass er sich ebenfalls anstrengt, mich nicht anzuschauen. Dann sind wir uns da wenigstens einig.
Stattdessen quatsche ich in der Pause mit Simon. Ich merke ihm an, dass er etwas weiß oder zumindest ahnt, dass da was zwischen Luke und mir vorgefallen sein könnte. Es ist aber auch mehr als offensichtlich. Während ich vorher immer mit ihm die Pause verbracht habe, schauen wir uns jetzt noch nicht einmal an. Aber ich mag an Simon, dass er sich einfach wie ein wahrer, guter Freund verhält und sich ganz normal benimmt. Er ist kein Typ, der unangenehme Fragen stellt oder komische Äußerungen macht. Stattdessen wartet er einfach, was man selbst bereit ist zu erzählen. Zoe hängt wie immer an Miles - ich bin gespannt, wann diese frisch verliebte Phase mal vorüber ist. Alles in allem muss ich sagen, dass die Pause weniger schlimm ist als erwartet.
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let me be your baby
RomanceSeit Isabella denken kann, sucht ihre Mum sich neue Männer. In der Regel bleiben die nicht lang und sind nach spätestens einem Jahr wieder weg - doch diesmal scheint es etwas Ernstes zu sein. Isabella muss wohl oder übel mit ihrer Mum zum neuen Lieb...