fünfzehn

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An diesem Wochenende ist die Stimmung zwischen Luke und mir... unterkühlt. Wir reden wirklich nur das Allernötigste miteinander. Ich habe noch einen Versuch gestartet, die Situation aufzuklären, doch den hat er wieder mit nicht gerade liebevollen Worten abgeblockt. Jetzt ist er an der Reihe. Ich werde ihm sicher nicht wie ein Dackel hinterherlaufen. Er ist schließlich auch ein bisschen mit Schuld an der ganzen Situation, auch wenn er sich natürlich gerade für die Unschuld in Person hält.

Am Montag in der Schule spricht Zoe mich direkt auf meine Laune an. "Du siehst ziemlich... grimmig aus. Gibt es Stress?"

Oje, man scheint mir meine Laune wohl doch ziemlich deutlich anzumerken. Dabei habe ich alles gegeben, um normal zu wirken. Ich habe mir selbst die ganze Zeit eingeredet, dass mich das alles völlig kaltlässt. Ich seufze und lehne mich auf meinem Stuhl zurück. Der Unterricht hat noch nicht begonnen. "Stress mit Luke...", sage ich nur.

Zoe lacht leise. "Oh oh, mit dem hätte ich auch nicht gerne Stress. Was ist denn passiert?"

In genau diesem Moment betritt die Lehrerin den Raum. Abgesehen davon hätte ich Zoe die Geschichte ohnehin nicht gerne vor versammelter Mannschaft erzählt. "Erzähle ich dir in der Pause."

***

"So, jetzt möchte ich aber wirklich alles wissen.", fordert Zoe mich in der Pause auf, als wir endlich eine Bank auf dem Hof gefunden haben, auf der man sich einigermaßen ungestört unterhalten kann.

Ich seufze und beiße erst einmal von meinem Brötchen ab, bevor ich anfange zu berichten.

Am Ende meiner Erzählung sieht Zoe mich halb schockiert, halb verwirrt an. "Moment, du musst mir noch einiges erklären... Du wolltest ihn also damit provozieren, dass du behauptest, du wärst in der Nacht bei einem anderen Typen gewesen. Und wieso ist er dann so ausgerastet?"

Ich zucke mit den Schultern. "Das musst du ihn selber fragen. Da kam wahrscheinlich wieder sein völlig irrationaler Beschützerinstinkt durch."

Sie sieht mich stirnrunzelnd an. "Aber... Luke ist doch selber ständig bei irgendwelchen Weibern, mit denen er rummacht. Er hat sicher schon die halbe Schule flachgelegt."

"Ich weiß. Aber bei mir ist das anscheinend was anderes.", sage ich.

Zoe sieht mich einen Augenblick schweigend an. "Moment...", sagt sie dann langsam. "Du bist Jungfrau, hab ich recht? Und Luke weiß das, deshalb war ihm das so wichtig."

Ich seufze und senke kurz deinen Blick, doch dann schaue ich wieder zu Zoe. "Ja, bin ich.", sage ich dann. Es gibt nichts, wofür ich mich schämen müsste, ich bin schließlich gerade mal 15, da finde ich es absolut nicht ungewöhnlich, noch Jungfrau zu sein. Doch ich habe auch das Gefühl, dass das hier nochmal etwas Anderes ist als in meiner Heimat, wo die Menschen dann doch christlicher gelebt haben als hier, wo wilde Parties an der Tagesordnung sind.

"Ah, das ergibt Sinn.", sagt Zoe.

Ich schüttele den Kopf. "Finde ich nicht.", sage ich trotzig. "Es ist meine Sache, was ich mache, und wenn ich mein erstes Mal nach einer Party habe, dann ist das eben so. Luke geht das zumindest gar nichts an und er hat auch kein Recht, mich deshalb so zu beschimpfen."

"Du hast schon Recht...", sagt Zoe und legt den Kopf schief. "Aber... Denk doch mal nach worüber wir am Freitag gesprochen haben. Luke steht auf dich, schon vergessen?"

Ich stoße einen Lacher aus und schüttele den Kopf. "Zoe, der steht absolut nicht von mir. 99 Prozent der Zeit verhält er sich wie ein Arschloch und ist nur mal nett, wenn es nicht anders geht oder wenn er gerade irgendetwas von mir will." Ich beiße beherzt in mein Käsebrötchen.

"Ja ja, du wirst schon noch sehen.", sagt Zoe. "Früher oder später wirst du es selbst merken."

Ich schüttele nur stumm den Kopf, ohne zu widersprechen, denn Zoe würde sich sowieso nicht von meiner Meinung überzeugen lassen. "Das alles rechtfertigt jedoch nicht sein Verhalten."

Zoe seufzt. "Ja, da hast du Recht. Männer können echt Arschlöcher sein."

Ich muss grinsen und nicke. "Das habe ich ihm auch gesagt."

"Was hat er dir denn dann eigentlich alles an den Kopf geworfen, als ihr am Strand wart?", fragt Zoe nochmal nach.

Ich senke meinen Blick. "Ziemlich... unschöne Dinge. Dass er mit meinem Kindergarten nichts mehr zu tun haben will, dass ich doch vögeln soll, wen ich will und es ihm sowieso völlig egal sei. Dass er mir in Zukunft nicht mehr helfen wird, wenn ich in Schwierigkeiten bin."

"Was hat er damit gemeint?", hakt Zoe nach. "Welche Schwierigkeiten?"

Ich kneife die Lippen zusammen und blicke nachdenklich ins Leere. Ich weiß, dass Zoe eine gute Freundin ist und ich ihr vertrauen kann. Aber von dem Vorfall am Montag weiß absolut niemand und ich hatte auch eigentlich nicht vor, dass noch irgendwer davon erfährt, das Ganze war mir schließlich schon unangenehm genug. Außerdem habe ich keine große Lust, die Geschichte wieder und wieder zu erzählen.

"Ich...", setze ich an, während ich in Gedanken immer noch hadere. "Es gab da... Ach, gar nichts. Nur eine blöde Situation.", beende ich den Satz und atme langsam die angestaute Luft aus. Ich spüre Zoes Blick auf mir ruhen, doch schaue nicht zu ihr.

"Okay.", sagt sie dann. Man merkt ihr sofort an, dass sie weiß, dass mehr dahinter steckt, doch sie drängt mich nicht, es zu erzählen. Das schätze ich an ihr - sie wartet einfach, ob ich es ihr irgendwann von mir aus erzählen werde, anstatt mich zu irgendetwas zu drängen.

"Du solltest dich trotzdem wieder mit ihm vertragen.", sagt sie nach einer kurzen Stille. "Ich weiß, du hast schon einige Versuche gestartet, aber Luke ist der sturste Mensch auf diesem Planeten. Er wird nicht auf dich zukommen, dafür ist er viel zu stolz. Aber wenn du die Situation aufklärst, wird er dir sofort verzeihen, da bin ich mir sicher."

Ich schnaube. "Er ist ein Idiot. Ich habe keine Lust, wieder auf ihn zu zu gehen und nur Beleidigungen abzubekommen."

"Er meint das doch alles nicht so...", sagt Zoe. "Simon und Luke kennen sich seit der ersten Klasse, also kenne ich ihn schon, seit ich vier Jahre alt bin. Er war schon immer ein totaler Sturkopf und als wir klein waren, habe sogar ich mich mit ihm gestritten. Da hat er mir Sachen an den Kopf geworfen, die willst du gar nicht hören. Und am nächsten Tag war alles wieder gut. Aber glaub ja nicht, dass er sich ein einziges Mal entschuldigt hätte."

Ich muss lachen. "Ja, das passt zu ihm."

Zoe grinst. "So ist er eben. Also gib nicht auf. Auch wenn er ein riesiger Idiot sein kann, hat er auch seine guten Seiten." Sie zögert eine Sekunde. "Außerdem... seit seine Mum gestorben ist, ist es für ihn echt nicht leicht. Seitdem fällt es ihm schwer, mit seinen Gefühlen umzugehen."

Ich blicke auf. "Wie... ist sie denn eigentlich gestorben? Und wann?"

Zoe schüttelt den Kopf. "Frag ihn das am Besten mal selber, wenn sich eine Gelegenheit ergibt. Ich will da nicht drüber reden, wenn er das vielleicht nicht möchte.

Ich nicke verständnisvoll. "Okay." Ich will nicht zu neugierig sein, was das angeht, aber ich glaube, dass ich Luke wahrscheinlich besser verstehen könnte, wenn ich wüsste, was er für eine Vorgeschichte hat und wie sein Leben aussah, bevor ich ihn kennengelernt habe. Doch erst einmal müssen wir uns wieder vertragen, und ich weiß genau, dass das leichter gesagt als getan ist.

let me be your babyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt