vier

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Am Montag gehe ich etwas früher zur Schule, als es eigentlich nötig gewesen wäre. Klar hätten Luke und ich rein theoretisch auch zusammen dort hin gehen können, immerhin wohnen wir im gleichen Haus - allerdings hat Luke mir mehr als genug deutlich gemacht, dass wir besser nichts miteinander zu tun haben sollten, und auch ich habe gar kein großes Interesse daran, mit ihm gesehen zu werden.

Stattdessen schlinge ich mir morgens nur schnell mein heiß geliebtes Schokomüsli und einen Kaffee rein, bevor ich mir meine Schulsachen schnappe und mich nach einem Abschiedsgruß auf den Weg zur Schule mache. 

Ich gehe zu Fuß zur Schule und Gott sei Dank ist der Weg ja auch nicht wirklich weit. Als ich ankomme, ist das Gebäude schon voll von Schülern, und das, obwohl es noch so früh ist.

Ich schaue mich etwas ratlos um und entdecke nach einer kurzen Suche endlich das Sekretariat. Nachdem ich angeklopft habe, trete ich zögernd ein.

Eine ältere Frau richtet sich mit dem Zeigefinger die Brille und schaut lächelnd zu mir hoch. "Guten Morgen, junge Dame, wie kann ich helfen?"

Ich kann mir ein Lächeln nicht verkneifen. "Ich, ähm... Ich bin neu hier."

"Oh, neu an der Schule, wie schön!", trällert sie und ihr Strahlen wird noch ein bisschen breiter. "Das freut mich aber! Isabella Winter?"

"Ja, genau.", sage ich. Ich warte geduldig, während die Sekretärin in ihren Unterlagen herumwühlt, und offenbar ein paar Zettel für mich sucht. Schließlich legt sie diese auf dem Tresen zwischen uns ab.

"Bitteschön. Einmal dein Stundenplan und ein Raumplan. Außerdem eine Liste von Büchern, die du benötigst, die meisten kannst du hier in der Schule ausleihen. Falls du noch Fragen hast, kannst du dich immer gerne an mich wenden.", sagt sie und ich nicke dankbar. "Dann wünsche ich dir einen schönen ersten Schultag!"

"Vielen Dank!", sage ich und verlasse das Sekretariat. Die Schulflure sind inzwischen deutlich leerer geworden und ich gehe davon aus, dass der Unterricht wohl bereits begonnen hat. Na super. Ich werfe einen Blick auf meinen Stundenplan. Literatur in Raum 710.

Ich irre eine Weile durch das Gebäude und finde den Raum auch nur, nachdem ich ein Mädchen nach dem Weg gefragt habe. Diese Schule ist zwar nicht riesig, aber dennoch größer als meine alte. Das bin ich einfach nicht gewohnt. Als ich schließlich vor der Tür des Raumes stehe, atme ich noch einmal tief durch, bevor ich die Hand hebe, um zu klopfen. Wieso bin ich nur so nervös? Ich beneide und bewundere alle Menschen, die mit solchen neuartigen Situationen gut umgehen können. Ich gehöre definitiv nicht dazu.

"Herein!", tönt es von innen und mit zittrigen Fingern drücke ich die Klinke herunter und trete in den Raum. Viel zu viele Augenpaare sind auf mich gerichtet und vorne steht ein junger Lehrer, der mich erwartungsvoll ansieht.

Verlegen räuspere ich mich. "Ähm, hallo. Ich bin Isabella Winter und ich bin neu hier."

"Ach, wie schön! Das hätte ich fast vergessen!" Mit einer einladenden Bewegung winkt er mich in den Raum hinein. "Isabella, ich bin Mr. March. Magst du ein bisschen was über dich erzählen?"

Eigentlich nicht, denke ich, doch stattdessen bleibe ich stehen und räuspere mich erneut. "Naja, ich bin Isabella, ich bin 15 und ich komme aus einem kleinen Dorf in Alabama. Ich bin am Wochenende mit meiner Mum hergezogen." Mehr fällt mir erst einmal nicht ein und ich schaue Mr. March erwartungsvoll an.

"Schön! Und sonst so, was machst du so in deiner Freizeit?"

"Ich war in meiner Heimat in der Kirchengemeinde aktiv und habe gesungen.", antworte ich. Die Reaktion ist wie erwartet - einige Schüler unterdrücken ein Lachen, andere machen sich nicht die Mühe, es zurückzuhalten. Der einzige, der sich nichts anmerken lässt, ist Mr. March. Ich bin diese Reaktion zwar gewohnt, doch trotzdem macht sie mich immer wieder traurig. Ja, ich mag die Kirche, ich glaube an Gott, aber gleichzeitig bin ich auch irgendwo ein ganz normaler Mensch.

let me be your babyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt