sechzehn

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Nach der Schule bin ich wieder eine Zeit alleine zu Hause, worüber ich ganz froh bin. So kann ich mich mal ungestört meinen Schulaufgaben widmen.

Die Zeit vergeht nur leider viel zu schnell, denn schließlich kommt Luke wieder von seinem Training und die angenehme Ruhe ist dahin. Ich bin gerade unten in der Küche, als er wiederkommt. Luke kommt ebenfalls in die Küche und sein Blick fällt auf mich. Genervt sieht er mich an, bevor er grußlos zum Küchenschrank geht, sich ein Glas heraus nimmt und es mit Wasser füllt.

"Hallo Luke, ich freue mich auch, dich zu sehen.", sage ich ironisch. Ich bin sein zwar halten nun zwar schon gewohnt, aber wenigstens ein Wort des Grußes wäre doch wohl drin gewesen. Aber nein, dafür ist Monsieur sich natürlich zu fein.

Luke schnaubt abwertend und kippt das Glas Wasser herunter, bevor er sich direkt ein weiteres einschenkt. Ich seufze. "Hör mal, Luke... Wir können uns doch nicht auf ewig so verhalten. Wollen wir nicht nochmal drüber reden?"

Luke schaut mich nur an, ohne auch nur ein einziges Wort zu erwidern. Also beschließe ich, einfach weiterzureden, wenn von ihm schon nichts kommt. "Hör mal... Ich glaub, wir haben uns da völlig falsch verstanden. Der ganze Streit hier beruht nur auf einem riesigen Missverständnis.". fange ich an.

Bevor ich jedoch fortfahren kann, knallt Luke sein leeres Glas auf die Spüle und geht an mir vorbei. "Ich gehe dann mal duschen.", ruft er.

In mir kocht die Wut hoch. So ein Idiot! "Du bist auch nicht ganz unschuldig, Luke!", brülle ich ihm hinterher. Er hält sich echt für einen übermächtigen Gott, der niemals etwas falsch machen könnte, aber damit hat er ein ziemlich schlechtes Bild von sich. Wie kann man nur so eingebildet und von sich selbst eingenommen sein? In mir kommt der Wunsch auf, ihm hinterher zu laufen und lautstark die Meinung zu sagen. Allerdings bezweifle ich, dass das wirklich zur Klärung unseres Streits beitragen würde, deshalb reiße ich mich zusammen.

***

Bevor meine Mutter und James abends von der Arbeit wieder da sind, mache ich mich auf den Weg zur Kirche. Heute steht die Chorprobe an und vorher möchte ich noch ein wenig die Ruhe in der Kirche genießen. Mit Luke rede ich nicht, soll er sich doch zum Teufel scheren. Meine Gefühle schwanken immer wieder zwischen Wut und erzwungener Ruhe. Einerseits macht mich seine Art echt sauer. Andererseits weiß ich ja von Zoe, dass das einfach schon immer seine Art war und ich einfach noch ein paar Mal versuchen muss, mit ihm ein vernünftiges Gespräch zu führen.

Ich bin zwar wie beabsichtigt schon früher in der Kirche, doch vorne hat sich trotzdem schon eine kleine Gruppe von Menschen versammelt. Entschlossen gehe ich auf sie zu. Die Gruppe ist sehr durchmischt, doch mir fällt auf, dass ich mit Abstand die jüngste bin - war ja auch eigentlich zu erwarten.

Die Leute sind alle super nett und aufgeschlossen. Klar ist es immer etwas anderes, ob man sich mit gleichaltrigen oder älteren Menschen umgibt, aber ich bin trotzdem super froh, hergekommen zu sein. Das Wichtigste für mich ist einfach, wieder eine Freizeitbeschäftigung zu haben und endlich wieder mehr Zeit in der Kirche zu verbringen.

Die Probe läuft gut - ich werde lieb aufgenommen und kann mich perfekt einfügen. Wir proben nur eine Dreiviertelstunde, doch das reicht mir auch völlig aus.

***

Als ich zu Hause angekommen die Haustür aufschließe, steht Luke gerade unten im Flur. Na super, dann darf ich mich wohl sofort wieder von ihm runtermachen lassen.

Genau wie erwartet schaut er mich abwertend an und zieht die Augenbrauen hoch. "Na, hast du wieder eine schöne Zeit mit deinem Lover verbracht?"

Das war ja klar, dass er sich so einen Kommentar nicht sparen konnte. "Nein, ich war in der Kirche.", sage ich eindringlich. 

Luke blickt mich überrascht an. Mit der Antwort hat er nun offenbar wirklich nicht gerechnet. Doch dann verhärten sich seine Gesichtszüge auch schon wieder. "Ach so, die Kirchenmaus ist zurück. Wie passt das denn mit deinem Sexleben zusammen?"

"Luke!" rufe ich wütend. Der Kommentar ging eindeutig zu weit. "Das reicht!"

"Ist doch so!", antwortet er. Dann will er sich wieder umdrehen und in die Küche gehen, doch diesmal nicht. Ich halte ihn mit aller Kraft an der Schulter fest. 

"Mann Luke, jetzt lass uns das endlich klären."

"Was willst du denn klären?", ruft er. "Ist doch alles klar bei uns."

Ich verdrehe die Augen. "Bitte, Luke..." Luke schüttelt meinen Arm ab und geht Richtung Küche, also rede ich einfach weiter und sage ihm endlich die Wahrheit. "Luke, ich hab dich angelogen!" Er bleibt mit dem Rücken zu mir stehen. "Am Samstag... Ich kam nicht von irgendeinem Typen. Ich war in der Kirche! Ich habe die Nacht hier verbracht und nicht irgendwo anders!"

Luke dreht sich um und sieht mich fassungslos an. "Ist das dein Ernst?" Ich kann nicht ganz einordnen, ob er diesen Satz böse oder erleichtert meint.

Ich nicke vorsichtig. "Ja... Es tut mir Leid. Aber irgendwie war ich wütend, weil du mich immer bevormundest. Und dann ist es einfach passiert."

Luke atmet langsam aus. "Okay..." Er macht eine Pause, dann lacht er auf. "Isabella, wieso hast du das denn nicht gleich gesagt?"

Ich muss ebenfalls lachen und hebe unbeholfen die Schultern. "Ich habe es ja versucht, aber du warst wirklich stur, dass musst du auch zugeben."

Er grinst. "Mir... Tut es auch Leid.", sagt er stockend. Ihm ist deutlich anzumerken, dass er kein Mensch ist, der sich besonders gerne entschuldigt. "Ich hätte nicht so stur sein dürfen. Und schon gar nicht hätte ich so üble Sachen zu dir sagen dürfen. Ich hab das wirklich nicht so gemeint. Ich kann manchmal sehr impulsiv sein." Er kneift die Lippen zusammen.

Ich nicke. Es tat weh, was er zu mir gesagt hat, doch ich glaube ihm, dass er das alles nicht so gemeint hat. Und man muss auch verzeihen können, schließlich sind wir ja beide nicht unschuldig an der Sache. "Ist okay.", sage ich.

Luke seufzt erleichtert. Dann zögert er eine Sekunde, bevor er einen Schritt auf mich zugeht und mich fest in die Arme nimmt. Ich lache überrascht auf und schlinge meine Arme ebenfalls um ihn.

"Dann ist jetzt alles wieder gut zwischen uns?", frage ich vorsichtig.

"Klar.", sagt er. "Eigentlich streite ich mich nicht gerne. Aber ich bin da manchmal sehr stur."

"Das habe ich gemerkt.", sage ich lachend. 

Ich genieße die Umarmung. Lukes Körper fühlt sich gut an meinem an, ich fühle mich so sicher in seinen Armen, dass ich noch ewig so verweilen könnte. Auch Luke scheint sich zu entspannen. Ich schließe für einen Moment die Augen und atme seinen herben Geruch ein.

Leider geht ausgerechnet in diesem Moment die Küchentür auf und Mum steht im Flur. Wir fahren auseinander und ich streiche mir verlegen durch die Haare.

Überrascht sieht sie uns an. "Oh... Ich hab nur den Lärm vom Streit gehört, aber zwischen euch scheint ja wieder alles gut zu sein."

Ich erröte leicht, während Luke das offenbar ganz locker sieht. "Kleiner Streit unter Geschwistern. Aber ja, alles cool."

Mum lächelt beseelt. "Das freut mich aber, dass ihr euch so gut versteht. Ich hatte schon Bedenken, weil ihr ja so unterschiedliche Charaktere seid, aber es scheint ja wunderbar zu harmonieren."

Ich nicke. "Ja, ganz wunderbar."

Ich höre Luke neben mir schmunzelnd ausatmen und muss ebenfalls grinsen. So ist das wohl bei uns. Wir sind eben unterschiedlich, aber irgendwie passt es auch. Und ehrlich gesagt habe ich Luke auch echt gern.

let me be your babyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt