zweiundzwanzig

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Luke und ich gehen zum Strand, das Wetter heute ist der Hammer. Eine Ewigkeit sitzen wir einfach nur im Sand, reden über Gott und die Welt und bräunen uns in der Sonne. Es ist schön, dass Luke und ich trotz unserer verkorksten Beziehung so normal miteinander umgehen können. Manchmal ist es, als würden wir uns schon ewig kennen und nicht erst zwei Wochen. Ich mag es, Zeit mit ihm zu verbringen.

Nachmittags holen wir uns Pommes und Cola von einem Imbiss am Strand. In der Öffentlichkeit lassen wir uns nicht anmerken, dass da etwas zwischen uns ist - die Leute kennen uns, und dass die "Geschwister" etwas miteinander haben, würde sich wohl herumsprechen wie ein Lauffeuer. Klar, wir sind nicht verwandt, aber trotzdem ist es immer noch ein absolutes Tabu. Ich will gar nicht wissen, was Mum dazu sagen würde, wenn sie all das wüsste. Mum ist das absolute Gegenteil von mir und wirklich überhaupt nicht prüde. Aber so richtig begeistert wäre sie sicher auch nicht, wenn sie wüsste, dass ich mit dem Sohn ihres Partners rummache.

Am späten Nachmittag gehen wir dann zurück. Mum und James könnten schon zurück gekommen sein. Damit wäre unsere Privatsphäre dann wohl dahin, was ich ehrlich gesagt ziemlich traurig finde. Ich habe es genossen, mal mit Luke alleine zu sein - ansonsten wären wir uns wohl nie so nahe gekommen.

***

Mum und James sind tatsächlich schon du und meine Mutter begrüßt mich mit einer ihrer engen Umarmungen. "Mum, ich bekomme keine Luft!", keuche ich und drücke sie lachend von mir weg. Sie lacht ebenfalls. "Das tut mir aber Leid. Wie geht es euch beiden denn?"

Ich zucke mit den Schultern. "Na, normal eben. Ist nichts besonderes passiert in den paar Tagen, die ihr weg wart."

Luke neben mir nickt. "Mhm, nichts Besonderes. Alles beim Alten. Aber wir hatten ein schönes Wochenende."

Ich muss mich echt zusammen reißen, um ihm in diesem Moment nicht einen Tritt zu verpassen. Der Unterton, mit dem er diese Worte ausspricht, ist nämlich ziemlich eindeutig und ich weiß genau, dass er auf unseren Kuss und die Tatsache, dass er mich in Unterwäsche gesehen hat, anspielt.

Wir verbringen den Abend wieder ganz idyllisch als Familie und Mum und James erzählen von ihrem Urlaub. Doch so richtig kann ich mich gar nicht auf das Gespräch konzentrieren. Denn jedes Mal, wenn ich Luke anschaue, kann ich nur daran denken, wie es war, ihn zu küssen.

***

Am nächsten Morgen fühle ich mich beinahe etwas seltsam, als ich das Schulgebäude betrete. Das erste Mal habe ich das Gefühl, angeschaut zu werden und nicht völlig in der Menge umzugehen. Vielleicht bilde ich mir das auch nur ein, weil ich mich in meinen neuen Klamotten selbstbewusster fühle. Doch irgendwie... schauen die Leute auf mich. Zum ersten Mal in meinem Leben. Vorher sind sie maximal über mich hergezogen.

Ich betrete zur ersten Stunde wieder den Raum und lege meine Schulsachen auf den Tisch. Ich liebe das Fach Literatur, doch Louis und Josh machen es mir völlig kaputt. Dadurch, dass auch hier sonst niemand ist, mit dem ich mich unterhalten könnte und ich gezwungen bin, auf meinem Platz sitzen zu bleiben, nehmen sie sich auch absolut nicht zurück und in jeder Stunde kommen neue miese Kommentare von ihnen.

Genau in diesem Moment betreten sie meine Sitzreihe und Louis lässt sich provokant nah an mir auf seinen Platz fallen. "Morgen, Isabella."

Ich antworte gar nichts. Ich weiß, egal was ich tue, ob ich antworte oder nicht, dass es sowieso nicht richtig ist. Ich werde mir immer etwas anhören müssen. Das Schlimmste ist, dass ich sogar Angst vor ihnen habe. Und das nur wegen dem, was an meinem ersten Schultag hier passiert ist. Ich weiß genau, dass ich das nicht so schnell vergessen werde - vermutlich niemals. Und Louis, Josh und die anderen Beiden wissen das auch und nutzen ihre Macht schamlos aus.

"Mal wieder nicht so gesprächig heute?", kommt es von Josh. Ich schaue nicht zu ihnen, doch ich spüre die Blicke meinen Körper entlang wandern. Ich halte vor Anspannung die Luft an und verschränke die Arme vor der Brust.

"Schönes Outfit, gefällt mir.", sagt Louis, doch sein Unterton macht mehr als deutlich, dass die Worte nicht so freundlich gemeint sind, wie er sie formuliert hat.

"Passt gar nicht zu der frommen Kirchengängerin, die du sonst bist."

Ich versteife mich. Woher wissen die das? Eigentlich habe ich hier kaum jemandem erzählt, dass ich in die Kirche gehe. Ich mache zwar kein Geheimnis daraus und wenn mich jemand fragt, stehe ich dazu, aber ich hasse es, wenn sich Leute nur aufgrund meines Glaubens ein Bild von mir machen. Und am Allerwenigsten wollte ich, dass Louis und Josh davon erfahren, denn das wird ihnen nur noch mehr Antrieb geben, mich fertig zu machen.

"Komm, jetzt zeig doch mal!", sagt Louis und packt mich am Arm. Meine Arme, die ich vor der Brust verschränkt hatte, zieht er zurück. Ich springe auf.

"Lass mich in Ruhe, verdammt!", zische ich und schüttele seine Hand ab. Wieso merkt denn hier sonst niemand, wie sie zu mir sind? Oder es interessiert die anderen einfach nicht, weil niemand wirklich etwas mit mir zu tun hat. Im Unterricht würden die Beiden natürlich auch nie Schlimmeres machen, sondern sie gehen immer nur so weit wie nötig.

Louis und Josh werfen sich einen Blick zu und lachen los. Ich setze mich wieder hin und rücke ein großes Stück zur Seite.

"Steht dir aber gut. Echt... sexy.", sagt Josh. Ein eiskalter Schauer läuft mir über den Rücken. Das von einem wie ihm zu hören, ist für mich alles andere als ein Kompliment. Auf einmal fühle ich mich in meinem Outfit gar nicht mehr so wohl wie noch vor einigen Minuten. Mein Outfit zeigt nicht zu viel, das weiß ich. Aber es ist etwas völlig anderes als die schlabberige Jeans und das basic T-Shirt, das ich sonst getragen habe. Was, wenn ich damit nur noch mehr ausgelöst habe? Was, wenn das den Jungs nur noch mehr Zündstoff gibt?

let me be your babyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt