Schweigend schob ich mein Rad neben Oliver her, bis wir irgendwann an der Siedlung angekommen waren und unsere Wege sich trennten. Ich wusste nicht ganz genau wo Oliver wohnte und im Grunde war es mir auch ziemlich egal, schließlich wusste er auch nicht, wo ich wohnte.
Sollte irgendwann etwas zwischen einem von uns vor fallen, konnte ich zur Not immer noch einen Schlussstrich ziehen, nicht mehr in den Ring kommen und spurlos aus dem Leben aller verschwinden. Die meisten wussten nicht mal meinen normalen Namen, was mich extrem entspannte und mir half, manchmal mit wildfremden Konversation zu halten.
Nachdem ich mich von Oliver verabschiedet hatte, war ich jetzt also allein mit der Dunkelheit. Und es war tatsächlich sehr dunkel, denn was eine normale Straßenbeleuchtung war, hatten die Elektriker*innen, oder wer immer dafür zuständig war, in dem Teil des Wohngebietes anscheinend noch nicht so ganz verstanden. Es waren gefühlt mehr Laternen kaputt als funktionierten.
In meinen Bademantel gehüllt begann ich langsam zu frieren, während ich den Abend nochmal in Gedanken passieren ließ. Ein bisschen des Triumphes darüber, dass ich beide Kämpfe gewonnen hatte, war noch da, aber auch das klang langsam ab, bis sich wieder eine Leere in mir breit machte, die ich gar nicht mehr versuchte zu füllen.
Und da waren sie dann auch schon. Die Gedanken, die Erinnerungen an andere Zeiten. Verzweifelt versuchte ich an etwas anderes zu denken, an unsere Gespräche heute Abend, doch da fiel mir auch schon ein, was ich heute gemacht hatte.Flashback:
Plötzlich war ich wieder acht Jahre alt und saß mit John am Küchentisch, malte ein Bild, als Dan reingerannt kam. Er hatte heute seinen ersten Sporttag in der Schule gehabt und war noch immer total aufgedreht von dem TerraX Tunier.
Neidisch schaute ich zu ihm, während er sich an den Schränken zu schaffen machte. ,,Du sollst nicht immer alle Kekse aufessen", rief ich erbost, als er, wie ich mir schon gedacht hatte, an unseren Vorrat ging, der auf wunderliche Weise jeden Tag weiter schrumpfte.
Ertappt schaute Dan zu mir rüber und schob sich dann einen Keks in den Mund:,, Du bischt jünger als ich, du kannst mir gar nichts sagen" Doch an dem funkeln in seinen Augen erkannte ich, dass es keine Bleigung war, weshalb ich darauf einging, indem ich mich mit einem perfektem Indianergeheule auf ihn stürzte.
Die Fliesen waren extrem kalt und hart, aber dafür landete nicht nur ich, sondern auch Dan auf dem Boden, der Keks lag einen Meter von uns entfernt. Nach einem kurzen Blickwechsel robbten wir beide nach vorne, und balgten uns um den Keks.
Dabei waren wir so sehr mit lachen und kreischen beschäftigt, dass keiner von uns mitbekommen hatte, dass Alex rein gekommen war, bis wir plötzlich spürten, wie etwas nasses uns überschüttete.
Überrascht kreischend schaute ich nach oben, direkt in die Augen meines ältesten Brüders, der lachend auf uns herunter schaute. ,,Das gibt Rache", rief Dan lachend und sprang auf, wobei Alex schon zur Terassentrür rannte und dabei John hinter sich herzog, welcher ihm ebenfalls lachend folgte.
Von einem Moment zum anderen war der Keks vergessen und Dan und ich verbündeten uns.
Aber während der wilden Verfolgungsjagd durch den Garten, musste ich so sehr lachen, dass ich am Ende Bauchschmerzen bekam und mir bewusst wurde, was für ein unfassbares Glück ich mit meiner Familie hatte. Es war ein perfekter Moment, wovon ich dachte, dass ich in meinem Leben noch viele ähnliche mit meinen Brüdern erleben würde.
Flashback EndeMein Atem ging nur noch stoßweise und ich war froh, dass ich nicht auf dem Farrad saß, an das ich mich jetzt wie eine ertrinkende festklammerte. In meiner Brust herrschte so eine schmerzende Leere. Es fühlte sich so an, als sei alles einfach nur schrecklich. Solche Flashbacks, einfache Erinnerungen an mein Leben vor acht Jahren schafften es, mich komplett aus der Bahn zu werfen, sodass ich nicht mehr wusste wie weiter.
Jedes einzelne mal, bei jedem Flashback, brauchte ich immer, um es zu verdauen, oder eher wieder in den hintersten Teil meines Gedächnis zu schieben. Und dann brauchte es doch wieder nur eine Kleinigkeit, etwas, was es trotzdem schaffte, mich so sehr zu triggern, dass ich einfach nicht mehr konnte.
Egal wie sehr ich mich anstrengte, die Träume, die Flashbacks, es wurde nicht weniger. Und deswegen blieb mir nichts übrig, als zu warten, bis mein Atem sich wieder beruhigt hatte, der plötzliche Schweißausbruch aufhörte, damit ich weiter machen konnte, als sei nicht passiert, was verdammt noch mal nicht stimmte.
Aber ich hatte ja keinen mehr, mit dem ich darüber reden konnte, weil mich einfach jede einzelne Person verlassen hatte, als ich sie doch am meisten brauchte.Es brannte noch Licht im Wohnzimmer, was dann wohl bedeutete, dass ich lieber schon mal meine Ohrpads suchen sollte, die ich in einer kleinen Tasche am Fahrrad lagerte, für den Fall der Fälle.
Es war extrem nervig, seiner eigenen Tante, egal wie wenig man sie mochte und als Verwandte ansah, jeden Abend beim Gestöhne zu zu hören. Genau deswegen zog ich die Wochen zwischen den Beziehungen trotz ihren ständigem rumgeschniefe eindeutig vor.
Am Anfag, als ich gerade hier eingezogen war, hatte ich tatsächlich noch versucht Sandara zu trösten, allerdings war das unnötig. Denn irgendwann hatte selbst ich gelernt, dass das einzige was man bekam, eine Predigt darüber war, dass sie allei sein wollte und ich mich um mein eigenes Leben kümmern sollte
Also kletterte ich nun schön geschmeidig über den Baum durchs Fenster in mein Zimmer, wechselte die Ohrstöpsel gegen Kopfhörer, stellte ein Lied auf Dauerschlauf und begann damit mich nochmal nach zu dehnen, damit ich auch schön beweglich blieb und nicht, wenn ich in fünf Stunden wieder aufstehen musste, mich nicht mehr bewegen konnte.
DU LIEST GERADE
Alone in the Underground
RandomTriggerwarnung* Allein sein: Für manche bedeutet es Traurigkeit. Für andere grenzenlose Einsamkeit. Doch Natalie hat sich daran gewöhnt. Sie musste es, von einem auf den anderen Tag. Sechs Jahre ist es schon her, dass ihr friedliches Leben plötzli...