Kapitel 18

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Schluchzend umklammerte ich mich selber, versuchte mir Halt zu geben, weil es keinen mehr gab, der sonst die Aufgabe übernahm.
Ella hatte mir die gesamte Wohnung gezeigt, welche wirklich fantastisch war, doch dann musste sie losfahren, zur Arbeit. Ich wusste jetzt schon, dass ich riesen großes Glück gehabt hatte: Ella schien echt nett zu sein und mein Zimmer war zwar klein, aber sogar noch möbiliert. Es schien ein altes Gästezimmer gewesen zu sein, was aber so selten benutzt worden war, dass Ella irgendwann entschieden hatte, sie würde es besser vermieten können. Das  alles war eine glückliche Fügung des Schicksals für mich gewesen.
Aber es reichte einfach nicht aus, um über die Trauer von Darlings Tod hinweg zu kommen. Was war bloß mit meinen wunderbaren Mauern geschehen? Wir hatten uns nur ein paar Tage so ein bisschen gekannt, genau wie mit den Jungs hatte ich eigentlich keine all zu feste Beziehung geführt, aber trotzdem war sie zu mir durchgegedrungen.
Immer noch leise schluchzend wischte ich mir die Tränen aus dem Gesicht. Ich fühlte mich total schwach, hatte Kopfschmerzen und war einfach nur... leer. Es Fühlte sich so an, als hätte ich all meine Reserven an Kraft aufgebraucht und das sofort zum Beginn meines Neuanfangs.
Mein Blick wanderte zu dem Gepäck, was ich nur ins Zimmer getragen hatte. Draußen war es mittlerweile komplett hell, weshalb es vermutlich keinen Sinn machte, wenn ich noch versuchen würde, zu schlafen. Denn selbst der Schlaf brachte mir meistens keine Erholung.
Stattdessen machte ich das, was ich mir in den letzten Jahren fast bis zur Perfektion antraniert hatte: Ich machte weiter, verdrängte meine Sorgen.
Nachdem ich kurz unter die Dusche gesprungen war, was meistens half, um das Gefühl von dem weinen ab zu waschen, begann ich damit, einen Teil meiner Sachen aus zu packen, bis ich schließlich aufgab.
Draußen versprach ein blauer Himmel einen schönen warmen Tag und ich wollte endlich meinen neuen Lebensort erkunden. Seufztend schaute ich mein Chaos an, was ich veranstaltet hatte, suchte dann schließlich nach meinen Kopfhörern.
Das einräumen konnte ich schließlich auch noch spätermachen. Außerdem konnte ich bei einem kleinen Spatziergang vielleicht sogar schon etwas von den anderen Gangs in der Gegend erfahren. Viele Informationen, wer vor Ort überhaupt vertreten war, hatte ich nicht unbedingt, aber Boxkämpfe waren Boxkämpfe, da gab es nur vom Niveau ein paar Unterschiede.
Mit Musik in den Ohren, die mich davon erzeugen sollte, dass alles gut war, lief ich nach draußen. Es war jetzt deutlich wärmer, fast schon sommerlich draußen.
Eigentlich lebte ich, wie schon im dunkelen vermutet in einem ziemlich langweiligem Wohngebiet. Manche Häuser sahen schöner aus, andere weniger. Das Haus von Ella und Beth war eindeutig nichts besonderes von außen, aber dafür wusste ich ja, wie schon es innen war und wie die Menschen waren, die dort drinnen wohnten.
Gedankenverloren lief ich durch die Gegend, saugte alles in mich auf. Heute war Samstag, was bedeutete, dass mir einige Spatziergänger entgegen kamen, obwohl es noch relativ früh war.
In meinem Magen begann es zu rumoren., als ich daran dachte, was morgen noch kommen sollte.
Der Direktor hatte mir bereits bei unserem ersten Telefonat angekündigt, dass er vorher organisieren wollte, dass ich eine Führung durch die Schule bekommen sollte und danach hatte ein Sekretär nochmal eine Nachricht geschickt, die besagte, dass ich am Sonntag um 9Uhr bitte an der Schule sein sollte.
An sich war das eine gute Chance. So konnte ich schon mal versuchen, mich irgendwie zu orientieren und lernte eine Person aus meiner neuen Klasse kennen, was das beste war. Mit einer einzelnen Person fiel es mir meistens deutlich leichter, Kontakt auf zu bauen.
Trotzdem graute es mir davor, wenn ich dann am Montag schon in die Schule musste, das war doch total mies, warum hatte ich mir nicht einfach noch eine Woche fei gegeben? Aber andersrum hätte ich da vermutlich ehe nur getrauert und wäre immer weiter gesunken.
Irgendwann wurde mir bewusst, dass ich mich im Kreis bewegt hatte, als ich wieder vor meinem neuen zu Hause stand. Das hatte ja schon mal super geklappt.
Bevor ich wieder so was machte öffnete ich eine Karte auf meinem Handy mit der Erlenntnis, dass ich einfach nur die Straße hätte runter gehen müssen um erst zu ein paar Wiesen und Wäldern zu gelangen, welche dann an der Klippe endeten.
Tatsächlich lag meine Wohnung ziemlich nah am Meer. Es war noch eine Straße, in der Häuser mit größeren Gärten standen, dann war Endstation und die Wiesen begannen.
Automatisch musste ich lächeln, als das wunderbare Gefühl der Freiheit und des Sommers von mir Besitz ergriff. Es gab nichts befreienderes als die pure Natur in ihrer vollen Pracht.
Unbewusst begann ich zu joggen, joggte durch das kniehohe Gras, wourch prompt meine Hose vom Tau nass wurde, aber das machte mir im Moment nichts aus.
Ich lief einfach immer weiter, bis schließlich ein helle Mischwald begann. Erst dort wurde ich langsamer. Er war ein kompletter Gegensatz zu dem Wald, durch den ich immer gelaufen war, um in den Ring zu kommen. Dort war es immer düster und matschig gewesen, während hier alles grün war.
Tief einatmend dachte ich daran, wie Darling sich hier wohl drüber gefreut hätte. Wäre sie an meiner Stelle  nach geflogen, dann wäre sie jetzt auf jeden Fall nicht tot, weil sie gar nicht an dem Wettkampf hatte teilnehmen müssen.
Sofort wollten die Tränen wiederin mir hoch steigen, aber ich hatte nicht umsonst Stahlfesseln für solche Gedanken erstellt. Die Trauer war zwar immer Teil von mir, doch es musste weitergehen.
Nicht nur einmal hatte ich überlegt, warum ich eigentlich alles wegsteckte und weitermachen wollte. Aber ich hatte tatsächlich ein Ziel. Ich wollte ein gutes Leben führen, mir etwas eigenes Aufbauen und dann würde ich meine Brüder aufsuchen und ihnen meinen  ganzen Hass vor die Füße knallen. In der Hoffnung, dass ich sie wenigstens ansatzweise so verletzten konnte wie sie mich verletzt hatten.

Alone in the UndergroundWo Geschichten leben. Entdecke jetzt