Ich freute mich, wie ein kleines Kind, was kurz vor der Bescherung zu Weihnachten stand.
Jemand klopfte und kaum hatte ich herein gesagt kamen sie auch schon alle in mein Zimmer: Alex. Dan. Jo. Rachel. Darling.
Und dann auch Jesper.
Meine Augen blieben an ihm heften, ich schluckte trocken.
Er sah müde aus. Ausgelaugt.
Was hatten ihm die letzten Tage wohl gebracht?
Erst als er mir ein kleines Lächeln schenkte entspannte ich mich.
Zwischen uns war alles okay!
Plötzlich sah die Welt schon wieder ganz anders aus.
Ich hatte mich extra hingesetzt, damit ich nicht so krank aussah, wie ich mich eigentlich fühlte, aber leider war es mir nicht möglich, auf zu stehen und sie zu umarmen.
Stattdessen standen sie für einen Moment einfach nur da und starrten mich betreten an, als wäre ich kurz vor dem Sterben.
So schlimm war es dann auch wieder nicht.
,,Jetzt schaut nicht so verängstigt, mir geht es gut", forderte ich die anderen dazu auf, während mein Blick schon wieder bei Jesper hängen blieb.
Ob es mir gut tehen würde, das lag allein in seinen Händen.
Aber wenigstens veranlasste das die anderen alle an mein Bett zu kommen und durcheinander zu reden.
Rachel liefen ein paar Tränen übers Gesicht, aber auch die anderen sahen ziemlich erschöpft, jedoch glücklich aus.
,,Was ist passiert?", fragte Jo mich, während er sich auf meine Bettkante setzte.
Alle anderen wurden still, natürlich wollten sie die Antwort auf diese Frage haben.
Aber war ich schon bereit, darüber zu sprechen, was alles passiert war?
Doch sie hatten auch ein Recht darauf zu erfahren, was passiert war.
Ich versuchte die Situation möglichst emotionslos zu berichten, leider war alles noch ziemlich präsent.
Als Jo mir mitfühlend über meinen Klinken Arm Strich zuckte ich zusammen, als hätte er mich geschlagen.
Betreten schweigen herrscht.
Mein Vater hatte seine Spuren an mir hinterlassen und das waren nicht nur körperliche.
Es würde dauern, bis ich wieder so wie vorher war, aber vielleicht war das auch gar nicht nötig.
Auf jeden Fall würde ich dadurch über mich hinauswachsen.
,,Was ist bei euch so passiert?", erkundigte ich mich schnell, bevor jemand bei mir nachhaken konnte.
Mehr wollte ich zu den Ereignissen noch nicht sagen.
Alle lieferten Berichte darüber, was passiert war und ich hörte staunend zu, wie sie Familie Rosental besucht hatten und dann das Video von mir gekommen war.
Es tat mir leid, dass sie wegen mir so viel Stress hatten. Das wollte ich nicht.
,,Papa ist jetzt gerade bei der Polizeistation, um die Unterlagen dort ein zu reichen, damit sie weiter verarbeitet werden, der ich denke, David Will wird sehr bald festgenommen", endete Darling.
Von allem sah sie frischesten aus.
Ihre Wangen waren gerötet und ihr Blick wanderte immer mal wieder zu Rachel.
War das Freundschaft oder was anderes?
Ich würde sie wohl noch mal fragen müssen.
Aber viel mehr beschäftigte mich gerade Jesper, der als einziger gar nichts gesagt hatte, aber mich unentwegt mit einem fast schon scheuen Lächeln anschaute.
Ich wollte meine Brüder nicht raus schmeißen, aber die Vorstellung, mit ihm alleine zu reden war schon schön.
Anders gesagt: ich brannte vor Neugier und Sehnsucht endlich mit ihm reden zu können.
Eine Umarmung hätte vielleicht gereicht. Aber ich wollte reden.
Ein Blick von Rachel auf mich reichte und sie hatte es verstanden, ebenso wie Darling, die heftig mir den Augenbrauen wackelte und sich, kokett lächelnd eine rote Haarsträhne aus dem Gesicht strich.
Ich lief knallrot an.
Sie konnte ja nicht wissen, dass meine Gedanken gerade weiter gewandert waren.
Zu einem gewissen Picknick.
Zu einem ganz gewissen Kuss.
Leider bemerkten meine Brüder nicht, dass mein Blick immer wieder zu Jesper wanderte und meine Antworten kürze als gewohnt ausfielen, sondern erzählten mir, wie sehr sie mich vermisst hatten.
Ich hatte sie ja auch vermisst, aber...
Der Blick von Jesper war einfach nicht zu deuten.
Ich wollte doch nur wissen, was er dachte!
Warum war er so verschüchtert?
Wollte er mir nicht sagen, dass er mich scheiße fand, weil ich ja gerade so meinem Vater entkommen war und jetzt im Krankenhaus lag?
Weil wenn das der Grund war, dann war ich ganz schön sauer.
Während ich mich mir allen darüber unterhielt, wie verrückt das Ganze war, überlegte ich fieberhaft, wie ich Jesper alleine noch hier behalten könnte, wenn die anderen gingen.
Diesmal flog die Zeit nur so, und als es klopfte und der Doktor eintrat, war es schon später Nachmittag.
Es war eine weibliche Doktorin, die sich mir einem lächeln vorstellte:,, Entschuldigt bitte die Herrschaften, ich bin Doktor Jones und müsste Sie einmal bitten, nach draußen zu gehen. Ich muss Natalie Torres einmal untersuchen."
,,Wie lange muss sie ungefähr noch um Krankenhaus bleiben?", fragte Alex, der versuchte die Rolle des Erziehungsberechtigten ein zu nehmen.
Die Doktorin zuckte mit den Schultern:,, Ich schätze auf eine Woche, aber um genaueres zu sagen müssen wir Frau Torres einmal untersuchen."
Holla die Waldfee! Eine Woche!
Das war lang.
Aber es bestand ja noch die Hoffnung, dass bei mir alles gut war und ich schon in zwei Tagen raus konnte.
Die anderen ging raus, Jesper als letztes und ich versuchte mit meinen Augen mit
ihm zu kommunizieren.
Komm noch mal wieder. Alleine. Ich will mit dir reden. Ich habe dich so sehr vermisst.
Jetzt konnte ich nur noch hoffen, dass Jedper mich verstanden und meine Blicke richtig gedeutet hatte.
Missverständnisse gab es zwischen uns schon genug.
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Alone in the Underground
RandomTriggerwarnung* Allein sein: Für manche bedeutet es Traurigkeit. Für andere grenzenlose Einsamkeit. Doch Natalie hat sich daran gewöhnt. Sie musste es, von einem auf den anderen Tag. Sechs Jahre ist es schon her, dass ihr friedliches Leben plötzli...