Rachel war nicht schwer auf zu finden. Sie stand an ein paar Steinen, die irgendein Jahrgang als Abschlussgeschenk da gelassen hatte, wo wir uns immer trafen.
Etwas nervös- und zum Glück nicht mehr ganz so benebelt, nachdem ich mir eben noch etwas Wasser ins Gesicht geklatscht hatte, lief ich langsam auf sie zu und verfluchte mich und meinen knurrenden Magen dafür, dass ich heute in der Eile kein Essen eingepackt hatte.
Unsicher, wie ich das ganze anfangen sollte setzte ich mich zu Rachel, die mich nicht anschaute sondern stattdessen sehr ernergisch in ihr Brötchen biss.
,,Rachel, es tut mir wirklich leid, dass ich heute morgen so mies war. Ich will dich natürlich durch niemanden ersetzten. Ich habe dir versprochen, niemals so etwas ab zu ziehen, wie Jesper es gemacht hat und das werde ich auch nicht machen. Aber als Smash mich angegriffen hat, hatte ich nun mal kein Handy dabei und Jesper hat mich gefunden, also hat sich das so ergeben. Ich wusste nicht, dass das so schlimm für dich gewesen ist..."
Jetzt drehte Rachel den Kopf zu mir und unterbrach mich:,, Vielleicht habe ich etwas überreagiert, aber natürlich ist es schlimm, wenn meine beste Freundin morgens plötzlich ankommt und mir erzählen will, dass die Person, die dich am meisten verletzt hat, gar nicht so schlimm ist"
Ich zog eine Grimasse. Ja, ich war nicht unbedingt feinfühlig gewesen.
Aber Rachel war noch nicht fertig:,, Wie gesagt, es kann sein, dass ich etwas überreagiert habe, ist mir auch klar geworden, aber du verstehst doch irgendwie, dass ich es nicht so lustig fände, wenn du die ganze Zeit mit Jesper herum hängen würdest"
Mir schoss das Angebot von Jesper durch den Kopf, bei dem er mir erzählen wollte, was passiert war, als er plötzlich den Kontakt zu Rachel abgebrochen hatte, aber es schien mir irgendwie nicht ganz richtig, Rachel das jetzt zu sagen.
Also nickte ich bloß:,, Klar versteh ich das, natürlich."
Irgendwie fühlte es sich falsch an. Ich konnte natürlich die Bedenken von Rachel verstehen, aber gleichzeitig war es komisch, dass sie mir vorschreiben wollte, wie ich mich gegenüber Jesper verhielt.
Ich dachte an unser Projekt, was wir miteinander machen mussten und das Training, bei dem sich Kontakt ebenso wenig vermeiden lassen würde, sagte jedoch nichts.
Rachel war mir wichtiger als Jesper.
Ihre Freundschaft bedeutet mir jetzt schon mehr, obwohl wir uns erst so kurz kannten. Doch daür würde ich einfach alles tun, denn was brachte es mir, wenn Jesper mit mir klar kam.
Ich war nicht in der Lage, mit meinen Brüdern so um zu gehen, als wären sie ganz normale Menschen, die ich nicht kannte. Und Jesper gab es nur im Viererpack mit meine Familie.
Das hörte sich ziemlich berechnend an, allerdings schaffte ich es nicht wirklich, das alles im Moment zu denken.
Ich legte mich auf den boden und schaute in die Wolken, sah zu, wie sich immer wieder neue Bilder formten und im nächsten Moment schon wieder verschwunden waren.
Rachel und ich waren super Freunde, nach einem kleinen Streit musste man nicht sofort alles in Frage stellen, deswegen machte ich mir wahrscheinlich unnötige Gedanken.
AberJesper würde mich nochmal fragen, ob wir den Deal einging.
Und ich musste ihm eine Antwort geben.
Nur leider wusste ich dann immer noch nicht ganz, was ich antworten sollte.
Wenn ich die Wahrheit wüsste, dann könnten er und Rachel sich vielleicht aussöhnen, denn Rachel litt eindeutig noch darunter.
Allerdings würde ich die Wahrheit nur bekommen, wenn er nicht auch meine Wahrheit bekam.
Ich dachte an den Todestag meiner Mutter. Noch eine Woche, dann war es ein weiteres Jahr her.Plötzlich wusste ich, was ich machen könnte.
Ich würde einfach bis zu dem Tag warten und schauen, wie meine Brüder sich dort verhielten. Wenn sie ganz normal handelten, dann war das der Beweis, dass sie sich keinen feuchten Dreck mehr um unsere Familie kümmerten, was wiederum bedeutete, dass ich mich ruhig outen und ihnen alle in den Arsch treten könnte.
Aber wenn sie trauerten, dann würde ich mir etwas anderes überlegen müssen. Denn entweder sie trauerten nur um meine, um unsere, Mutter oder erinnerten sich auch noch an mich.
Generell war es schon ziemlich traurig, dass mein eignes Fleisch und Blut mich nicht erkannte, aber darüber kam ich hinweg. Es reihte sich einfach in eine lange Geschichte von Gründen ein, weshalb ich sie allesamt hassen konnte.
Müde schloss ich meine Augen.
Vielleicht war es bei Sandara im Haus, bei den Kings und den Jungs doch einfacher gewesen. Mein Leben war dort, umunstritten beschissen gewesen, allerdings hatte ich dort viel weniger Probleme gehabt, die es zu lösen gab.
Dort war ich ein Trauerkloß gewesen, der wie eine Mischung aus Gothic und Emo Mädchen herumlief, aber hier war ich so viel mehr:
Ich hatte eine beste Freundin und einen Haufen Probleme.
Ich hatte die Möglichkeit, meine Brüder kennen zu lernen, aber das brachte auch Probleme.
Alles brachte Probleme.
Frustriert drehte ich mich etwas zur Seite und sofort musste ich wieder an die Nacht denken. Es tat immer noch weh wenn ich mich zur Seite drehte und vermutlich sah ich gerade aus, wie eine fehlgeleitete Irre, aber so sahen mich ja ehe schon alle. Da konnte ich mich schon mal auf den Schulhof legen.
Gerade als ich mich aufsetzen wollte raschelte es und ich drehte jetzt nur meinen Kopf etwas zur Seite, wodurch ich direkt ins Rachels Gesicht blickte, die sich genau neben mich gelegt hatte.
Ja, es half schon, wenn man jemanden fand, der genauso komisch war wie man selbst. Aber es war auch kein Verbrechen, wenn ich ihr fürs erste nicht erzählte, dass Jesper und ich uns ins nächster Zeit noch öfters sehen würden.
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Alone in the Underground
LosoweTriggerwarnung* Allein sein: Für manche bedeutet es Traurigkeit. Für andere grenzenlose Einsamkeit. Doch Natalie hat sich daran gewöhnt. Sie musste es, von einem auf den anderen Tag. Sechs Jahre ist es schon her, dass ihr friedliches Leben plötzli...