Kapitel 70

486 32 0
                                    

Wieder verschwamm meine Sicht für einen Moment und ich musste angestrengt blinzeln, um meine Brüder und Jesper wieder scharf zu sehen. Verdammt, vielleicht hatte ich doch ein kleines bisschen übertrieben beim trainieren.
Meine Brüder wechselten nochmal kurz Blicke und meine Gefühle verwandelten sich ganz spontan in körperlichen Schmerz. Es tat weh, zu sehen, wie sie immer noch die Einheit waren, zu der ich früher auch gehört hatte.
Wie immer übernahm Alex seine Rolle als ältester Bruder ein und begann damit, ihre Version der Geschichte zu erzählen:,, Du weißt, dass wir manchmal auch Sachen ohne dich gemacht haben, Natalie und das war nie böse gemeint. Im Prinzip war es um doch zu schützten. Denn Jo, er hat, kurz nach deinem achten Geburtstag etwas über unseren Vater gefunden"
Jetzt begann Jo zu erzählen und ein weiterer Krampf fuhr duch meinen Magen, als ich an die vielen Geschichten dachte, die er uns erzählt hatte:,, Ich bin zufällig darüber gestolpert. Mom war einmal nicht im Haus zu finden und deshalb hab ich in ihrem Büro geschaut. Die Tür stand offen, aber sie war nicht drinnen. Doch als ich die vielen Papierberge auf ihren Schreibtisch gesehen habe bin ich neugierig geworden. Sie hat ja nie viel von ihrer Arbeit erzählt, aber mich haben die ganzen Rechtslagen sehr interssiert.
Doch alles, was ich gelesen habe, hat sich bloß auf eine einzige Person bezogen. David Will. Und an irgendwas hat der Name mich erinnert. Ich habe immer weiter gelesen, konnte aber irgendwie nichts anfangen mit dem ganzen Zeug."
Jetzt übernahm Dan:,, Am morgen hat Jo mich gefragt, ob der Name mir was sagen würde, aber ich wusste auch nichts und hatte auch keine Ahnung, was die ganzen aufgelisteten Vergehen waren, also haben wir Alex gefragt"
,,Ich konnte mich noch an den Namen erinnern. Die Erinnerungen waren ziemlich wage, aber da war noch ein Gesicht. Ein Gesicht und ein Name. David Will ist unser Vater. Ich habe es erst nicht mal Dan und Jo gesagt, weil ich selber nachforschen wollte, weshalb ich mich nochmal in Moms Bürozimmer geschlichen habe. Sie hat mich fast erwischt, also habe ich das auf sich ruhen lassen."
,,Aber drei Wochen später war der Tag, an dem sie sich immer in ihr Zimmer eingeschlossen hat, um zu weinen", jetzt übernahm wieder Dan ,,Und da ist mir auch eingefallen, woher ich den Namen David Will kenne. Alex hat mir mal von ihm erzählt und ich war natürlich viel neugieriger als er. "
,,Dan und ich haben gemeinsame Nachforschungen in Moms Büro angestellt und immer mehr Zeugenberichte, Verbrechesreporte oder ähnliches gefunden. Nur waren wir immer noch zu jung, um zu verstehen, was da vor sich ging. Also haben wir nochmal Alex gefragt. Wir wussten ja nicht, was er schon wusste."
,,Und ich habe ihnen geholfen. Uns wurde ziemlich spät klar, was wir da vor uns hatten. Das einzige, worin wir uns einig waren, war das es schlimm sein musste, wenn Mom es vor uns geheim hält, weshalb wir es dir auch nicht gesagt haben."
Einen Momet herrschte Stille, während ich versuchte, alles zu verarbeiten und mich nicht vor Schmerz zu krümmern.
Schließlich fuhr Jo fort.,, Erst drei Tage vor dem Tod von Mom haben wir herausgefunden, was das alles war. David, er führt eine Gang, genaue gesagt die Kings Gang, welche zahlreiche Verbrechen die bis zu mehrfachen Mord gehen, auf dem Gewissen hat. Und Mom ist dahinter gekommen, deswegen hat sie mit ihm Schluss gemacht und versuchte dann, heimlich ihn zu überführen. "
,,Als sie bei der Bank erschossen wurde, da war das nicht zufällig. Mom hatte alles fertig, sie hatte genug Zeugenberichte, genug Beweise, um ihn und einige weitere Haupttäter vor Gericht führen zu können. Aber irgendwie ist er dahinter gekommen. Er hat sie nicht selber erschossen, ist aber höchst persönlich zu uns gekommen"
Dans stimme triefte geradezu vor Verachtung:,, David hat uns ein Ultumatum gestellt. Entweder wir müssten dich verlassen und nie wieder hinter dem Fall unserer Mutter her gehen, oder er würde dich töten."
,,Und da war für uns natürlich klar, was wir machen würden. Wir hatten geplant, dich zu suchen, dich igendwann, wenn  du sicher bist, zu uns zu holen. Aber bis jetzt hat uns David, jedes Jahr ein persönliches Stück von dir, ein Beweis, dass er dich jeden Moment töten könnte, zu Moms Todestag geschickt. Jedes Jahr und als er uns das Ultimatum gestellt hat."
Alex endete ihre abwechselnde Erzählung und jetzt starrten mich alle abwartend an.
Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte. Alles klang so plausibel, so einfach. Aber gleichzeitig so grausam. War es möglich, dass unser eigner Vater solche Verbrechen begang. Es konnte doch nicht sein, dass er sich gegen seine eigene, Exfrau wendete, sie kaltblütig umbringen ließ und dann seinen Söhnen drohte, auch noch seine Tochter zu töten, sollten sich sich gegen ihn wehren.
David Will.
Der Name hörte sich so fremd an, ich konnte nicht glaben, dass eine Hälfte meines Erbgutes von ihm stammte.
Wie konnte eine Person bloß so skrupellos sein?
Und ich war Teil der Kings gewesen.
Tränen kamen mir in die Augen.
Ich hatte höchstenfalls mit Entschuldigungen gerechnet, aber das...
Es tat mir so unfassbar leid, wie unzugänglich ich mich zu meinen Brüderm gezeigt hatte. Sie hatten mich verlassen, um mich zu schützten, hatten nur an mich gedacht und ihre Heimat mit nicht viel mehr  als elf Jahren ich verlassen. Und das nur, weil ihr Vater, unser Vater ein absolutes Arschloch war.
Ich öffnete meinen Mund, um genau das aus zu sprechen, aber plötzlich durchschoss mich ein unfassbarer Schmerz.
Mein Körper krümmte sich zusammen.
Es fühlte sich so viel schlimmer an, als die Quälerei von Smash.

Und plötzlich war der Schmerz, das einzige, was ich fühlte.

Alone in the UndergroundWo Geschichten leben. Entdecke jetzt